Bobath, Kinaesthetics, Aktivitas, Rückenschule, Ergonomico – das sind nur einige der Konzepte, die zur Prävention von Rückenbeschwerden in der Pflege beitragen. Doch welches Konzept eignet sich wann für wen? Dieser Artikel gibt einen Überblick über die verschiedenen Konzepte hinsichtlich ihrer Ziele und Anwendungsbereiche sowie eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit in Bezug auf die Prävention von Rückenbeschwerden bei Pflegekräften.
Ein ganzer Komplex von Ursachen
In aller Regel führt ein ganzer Komplex aus verschiedenen, sich gegenseitig beeinflussenden Ursachen zu Rückenbeschwerden bei Pflegekräften: die Unterstützung von Patienten bei der Bewegung im Bett oder aus dem Bett sowie bei Aktivitäten des täglichen Lebens wie Essen, Ankleiden oder der Gang zur Toilette. Diese Pflegehandlungen, aber auch das Heben und Tragen von Lasten, ungünstige Arbeitsabläufe, fehlendes Personal, Stress und Zeitdruck können mit hohen körperlichen Belastungen der Pflegekräfte verbunden sein. Von Bedeutung sind ebenfalls die Gestaltung der Arbeitsplätze und die Ausstattung mit Hilfsmitteln. Beschwerden am Bewegungsapparat sind eine häufige Folge. Vorbeugen heißt somit die Devise – die körperliche Belastung so gering wie möglich halten, also möglichstalle Tätigkeiten so gestalten, dass sie dem Rücken gerecht werden; eben rückengerecht arbeiten. Auch die Gestaltung der Arbeitsumgebung und der Arbeitsabläufe leisten einen Beitrag zur Prävention. Aber wie kann die betriebliche Umsetzung aussehen?
Rechtliche Grundlagen
Arbeitsschutzgesetz, Lastenhandhabungsverordnung und BGV A1 (Unfallverhütungsvorschriften) regeln die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, unter anderem die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, die zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren beitragen eine Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsbedingungen in der Pflege vorzunehmen regelmäßig Unterweisungen in der sicheren (rückengerechten) Arbeitsweise einschließlich dem Umgang mit Hilfsmitteln durchzuführen die körperliche Eignung der Pflegekräfte zu berücksichtigen.
Fortbildungskonzepte
Die Praxis hat gezeigt, dass jedes Konzept, egal ob Bobath, Kinaesthetics oder Rückenschule, seinen Stellenwert hat. Alle leisten einen Beitrag zur Prävention von Rückenbeschwerden, betonen aber unterschiedliche Aspekte: Bobath stellt die Wahrnehmungsförderung des Betroffenen in den Vordergrund; die Rückenschule thematisiert biomechanische und ergonomische Voraussetzungen für das Bewegen von Lasten, und Kinaesthetics befasst sich mit dem Studium der menschlichen Bewegung. Eine Verknüpfung der verschiedenen Gesichtspunkte findet nur selten statt. Dies führt bei den Praktikern zu der Frage: Welches Konzept ist am besten geeignet für die eigene Einrichtung?
Einteilung nach Zielen
Eine erste Orientierung im Dschungel schafft die Einteilung der Konzepte nach ihren Zielen: a) Konzepte, deren primäres Ziel die Gesundheitsentwicklung der Patienten ist: Kinaesthetics, Bobath oder Aktivitas. b) Konzepte, deren primäres Ziel die Prävention der Rückenbeschwerden bei Pflegekräften ist: allgemeine Rückenschule, Rückengerechter Patiententransfer, kleine Hilfsmittel, technische Hilfsmittel, ErgonomicoKonzept oder TOP.ASR, BGW-Konzept.
Gesundheitsentwicklung der Patienten
Kinaesthetics in der Pflege
Begründer: Dr. Frank Hatch (Tänzer und Choreograph) und Dr. Lenny Maietta (klinische Psychologin) Was: Handlungskonzept zum Erwerb von Fähigkeiten in Bezug auf die Interaktion, die physiologischen Bewegungsmuster und die Umgebungsgestaltung, die für die Ausübung der Aktivitäten des täglichen Lebens erforderlich sind Anwendung: Pflege und Betreuung Ziel: Gesundheitsentwicklung des Patienten durch Anpassung beziehungsweise Erweiterung seiner Bewegungsfähigkeit Wirksamkeit in Bezug auf die Prävention von Rückenbeschwerden: Entlastung der Pflegekraft durch die Ausnutzung beziehungsweise Förderung der Bewegungsressourcen der Patienten. Nicht oder kaum berücksichtigt werden: Biomechanik, Ergonomie und Hilfsmitteleinsatz, sowie die besonderen Erfordernisse bei speziellen Krankheitsbildern, zum Beispiel Para-/ Tetraplegie.
Bobath-Konzept
Begründer: Berta Bobath (Gymnastiklehrerin), Dr. Karel Bobath (Neurologe, Psychiater) Was: Problemlösungsverfahren zur Befundaufnahme, Pflege und Therapie von Menschen mit Störungen von Funktion, Bewegung und Tonus aufgrund einer Läsion des zentralen Nervensystems (IBITAH) Anwendung: Pflege, Physio/ Ergo-/Logotherapie Ziel: Unterstützung des Patienten bei der Reorganisation des geschädigten Nervensystems, (Wieder)Erlernen normaler Haltungs und Bewegungsaktivitäten, Anbahnung verloren gegangener sensomotorischer Funktionen wie das Gehen oder das Anziehen von Kleidungsstücken Wirksamkeit in Bezugauf die Prävention von Rückenbeschwerden: Entlastung der Pflegekraft durch die Ausnutzung und Förderung der Bewegungsressourcen des Patienten. Nicht oder kaum berücksichtigt werden: Biomechanik, Ergonomie und Hilfsmitteleinsatz sowie die besonderen Erfordernisse bei Krankheitsbildern, die nicht mit einer Schädigung des Zentralnervensystems einhergehen.
Aktivitas-Konzept
Begründerin: Prof. Dr. Marlies Beckmann (Professorin für Klinische Pflege und Pflegewissenschaft) Was: Konzept zur Analyse der physiologischen Bewegungsmuster und zur Entwicklung individueller Maßnahmen, Verknüpfung aus verschiedenen wahrnehmungsfördernden Konzepten, u. a. Bobath, Kinästhetik und Affolter Anwendung: Pflege Ziel: Unterstützung und Erweiterung der individuellen, erhaltenen Fähigkeiten sowie die Initiierung neuer Fähigkeiten Wirksamkeit in Bezug auf die Prävention von Rückenbeschwerden: Entlastung der Pflegekraft durch die Ausnutzung und Förderung der Bewegungsressourcen des Patienten. Nicht oder kaum berücksichtigt werden: Biomechanik, Ergonomie und Hilfsmitteleinsatz sowie die besonderen Erfordernisse bei Krankheitsbildern, die nicht mit einer Schädigung des Zentralnervensystems einhergehen.
In einem zweiten Teil stellen wir Ihnen die in Deutschland bekannten Konzepte zur Prävention von Rückenbeschwerden bei Pflegekräften in Form von Kurzporträts vor.