• Praxis
Freitodbegleitung

Siggis Entschluss

Nach einem Fenstersturz und dem Bruch der Halswirbelsäule auf Hilfe angewiesen, kämpfte Siggi auf beeindruckende Weise für ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben und schreckte auch vor einer Klage gegen die Bundesregierung nicht zurück. Am Ende aber kostete der Kampf gegen den eigenen Körper zu viel Kraft. Ihren Lebensmut erlangte Siggi erst zurück, als sie sich für den Freitod entschieden hatte. Den Weg dorthin zeichnet ein langjähriger Weggefährte nach.

Es war Anfang November, da hörte ich auf meinem Anrufbeantworter einen Anruf von Siggi, der bereits seit zwei Wochen auf dem Gerät gespeichert und aus irgendwelchen Gründen noch nicht abgehört worden war. Der Inhalt der Nachricht war sehr kurz: Siggi bat mich, sie baldmöglichst zurückzurufen, sie wolle mit mir über mein Versprechen reden, welches ich ihr vor langer Zeit einmal gegeben habe, ohne weiter darauf einzugehen.

Wir hatten seit vielen Jahren nur noch wenig Kontakt, von regelmäßigen Anrufen zu meinem Geburtstag einmal abgesehen. Sehr bewusst und mit Siggis Wissen hatte ich mich zurückgezogen, da mir ihre Alkohol-Eskapaden, in denen sie gelegentlich auch ihre Helfer terrorisierte, irgendwann zu viel geworden waren. An die Situation, in der ich ihr jenes Versprechen gegeben haben musste, konnte ich mich nun nicht mehr erinnern. Dennoch wusste ich sofort, um was es wohl gehen musste. Sie hatte einmal davon gesprochen, dass sie eines Tages entscheiden würde, ihr Leben nicht mehr fortzusetzen. Ich atmete einmal tief durch, bevor ich sie an jenem Tag, zwei Wochen nachdem sie ihre Nachricht hinterlassen hatte, zurückrief.

Es war seltsam. Auch wenn ich ihr in unserem Telefon sagte, dass ich zu diesem Zeitpunkt noch keine endgültige Zusage meiner Unterstützung geben mochte und wir vereinbarten, uns zu treffen, um ihre Situation zu besprechen, so war mit dennoch augenblicklich klar, wie ernst sie es meinte und dass sie keinen anderen Weg gehen würde. Wir beschlossen, dass ich sie besuchen würde, und sie arrangierte es so, dass kein Helfer im Hause war und niemand etwas mitbekam. Gut zwei Stunden sprachen wir miteinander.

Siggi hatte zunächst die Vorstellung, dass ich ihr ein tödliches Mittel besorgen würde, was für mich als Möglichkeit nicht in Betracht kam. Ziemlich bald hatten wir uns darauf geeinigt, die Freitodhilfe einer Organisation in der Schweiz in Anspruch zu nehmen und dafür die entsprechenden Vorbereitungen zu treffen. Siggi beantragte die Mitgliedschaft und bereitete ihr Lebensende vor.
 


Dignitas: Umstrittener "Sterbeverein"

Dignitas ist ein 1998 gegründeter Schweizer Verein, der nach eigenen Angaben keine kommerzielle Interessen verfolgt, sondern seinen Mitgliedern „ein menschenwürdiges Leben wie auch ein menschenwürdiges Sterben" ermöglichen will. Das begründet der Verein, der seit 2005 auch in Deutschland aktiv ist, mit dem Recht auf Selbstbestimmung. Er versteht sich selbst als Lobbygruppe für eine Enttabuisierung des Freitods und für das „letzte Menschenrecht", ist aber sowohl in der Schweiz als auch im Ausland stark umstritten und immer wieder Ziel von Kritik. So wird ihm einerseits vorgeworfen, mit dem Tod von Menschen Geld verdienen zu wollen, andererseits sein Versprechen eines würdevollen Abschieds nicht einzuhalten. Immer wieder gab es, vor allem über die Medien vorgebrachte Berichte von Fällen, in denen der Tod weder friedvoll noch schnell eingetreten sei.

