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Prävention von Rückenbeschwerden: Durchblick im Dschungel der Konzepte

Teil 2: Diese kleine Artikelserie gibt einen Überblick über die verschiedenen Konzepte zur Prävention von Rückenbeschwerden hinsichtlich ihrer Ziele und Anwendungsbereiche sowie eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit bei Pflege-kräften. Im ersten Teil wurden die Konzepte vorgestellt, die die Gesundheits-entwicklung der Patienten zum Ziel haben. Im zweiten Teil stellen wir Ihnen nun die in Deutschland bekannten Konzepte vor, die die Prävention von Rückenbeschwerden der Pflegekräfte im Fokus haben.

Konzepte zur Prävention in der Pflegepraxis
Allgemeine Rückenschule: Begründer: 1969 erste Rückenschule in Schweden, 1983 „Bochumer Rückenschule"
Was: Seit der Gründung der Konföderation der deutschen Rückenschulen 2006 besteht ein einheitliches Schulungs-Konzept zur Vermittlung rückengerechten Verhaltens im Alltag, die Finanzierung durch Krankenkassen ist möglich
Anwendung: Jeder Mensch 
Ziel: Kennenlernen von biomechanischen Grundprinzipien für ein rückengerechtes Alltagsverhalten, insbesondere auch das Heben und Tragen von Lasten, der Umgang mit Schmerz, das Erlernen der Funktionsgymnastik  Wirksamkeit in Bezug auf die Prävention von Rückenbeschwerden: Förderung der Körperwahrnehmung, Stärkungder Eigenressourcen (u. a. Kraft, Beweglichkeit), Belastungsreduzierung durch Anwendung der biomechanischen Grundprinzipien im Alltagsverhalten. Der Umgang mit pflegebedürftigen Menschen wird nicht berücksichtigt. 

 Rückengerechter Patiententransfer
Begründer: Bundesverband der Unfallkassen (BUK), Forschungsgruppe am UKE Hamburg  Was: Standardisierte Vorgehensweisen für die Mobilisation und den Transfer von Patienten
Anwendung: Pflege und Betreuung 
Ziel: Rückengerechter Patiententransfer mittels standardisierter Vorgehensweisen, Lösungen für die verschiedenen Transfersituationen 
Wirksamkeit in Bezug auf die Prävention von Rückenbeschwerden: Belastungsreduzierung der Pflegenden durch die Anwendung biomechanischer Prinzipien und Kollegenhilfe. Die Aktivierung der Patienten und der Einsatz von kleinen Hilfsmitteln wird nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt; dadurch könnte es zu einer weiteren Belastungsreduzierung kommen. Kaum berücksichtigt werden auch die besonderen Erfordernisse bei speziellen Krankheitsbildern beziehungsweise altersbedingten Mobilitätseinschränkungen. 

Kleine Hilfsmittel  
Was: Beispielsweise der Einsatz von Gleitmatten, Gleittüchern, Rutschbrettern, Rollbrettern zur Reduzierung des Reibungswiderstandes oder der Antirutsch-Matte zur Erhöhung des Reibungswiderstandes sowie des Haltegürtels für den sicheren Griff am Patienten  Anwendung: Pflege und Betreuung, Physio-/Ergotherapie  Ziel: Kompensation fehlender oder zu geringer Ressourcen des Patienten, Bewegungserleichterung für Patient und Pflegekraft durch Umgebungsgestaltung und Förderung der Selbstständigkeit des Patienten, Vermeidung von Scherkräften  Wirksamkeit in Bezug auf die Prävention von Rückenbeschwerden: Reduzierung der Anstrengung und Belastung der Pflegekraft/des Therapeuten; die kleinen Hilfsmittel sind oft nicht bekannt oder werden häufig nicht angewandt aufgrund fehlender Unterweisung der Pflegekräfte im Umgang damit, weil sie nicht ortsnah vorgehalten werden bzw. weil es nicht genügend oder nur ungeeignete kleine Hilfsmittel gibt. 

Technische Hilfsmittel 
Was: Beispielsweise der Einsatz eines fahrbaren oder ortsfesten Lifters (Befestigung an Wand oder Decke) oder einer Umsetzhilfe zur Abnahme des Gewichts des Patienten  Anwendung: Pflege und Betreuung, Physio-/Ergotherapie
Ziel: Kompensation fehlender oder zu geringer Ressourcen des Patienten, Förderung der Selbstständigkeit des Patienten  
Wirksamkeit in Bezug auf die Prävention von Rückenbeschwerden: Vermeidung beziehungsweise Reduzierung der Anstrengung und Belastung der Pflegekraft/des Therapeuten. Die vielfältigen Möglichkeiten der technischen Hilfsmittel sind oft nicht ausreichend bekannt; häufig werden sie nicht angewandt aufgrund fehlender Unterweisung der Pflegekräfte im Umgang damit oder weil sie nicht ortsnah vorgehalten werden beziehungsweise weil es nicht genügend oder nur ungeeignete Geräte gibt. 

