• Praxis
Gicht

Eine Erkrankung des Wohlstands

Gicht ist besonders bei älteren Menschen eine immer häufiger vorkommende Erkrankung. Unbehandelt kann sie schwere Folgen nach sich ziehen. Besonders Pflegende im ambulanten Sektor müssen daher die ersten Anzeichen der Erkrankung erkennen, damit der Patient eine adäquate medikamentöse Therapie erhält. Auch muss dafür gesorgt werden, dass er seine Ernährungsgewohnheiten umstellt.

Gicht ist eine Erkrankung des Wohlstands. Allein zwischen 1970 und 2000 hat sich die Anzahl der Menschen, die an Gicht erkranken, nahezu verdoppelt. Männer sind mindestens viermal so häufig wie Frauen betroffen, wobei das Erkrankungsrisiko mit dem Alter steigt. Wird zu viel Harnsäure gebildet oder zu wenig ausgeschieden, sammelt sie sich im Blut an. Es kommt zu einer Hyperurikämie mit Werten von über 6,5 mg Harnsäure/dl Blut. Es besteht die Gefahr, dass sich Harnsäure-Kristalle bilden, die sich in Gelenken, Schleimbeuteln, Sehnen, in der Haut und im Ohrknorpel ablagern. Auch in der Niere können sich Kristalle absetzen (4).

Bei der Entstehung der Hyperurikämie spielen Purine eine wichtige Rolle. Denn beim Abbau von Purinen entsteht Harnsäure, und ein Zuviel an Purinen bedeutet auch ein Zuviel an Harnsäure im Blut. Purine entstammen zwei Quellen: Zum einem stecken Purine in der Nahrung. Besonders purinreich sind beispielsweise Innereien, Fleisch und Wurst. Zum anderen sind Purine ein normaler Baustein von Körperzellen. Sie werden daher im Organismus auch stets beim Abbau oder beim Zerfall von Zellen frei.


Zunächst führen die Urat-Ablagerungen weder zu einem Gichtanfall noch zu anderen Krankheitszeichen. Der erhöhte Harnsäurespiegel kann also jahrelang unbemerkt bleiben. Dies ist problematisch. Denn das Beste ist, einen hohen Harnsäurewert möglichst früh zu erkennen und mit Medikamenten und einer Umstellung der Ernährung zu behandeln. Dann ist es sehr wahrscheinlich, dass es gar nicht zu einem Gichtanfall kommt. Ist Ihr Patient übergewichtig oder hat man bei ihm auch andere Hinweise einer möglichen Fehlernährung, zum Beispiel Diabetes mellitus oder erhöhte Blutfettwerte, festgestellt, sollte ein Arzt die Harnsäurewerte im Blut bestimmen (4).

Akuter Gichtanfall
Typischerweise beginnt der Anfall in den ersten Stunden nach Mitternacht. Der Schmerz des Gichtanfalls ist hell und scharf und ist zumeist kaum erträglich. Der typische Erstanfall beschränkt sich auf ein Gelenk, zumeist das Grundgelenk der großen Zehe. Ein Drittel der Erstanfälle ereignet sich jedoch auch im Sprunggelenk oder im Knie, manchmal im Daumengrundgelenk (1). Es kommt zu starker Rötung und Schwellung.

Der Gichtanfall geht mit stärksten Schmerzen einher. Dieser Schmerz verstärkt sich, wenn der betroffene Bereich mit Bettzeug in Kontakt kommt. Auch wenn man durch den Raum geht, empfindet der Patient die hierdurch ausgelöste unmerkliche Erschütterung als schmerzhaft. Muss der Patient einen kurzen Weg durch die Wohnung zurücklegen, beispielsweise vom Bett zur Toilette, bereitet dies starke Probleme.

Die Schwellung bleibt einige Tage bis zu einer Woche bestehen und kann auch noch länger schmerzempfindlich sein. Allen Gichtanfällen gemeinsam ist ein völlig beschwerdefreies Intervall.


Die Blutuntersuchung zeigt zumeist eine Hyperurikämie. Der aktuelle Harnsäurewert ist bei einem akuten Anfall jedoch nicht immer auffällig, sondern kann bereits wieder im Normalbereich liegen. Aussagekräftiger sind wiederholte Harnsäure-Untersuchungen. Der Arzt sollte ein bis zwei Wochen nach dem Anfall die Harnsäure kontrollieren. Zumeist finden sich beim akuten Gichtanfall deutliche Entzündungszeichen im Blut. So ist die Blutsenkungsgeschwindigkeit beschleunigt und die Leukozytenanzahl ist erhöht.

Beim akuten Gichtanfall werden entzündungs- und schmerzhemmende Arzneimittel gegeben. Mittel der ersten Wahl sind nichtsteroidale Antiphlogistika, beispielsweise Indometacin oder Diclofenac. Sehr gut und rasch wirksam ist Colchicin, das die Leukozytenwanderung zum Entzündungsherd hemmt. Hauptnebenwirkungen sind Durchfälle, Übelkeit, Erbrechen, Knochenmarkdepression, Haarausfall und Nierenschäden. Glucocorticoide werden nur bei unzureichender therapeutischer Wirkung gegeben (2).