In Deutschland betreibt Dignitas keine aktive Freitodbegleitung, hat es sich aber zum Ziel gesetzt, „die derzeitige Rechtslage im Bereich des Sterberechts zu verbessern". Die Schweizer Mutterorganisation nimmt allerdings – im Gegensatz zu anderen „Sterbevereinen" in der Schweiz - auch ausländische Mitbürger als Mitglieder auf, weshalb sich der Ausdruck „Sterbetourismus" etabliert hat. Laut seinem internen Qualitätsbericht hat Dignitas in der Schweiz zwischen März 2011 und Juli 2012 insgesamt 257 Freitodbegleitungen durchgeführt.


 
Wir führten viele Gespräche in dieser Zeit, die wir zu einem großen Teil aufzeichneten. In diesen Gesprächen erzählte Siggi aus ihrem Leben. Ihre Kindheit beschrieb Siggi als eine Zeit, an die sie sich nicht allzu gerne erinnerte. Im achten Monat von ihrer 44-jährigen Mutter während eines Asthmaanfalls "ausgehustet", wie sie es nannte, wurde sie in eine Familie von Alkoholikern geboren, derer sie sich schon als Kind zutiefst schämte. Von ihrem Vater, zur Zeit ihrer Geburt bereits 49, bezog sie viel Prügel, für ihre Mutter musste sie den Haushalt besorgen oder den lebensrettenden Arzt holen, wenn diese in einem Asthmaanfall zu ersticken drohte. Siggi selbst sei als Kind schon „krank, krank, krank" gewesen.
 

"Ich habe an und für sich mit diesem Leben abgeschlossen."



Mit sieben Jahren kam sie in ein Kinderheim und wechselte von dort bis zu ihrem 15 .Lebensjahr in weitere Heime, weil sie sich auf Grund ihrer Aufmüpfigkeit nicht genügend anpassend konnte. Schließlich kam sie mit 15 in eine Pflegefamilie. Dort fand sie ein Zuhause, in dem es ihr auch möglich war, eine Ausbildung in der Bäckerei des Pflegevaters zu absolvieren. Zu ihrer Kindheit und Jugend sagte Siggi abschließend: "Ich habe an und für sich mit diesem Leben abgeschlossen, weil ich mich da ja selber rausgearbeitet habe. Also mein ganzes Leben war ja mit Kampf verbunden, kämpfen. Nur jetzt geht nix mehr zu kämpfen, jetzt ist die Luft raus. Also selbst wenn ich wollte, es geht nicht mehr, auch gedanklich nicht mehr. Da bin ich nur froh, wenn ich jetzt hier so meinen Tagesablauf geregelt kriege."

Mit 18 beging Siggi den, wie sie es nannte, Fehler ihres Lebens, sozusagen eine Flucht in die Ehe, und heiratete ihren ersten Mann, um endlich mal ein eigenes, ein richtiges Zuhause haben zu können. Gewalterfahrungen, wie sie sie aus ihrer Familie kannte, wiederholten sich. Die Ehe endete mit einem Schuldenberg, den Siggi übernahm, um der Geschichte ein Ende zu setzen. Hierfür arbeitete sie Tag und Nacht. Aber auch in ihrer nächsten Beziehung, mit 21 zog sie mit einem neuen Lebenspartner zusammen, erfuhr sie zunächst wieder Gewalt und musste später feststellen, dass die 1977 geschlossene Ehe hauptsächlich dazu diente, zu verhindern, dass ihr zweiter Mann als Spätaussiedler aus Rumänien dort zum Militäreinsatz eingezogen wurde.

Zwischenzeitlich war Siggi zudem mit 23 Jahren an Krebs erkrankt. Dieser konnte zwar erfolgreich behandelt werden, allerdings war ihr dadurch die Möglichkeit genommen, eigene Kinder zu bekommen. Nach einem einjährigen Versuch, weiter mit ihrem zweiten Mann zusammenzuleben, ließ Siggi abermals alles stehen und liegen und verließ ihn, um sich eine neue eigene Existenz aufzubauen. Sie hatte das Glück, bei einer öffentlichen Behörde, dem Landesamt für Datenverarbeitung, eine Anstellung zu bekommen und damit einen sicheren Arbeitsplatz.
 