Ergonomico-Konzept
Begründer: Barbara-Beate Beck (Physiotherapeutin, Berufspädagogin, Trainerin für Kinästhetik), Michael Ramm (Diplompsychologe)  Was: Integration von Kinästhetik, Bobath, rückengerechter Arbeitsweise und Hilfsmitteleinsatz 
Anwendung: Pflege und Betreuung, Physio-/Ergotherapie 
Ziel: Gesundheitsschutz der Pflegenden, Kompensation fehlender oder zu geringer Ressourcen des Patienten, Förderung der Selbstständigkeit des Patienten
Wirksamkeit in Bezug auf die Prävention von Rückenbeschwerden: Vermeidung beziehungsweise Reduzierung der Anstrengung und Belastung der Pflegekraft durchAnwendung biomechanischer Grundprinzipien, Förderung der Bewegungsressourcen des Patienten, ergonomische Umgebungsgestaltung sowie den Einsatz kleiner und technischer Hilfsmittel; die Sicherheit der Pflegekraft und des Patienten hat Vorrang vor rehabilitativen und therapeutischen Aspekten

TOPAS_R-Konzept  
Begründer: Experten des Präventionsdienstes der BGW (Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege) 
Was: Integration von technischen, baulichen und räumlichen, organisatorischen sowie personenbezogenen Aspekten (Kinästhetik, Bobath, rückengerechte Arbeitsweise und Hilfsmittel) basierend auf einer differenzierten Analyse der betrieblichen Situation  Anwendung: Pflege und Betreuung, Physio-/Ergotherapie 
Ziel: Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz für die Pflegekraft/den Therapeuten 
Wirksamkeit in Bezug auf die Prävention von Rückenbeschwerden: Vermeidung beziehungsweise Reduzierung der Anstrengung und Belastung der Pflegenden durch die Integration von ergonomischer Umgebungsgestaltung, Anpassung der Arbeitsorganisation sowie Fortbildung/ Unterweisung der Mitarbeiter in der rückengerechten Arbeitsweise wie beim ErgonomicoKonzept. Die Sicherheit der Pflegekraft und des Patienten hat Vorrang vor rehabilitativen und therapeutischen Aspekten.  Nachhaltigkeit in der Praxis In der Praxis ist es nicht möglich, alle Mitarbeiter einer Einrichtung zu allen Seminaren zu schicken. Zeit, aber auch der immer enger werdende finanzielle und vor allem personelle Rahmen, spielen hier eine Rolle. Es hat sich herausgestellt, dass über eine integrative Herangehensweise, also die Bündelung mehrer Konzepte, die größtmögliche Belastungsreduzierung erzielt werden kann. Hier knüpft beispielsweise das Ergonomico-Konzept  an. Es bleibt jedoch zu klären: Wie kann es im Betrieb erreicht werden, dass Pflegekräfte nicht nur Wissen (Fortbildung, Unterweisung) erwerben, sondern dauerhaft und nachhaltig rückengerecht handeln.  Auf den ersten Blick führen Vielfalt und Komplexität der Ursachen von Rückenbeschwerden vielleicht zu Verwirrung. Es stellt sich die Frage: Wo und wie soll Prävention von Rückenbeschwerden beginnen? Gefordert ist dabei eine ganzheitliche Vorgehensweise, die auf reine Einzelmaßnahmen verzichtet und die Synergie-Effekte verschiedener Maßnahmen nutzt.  Erfolgreiche, nachhaltige Prävention von Rückenbeschwerden in der Pflege bedarf zunächst einer Analyse der Ist-Situation. Zu wissen, wo die Einrichtung steht, ist Voraussetzung zur Definition realistischer Ziele: Wo soll es hin gehen? Erst dann kann entschieden werden, welches Konzept und welche Vorgehensweise am besten geeignet sind. Zum Zweiten müssen auch und vor allem Maßnahmen auf der technischen/baulichen Ebene wie auf der organisatorischen Ebene die geeigneten Rahmenbedingungen für die Umsetzung der rückengerechten Arbeitsweise schaffen. Ziel sollte es auch sein, in kurzer Zeit möglichst alle Beschäftigten zu qualifizieren. Notwendig sind unter anderem Aufbau-Seminare, regelmäßige Refresher, die Qualifizierung neuer Mitarbeiter sowie von Praxisexperten, die kurzfristig bei Problemen zur Seite stehen. Nur so ist gewährleistet, dass das erworbene Wissen und Können angewendet wird. Ansonsten ist die Gefahr groß, dass sich die alten Bewegungs- und Handlungsmuster wieder einschleichen und das Gelernte vergessen wird.















 

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