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Schilddrüsenerkrankungen: Operieren lässt sich oft vermeiden

Die Schilddrüsenfehlfunktion ist in Deutschland eine Volkskrankheit, und noch immer ist die Anzahl der Schilddrüsenoperationen sehr hoch – jährlich sind es etwa 120 000. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, ist es äußerst wichtig, dass Sie als Pflegende die typischen Symptome einer Schilddrüsenerkrankung kennen und Betroffene über Ursachen, Folgen und mögliche Vorsorgemaßnahmen informieren.

Schilddrüsen-Unterfunktion

Was stimmt bei Ihrem Patienten nicht?

Frieren bei großer Hitze, schlechte Laune, Verstopfung und Gewichtszunahme – nicht selten ist eine Schilddrüsen-Unterfunktion (Hypothyreose) die Ursache. Eine Hypothyreose ist bei älteren Menschen oftmals nicht leicht zu erkennen. Bei ihnen zeigen sich meist nur einzelne Symptome wie eine herabgesetzte körperliche und geistige Leistungsfähigkeit – was oft dem Alter zugeschrieben wird. Ursachen einer Hypothyreose können ein anhaltender Jodmangel oder Entzündungen der Schilddrüse sein (3, 4).

 

Eine Überfunktion kann lebensgefährlich werden

Bei einer Schilddrüsen-Überfunktion (Hyperthyreose) klagen die Patienten über Schweißausbrüche, Durchfälle und Schlaflosigkeit. Ist Ihr Patient an einer Hyperthyreose erkrankt, müssen Sie gut auf ihn aufpassen. Denn die thyreotoxische Krise ist eine lebensbedrohliche Komplikation (Letalität 30–50 Prozent). Sie tritt spontan oder nach Gabe jodhaltiger Arznei- und Kontrastmittel auf. Es kommt zu Tachykardien, Herzrhythmusstörungen, hohem Fieber, schweren Durchfällen sowie Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma. Ihr Patient muss unverzüglich auf eine Intensivstation (3, 4).

Autonomie oder Basedowsche Erkrankung sind die häufigsten Ursachen einer Überfunktion. Bei der Schilddrüsenautonomie produzieren abgegrenzte Gewebebezirke (Adenome) oder das gesamte Schilddrüsengewebe ungebremst Hormone, und zwar unabhängig von übergeordneten Zentren, wie dies normalerweise der Fall ist. Beim Morbus Basedow stimulieren Autoantikörper gegen Schilddrüsengewebe die Hormon bildenden Zellen, und es kommt zu einer vermehrten Bildung von Schilddrüsenhormonen. Da diese Produktion sich nicht nach dem tatsächlich bestehenden Bedarf richtet, ist eine Schilddrüsen-Überfunktion die Folge. Zumeist vergrößert sich die Schilddrüse, und es kommt zum Kropf (Struma). Um dies festzustellen, können Sie bei Ihrem Patienten den Schlucktest vornehmen: Vergrößerungen der Schilddrüse folgen beim Schlucken den Bewegungen der Luftröhre.

Charakteristisch für den Morbus Basedow ist, dass sich der Autoimmunprozess nicht nur an der Schilddrüse, sondern auch an der Haut des Unterschenkels mit Schwellungen und am Gewebe der Augenhöhlen bemerkbar macht. Auffallend sind die hervortretenden Augen mit zurückgezogenen Oberlidern und der starre Blick.

 

Der Kropf – typisch bei Jodmangel

Manchmal ist nichts dergleichen zu beobachten. Das Einzige, was auffällt, ist eine Schilddrüsenvergrößerung. Dann funktioniert die Schilddrüse Ihres Patienten wahrscheinlich normal – Ihr Patient hat eine euthyreote Struma (einen so genannten Kropf). Die euthyreote Struma kommt in Deutschland sehr häufig vor. 30–50 Prozent der Bevölkerung sind betroffen (3). Häufigste Ursache ist Jodmangel in der Nahrung. Dann ist die Schilddrüsenhormonsynthese erschwert, und die Schilddrüse versucht durch Wachstum, dies auszugleichen. Damit es erst gar nicht so weit kommt, sollten Sie für die richtige Ernährung Ihres Patienten sorgen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt 180–200µg Jod pro Tag (2). Größere Mengen an Jod kommen in Salzwasserfisch und anderen Meerestieren vor. Auch Milch und Milchprodukte enthalten nennenswerte Mengen an Jod, allerdings ist hier die Fütterung der Tiere ausschlaggebend. Geben Sie Ihrem Patienten jodiertes Speisesalz – dies beugt jodmangelbedingten Schilddrüsenkrankheiten wirksam vor.