Schließlich konnte sie sich dank der guten Arbeitsstelle und vieler Nebenbeschäftigungen eine Wohnung nehmen, die sie ein dreiviertel Jahr lang selbstständig renovierte. Im Scheidungsverfahren hatte sie abermals auf sämtliche Ansprüche verzichtet. Wenige Monate nach ihrem Einzug sollte die Wohnung den letzten Schliff bekommen, durch die Renovierung der Fenster. Als Siggi die Fensterrahmen streichen wollte, stürzte sie aus dem Fenster. Zwar befand sich die Wohnung nur im Hochparterre, sie landete aber mit dem Genick auf den Eingangsstufen unterhalb ihres Fensters und brach sich die Halswirbelsäule. Als sie am nächsten Tag wieder zu Bewusstsein kam, teilte ein Arzt ihr mit, dass sie eine Querschnittlähmung und einen doppelten Schädelbasisbruch hatte.


"Mit dem Sturz endete ihr erstes Leben."



Mit diesem Sturz endete, in Siggis eigenen Worten, ihr erstes Leben. Sie wäre am liebsten gestorben. Die Rehabilitation dauerte rund ein Jahr, zu dieser Zeit konnte sie nur ihren Kopf bewegen, da sie vom Hals an abwärts gelähmt war. Ihre Wohnung hatte sie noch aufrechterhalten können, in der Hoffnung, dort mit Assistenz leben zu können. In der Klinik wurde ihr jedoch ärztlicherseits mitgeteilt: "Pflegeabhängig, unselbstständig, nicht möglich, in häuslichen Verhältnissen zu leben". Daraus resultierte eine Abschiebung in ein Pflegeheim. Da sie auf alle Ansprüche verzichtet hatte, bekam sie kurz vor Inkrafttreten der Scheidung auch von ihrem Noch-Ehemann keinerlei Unterstützung.

Die Zustände im Pflegeheim waren so miserabel, das Siggi mit Darmverschluss einige Male in die Klinik eingewiesen werden musste, weil sich niemand darum kümmerte, dass sie regelmäßig abführen konnte. Ihr Aufbegehren um bessere Pflege und Betreuung wurde damit beantwortet, dass sie zusätzlich zu den vielen Medikamenten, die sie auf Grund der Schmerzen bekam, mit Pharmazeutika ruhig gestellt wurde. Schließlich gelang es ihr, den Hausarzt des Pflegeheims, in dem aufgrund der unzureichenden personellen Besetzung – für 75 Bewohner war nachts nur ein Pfarrer da – bereits zwei Patienten nachts erstickt waren, zu überreden, sie in eine zweite Reha zu überweisen. Vielleicht auch, weil sie mit Einschaltung der Presse gedroht hatte.

In der zweiten Reha musste sie zunächst einen Medikamentenentzug auf Grund der vielen Schmerz- und Beruhigungsmedikamente überstehen. In der eigentlichen Reha erlangte sie dann zumindest teilweise die Funktionsfähigkeit ihrer Arme wieder und konnte ihre Hände als sogenannte "Funktionshände" nutzen. Auch absolvierte sie noch in der Reha eine Ausbildung als Industrie- und Handelskauffrau und konnte somit den Heimplatz kündigen. Das zuständige Wohnungsamt, wo sie sich um eine behindertengerechte Unterbringung beworben hatte, teilte ihr aber mit: "Ohne nachweisbare Versorgung keine Wohnung." Also wandte Siggi sich direkt an den Oberbürgermeister von Düsseldorf, den sie noch aus der Arbeit in der Bäckerei ihrer ehemaligen Pflegefamilie kannte. Dieser verhalf ihr schließlich zu einer Wohnung in Düsseldorf, die sie ab Februar 1986 mietete und aus der sie, wie sie es einmal sagte, niemals wieder ausziehen würde. Schon gar nicht, um in eine Einrichtung zu ziehen.



Zu dieser Zeit war sie besonders auf die Unterstützung von Freunden angewiesen. Der Kampf in ihrem Leben, letztlich um ihr Leben, ging weiter: Mehrere Petitionen an und eine Klage gegen die Bundesregierung für einen kontinuierlichen und dauerhaften Einsatz von Zivildienstleistenden verhalfen ihr schließlich dazu, dass die sogenannten Zivis für eine längere Zeit und flexibler eingesetzt werden durften. Sie bekam einen Pool an Zivis zugeteilt, die sie nach eigener Planung einsetzen konnte. Und auch sonst mischte Siggi kräftig in der Behindertenbewegung mit, in der zu jener Zeit einiges los war. Demos, Tagungen und die Beratung anderer Körperbehinderter waren bei Siggi an der Tagesordnung. Wer sie kannte, erlebte sie als einen Menschen, der sich in der Gesellschaft vieler Menschen wohl fühlte und stets neue Kontakte knüpfte. Auch ihr Bedürfnis anderen Menschen zu helfen oder ihnen gar ein Zuhause zu gewähren, wenn auch nur vorübergehend, wird den meisten Weggefährten wohl vertraut sein. Das Versagen ihres Stimulators und der darauf folgende Erhalt eines Dauerkatheters, stellte jedoch abermals einen Einschnitt in Siggis Leben dar. Die berüchtigten „Abführtage" bestimmten zunehmend ihren Alltag. Immer mehr hatte sie das Gefühl, ihr Leben nicht mehr in der Hand zu haben.