Kühlende Umschläge und Ruhigstellung des betroffenen Gelenks lindern die Beschwerden. Da oft schon der Druck der Bettdecke als schmerzhaft empfunden wird, empfiehlt es sich, einen Deckenheber („Tunnel“) zu benutzen (2).

Umstellung der Lebensgewohnheiten erforderlich
Nach Abklingen des akuten Gichtanfalls wird der Harnsäurespiegel durch Diät und Arzneimittel gesenkt. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten der medikamentösen Behandlung. Ein Urokostatikum wie Allopurinol hemmt die Harnsäurebildung. Alternativ zu Allopurinol kann der neu entwickelte Wirkstoff Febuxostat gegeben werden, um erhöhte Harnsäurespiegel zu senken, die bereits zu Ablagerungen geführt haben. Urikosurika wie Benzbromaron fördern die Harnsäureausscheidung (3).

Von besonderer Bedeutung ist die Änderung der Lebens- und Essgewohnheiten. Bei der Behandlung mit Urikosurika muss der Patient ausreichend trinken. So sollte die tägliche Urinmenge mindestens zwei Liter betragen, um der Harnsäuresteinbildung vorzubeugen. Es ist jedoch zu beachten, dass äußerste Zurückhaltung bei alkoholischen Getränken geboten ist. Alkohol beeinflusst den Stoffwechsel derart, dass der Harnsäurespiegel im Blut ansteigt. Besonders schädlich ist Bier, weil es zudem auch noch purinreich ist. Eine Urinalkalisierung kann bei erhöhtem Harnsäureanfall angezeigt sein, zum Beispiel wahrend einer Chemotherapie. Dann sind Urinkontrollen mit Indikatorpapier erforderlich (angestrebt wird ein pH von 5-7). Auch Bewegung hilft, den Harnsäurespiegel zu senken. Extreme körperliche Anstrengung und Unterkühlung können jedoch Gichtanfälle auslösen und sollten daher vermieden werden (4).

Die Ernährung muss purinarm sein. Die Patienten sollten eine Kost zu sich nehmen, bei der nicht mehr als 500 mg Harnsäure pro Tag und nicht mehr als 3000 mg pro Woche aus der Nahrung gebildet werden. Bei einem akuten Gichtanfall verordnet der Arzt oft sogar noch strengere Obergrenzen von maximal 300 mg Harnsäure pro Tag oder 2000 mg pro Woche (4).

Fleisch ist nur in kleinen Portionen erlaubt. Das Fleisch sollte gekocht sein: Beim Kochen gelangen die Purine teilweise aus dem Fleisch in die Brühe, welche nicht mehr verwendet wird. Auf Innereien, Wild, Sardinen und Fleischextrakte muss der Patient ganz verzichten. Auch einige pflanzliche Nahrungsmittel wie Hülsenfrüchte, Spargel und Kohl enthalten viel Harnsäure und sollten nur eingeschränkt verzehrt werden. Außerdem sollte Kaffee gemieden werden. Als Eiweißträger sind Milch- und Milchprodukte sowie bei normalem Blutcholesterinspiegel Eier geeignet. Vitamin C hat einen milden harnsäuresenkenden Effekt. Bei übergewichtigen Patienten ist eine Gewichtsnormalisierung anzustreben. Verboten sind jedoch radikale Fastenkuren, da diese den Harnsäurespiegel erhöhen.

Dank moderner Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten gelingt es heutzutage zumeist, die Gicht frühzeitig unter Kontrolle zu bringen. Wird die Erkrankung nicht behandelt, entwickeln sich im Verlauf der Jahre Gichtknoten („Tophi“). Selten kann es zu schweren Schäden wie Gelenkdeformierungen und Knochenzerstörungen kommen. Gichtbedingte Nierenschäden können zu einem Bluthochdruck führen.

Der Abstand zwischen den ersten Gichtanfällen beträgt zumeist sechs bis zwölf Monate. Ohne Therapie werden die Intervalle immer kürzer. Nach wenigen Jahren bleiben dann auch diese Zeitspannen nicht mehr beschwerdefrei: Die akute Gicht geht in ein chronisches Gelenkleiden über. Unbehandelt werden die Schmerzen allmählich zum Dauerzustand. In diesem Stadium kommt es zu Gelenkverformungen. Bei Gelenkschmerzen können physikalische Therapien schmerzlindernd wirken (4). Eine frühzeitige Therapie und eine gute Pflege helfen, solche schweren Folgen zu verhindern.


Literatur
(1) Consilium practicum: Handbuch für Diagnose und Therapie, CEDIP Verlag Österreich, 1. Auflage, 2007
(2) Menche N: Pflege Heute, Elsevier Urban & Fischer, München, Jena, 2007
(3) Mutschler E, Geisslinger G, Kroemer H K, Ruth P, Schäfer-Korting M: Arzneimittelwirkungen. Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2008
(4) Zöllner B und Gröbner W: Gicht und erhöhte Harnsäure, S. Hirzel Verlag, Stuttgart, 2010

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