 

Bei Verdacht auf Schilddrüsenerkrankung: sofort zum Arzt

Fällt Ihnen irgendetwas auf, das auf eine Schilddrüsenerkrankung hinweist, sollten Sie mit Ihrem Patienten sofort zum Arzt gehen. So verhindern Sie, dass die Schilddrüsenerkrankung zu spät erkannt wird und eine Operation unumgänglich ist. Falls Ihr Patient Angst vor Schilddrüsenkrebs hat, beruhigen Sie ihn: Bösartige Schilddrüsentumoren sind sehr selten – sie machen nur 0,5 Prozent aller Malignome aus.

Klinische Befunde einer Über und Unterfunktion kann der Arzt bei der körperlichen Untersuchung erkennen. Die manuelle Palpation hat durchaus ihren Stellenwert: So fand die Studie „Papillon 2006" in etwa 86 Prozent der Fälle eine hohe Übereinstimmung zwischen Schilddrüsenpalpation und Sonografie. Bei der Laboruntersuchung ist die Bestimmung des Thyreoidea stimulierenden Hormons (TSH) im Blut sehr wichtig. Das Ergebnis sagt zumeist zuverlässig aus, ob eine normale Schilddrüsenfunktion vorliegt. Daneben oder anschließend wird gegebenenfalls die Konzentration der Schilddrüsenhormone bestimmt. TSH wird in der Hirnanhangsdrüse hergestellt und reguliert die Synthese der Schilddrüsenhormone und ihre Abgabe ins Blut. Bei einer Überfunktion der Schilddrüse liegt der TSH-Wert meist unterhalb des Normbereichs, während die Schilddrüsenhormonwerte im Blut erhöht oder noch normal sind. Ist der TSH-Wert normal, ist eine Überfunktion der Schilddrüse fast ausgeschlossen. Bei der Basedowschen Erkrankung lassen sich in mehr als 90 Prozent der Fälle  Schilddrüsenautoantikörper nachweisen.

Diese einfachen, kostengünstigen und überall verfügbaren Untersuchungsmethoden ermöglichen eine frühzeitige Erkennung von Schilddrüsenerkrankungen. Sie sollten bei jedem Patienten über 40 Jahren zumindest einmal durchgeführt werden. Bei unauffälligen Befunden ist eine Wiederholung nur bei neu aufgetretenen Symptomen notwendig.

 

Richtig eingesetzt, sind Medikamente gut wirksam

Ziel einer Hyperthyreose-Therapie ist es, Symptome zu beseitigen und Folgeschäden (wie beispielsweise einen Herzinfarkt) zu vermeiden. Dies ist durch Gabe von Thyreostatika und Radiojodtherapie möglich. Thyreostatika unterdrücken die Hormonbildung in der Schilddrüse oder die Hormonfreisetzung. Radiojod führt zur Zerstörung von Schilddrüsengewebe und verringert damit die Schilddrüsenhormonproduktion.

Tabletten mit dem Wirkstoff Levothyroxin sind Mittel der Wahl, wenn es um die Behandlung einerHypothyreose geht. Auch die Jodmangelstruma wird oft mit Levothyroxin (und Jod) behandelt.

 

Seit der Einführung von Rabattverträgen tauschen Apotheker häufig Medikamente aus. Dies kann bei Levothyroxinpräparaten Probleme bereiten (5). Sie als Pflegender sollten wissen, dass Präparate-Hopping mit Schilddrüsenhormonen bei Ihrem Patienten gefährlich ist, da schon geringste Änderungen im Blutspiegel Probleme bereiten können. Deshalb empfehlen Endokrinologen, möglichst keinen Präparatewechsel vorzunehmen (1). Wird er dennoch vollzogen, müssen Sie Ihren Patienten zum Arzt schicken. Denn eine TSH-Kontrolle ist unumgänglich, um die Dosis gegebenenfalls anzupassen.

 

 

Literatur:
(1) Blakesley, V. A. et al.: Are Bioequivalence Studies of Levothyroxine Sodium Formulations in Euthyroid Volinteers Reliable? THYROID 14 (3), 191–200, 2004.
(2) Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V.: Jodsalz ist unverzichtbar und gesundheitlich unbedenklich, www.dge.de modules.php?name=News&file=article&sid=10, 2009.
(3) Menche, N.: Pflege heute, 4. Auflage, Urban & Fischer. München, Jena, 2007.
(4) Mutschler, E. et al.: Arzneimittelwirkungen kompakt. Basiswissen Pharmakologie und Toxikologie. Wiss. Verlagsgesellschaft Stuttgart 2005.
(5) Reiners, C. et al.: DAZ, 14, 65–69, 2008.

 

 





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