"Innerlich bin ich gar nicht mehr hier."


Sie selbst drückte es so aus: "Also ich lebe gar nicht mehr so richtig. Also Leben heißt ja am Umfeld teilnehmen. Und das nehme ich ja so gut wie gar nicht mehr wahr. Weil bei mir ist ja die Wohnung, und Bett. Medikamente verabreichen. Toilettengänge. Haushaltsführung so weit wie's geht, aber mehr oder weniger von anderen machen lassen. Also ich bin körperlich noch hier. Aber innerlich bin ich gar nicht mehr hier. Weil ich auf das Ziel warte. Ja, endlich hier von der Welt scheiden zu können. Weil ich merke dann, das geht auch an die Substanz der Helfer."

So sehr Siggi jeden einzelnen Helfer und die Unterstützung, die sie durch ihre Helfer erhielt, schätzte. Jeder und jede davon nahm auf seine oder ihre Weise mit allen Eigenheiten einen Platz in Siggis Leben und damit einen Teil ihres Lebensraumes ein. Jeder kennt die Momente, der eine mehr, die andere weniger, in denen das Alleinsein wichtig für das eigene Gleichgewicht, das Wohlbefinden ist. Siggi beschrieb, dass ihr diese Momente zunehmend fehlten. Sie fühlte sich kraftlos und hatte nicht mehr das Gefühl, ihr eigenes Zuhause im Griff zu haben: „Dann merk' ich schon, also ich bin hier schon nicht mehr zuhause. Oder nur bedingt noch. Und dann schaukelt sich das emotional ziemlich hoch bei mir, dann werde ich auch manchmal dann ganz schön biestig und vergreif' mich dann auch manchmal im Ton."

Sie verbrachte kaum noch Zeit außerhalb ihrer Wohnung und hatte zudem das Gefühl, sich draußen nicht mehr zurecht zu finden. "Wenn ich mal 'rauskomme, ich komme mir immer vor wie in einer fremden Welt. Also da sagt mir nichts zu. Einkaufen mit Ach und Krach, dass ich dann für die Helfer noch mit organisiere, weil der eine mag dies, der andere mag das. Die Helfer kaufen immer für die anderen Helfer ein. Der Freitagsdienst kommt um 18 Uhr, dann musst du ja schon was auf dem Tisch haben. Und fürs Wochenende vorbereiten. Und dann kommt der Sonntagabenddienst, und der kommt auch von weit her. Und dann auch was da sein. Und das fällt mir immer und immer und immer schwerer. Die ganze Organisation."

Sich auf andere Menschen einzustellen, fiel ihr immer schwerer. Besonders bei neuen Helfern waren sowohl die organisatorischen und administrativen Aufgaben, als auch die persönlichen Kontakte und Auseinandersetzungen für sie nur noch mit größter Anstrengung zu bewältigen. Sich selbst empfand sie bisweilen als eine Zumutung für andere, ihr Körper wurde ihr mehr und mehr zur Last. Gleichzeitig hatte sie das Gefühl, dass es immer schwieriger wurde, Helfer zu finden, die sie so akzeptierten, wie sie war und wie sie leben wollte. Vermutlich gut gemeinte Ratschläge empfand sie zunehmend als lästig. So erzählte sie von Vorstellungsgesprächen: "Die wollten dann das Bett hier ins Wohnzimmer tun, dass ich mir eine Katze anschaffe, das täte ja der Seele gut ... damit ich nicht hinten in meinem Zimmer bin, wollte die schon so ein bisschen über mich bestimmen. Also wenn dann bin ich hier immer noch der Herr im Hause." Dies immer wieder klar zu stellen, bereitete ihr immer größere Mühe.



In unseren Gesprächen sind wir viele Möglichkeiten durchgegangen, die eine Alternative zu der endgültigen Entscheidung des Freitods hätten bedeuten können. Für Siggi kamen all diese Möglichkeiten nicht in Betracht. Seit 2000, so erzählte sie, hatte sie sich mit dem Gedanken auseinander gesetzt, ihr Leben zu beenden. Da half es auch nicht, ihr von gerade neu entstehenden Wohnprojekten zu berichten. Ihre Antwort auf die Frage nach Alternativen, wie beispielsweise des Betreuten Wohnens für sie bedeutete, fiel dementsprechend eindeutig aus: "Betreutes Wohnen kommt für mich nicht in Frage. Und sonst gibt's keine Alternativen. Ich kenn' die Situation. Du wirst fertig gemacht und stehst dann den ganzen Tag 'rum. Und dann wird nicht auf die einzelnen Bedürfnisse eingegangen, das Individuelle geht verloren. Da kriegst du deine Mahlzeiten da, und zwischendurch gibt's aber nichts. Ist klar, bei der personellen Struktur ist das nicht möglich, und das hab' ich mir ja bis jetzt noch hier erhalten. Und von daher möchte ich lieber diesen Weg wählen."

Im Verlaufe der Zeit und der vielen Vorbereitungen wurde immer deutlicher, dass es für Siggi nur noch ein Ziel gab und dass kaum noch etwas sie wirklich begeistern konnte. "Im Moment kann mich nichts reizen. Ich hab' irgendwie auch die Emotionen irgendwo, die sind ganz vergraben. Weil ich nur noch an eins denke. Ich bin hier zwar noch körperlich, aber geistig bin ich schon weg. Es ist jetzt nur noch das Durchhalten, bis eine Entscheidung gefällt ist."


"Ab diesem Tag wurde Siggi zunehmend entspannter."


Ihr Antrag auf Mitgliedschaft wurde von Dignitas in der Schweiz im Dezember angenommen. Dignitas gewährt ausschließlich Mitgliedern nach einer eingehenden ärztlichen Begutachtung die Freitodhilfe, welche Siggi dann im Januar beantragte. Sie schickte ihre alten Arztberichte, eine Stellungnahme ihres Hausarztes sowie einen ausführlichen Lebensbericht an Dignitas, in dem sie ihren Werdegang und ihre Situation darlegte. Obschon noch nicht abzusehen war, ob der zuständige Arzt das Rezept mit dem tödlichen Medikament ausstellen würde, bereitete sie unbeirrt ihr Lebensende vor. Gemeinsam mit ihrem langjährigen Betreuer Ole löste sie ihren Haushalt auf. Unterlagen wurden entsorgt, Gegenstände verschenkt, nach und nach weitere Helfer und einzelne Freunde informiert. Mitte Februar kam dann das sogenannte provisorische grüne Licht, was bedeutete, dass der zuständige Arzt das Rezept vorbehaltlich eines noch zu führenden persönlichen Gesprächs ausstellen würde.


Ab diesem Tag wurde Siggi zunehmend entspannter, auch wenn sie minutiös jedes mögliche Detail der anstehenden Reise und ihrer letzten Tage plante und vorbereitete, wie man es von ihr gewohnt war. Auch ihr gewohnter Humor kam wieder zum Vorschein, als sie mir mit verschmitztem Grinsen die Abrechnung ihrer Betreuung mit dem Sozialamt in die Hand drückte, welche ich dem zuständigen Sachbearbeiter wenige Tage nach ihrem Sterben persönlich überreichen sollte.

Siggi hatte nun die Möglichkeit, das persönliche Gespräch mit dem Arzt in der Schweiz zu führen und bei endgültiger Zusage einen späteren Termin für die Freitodhilfe zu vereinbaren. Oder gleich im Anschluss an den Arzttermin „zu sterben". Für nicht aus der Schweiz stammende Mitglieder besteht die Möglichkeit, in einer von Dignitas in Zürich angemieteten Wohnung zu sterben. Siggi entschied sich für Letzteres, in der festen Erwartung, dass der Arzt es sich nach dem persönlichen Gespräch nicht anders überlegen würde. Bald darauf wurde der Termin für den Arztbesuch und die Freitodhilfe vereinbart. Wir beschlossen gemeinsam, an einem Sonntag an den Bodensee zu fahren und auf der Insel Reichenau ihr Leben ausklingen zu lassen. Am Mittwoch, den 23. März sollte dann ihr letzter Tag sein.

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