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Inkontinenzprodukte: Neue Gesetzgebung verschlechtert Qualität der Versorgung

Das jüngste Gesundheitsreformgesetz, das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG), hat auch für Patienten erhebliche Auswirkungen. Durch die Stärkung des Wettbewerbs sollen finanzielle Reserven im System gehoben werden, ohne die Qualität der Versorgung zu beeinträchtigen. Die Bewertung der Maßnahmen ist den Versicherten und Patienten vorbehalten. Ganz unbeteiligt sind aber auch die ambulant tätigen Pflegekräfte nicht, denn sie müssen die Konsequenzen aus der neuen Praxis in ihrem Arbeitsalltag kompensieren.

Krankenkasse bestimmt Größe des Versorgungsgebietes
Der Wettbewerb im Hilfsmittelbereich soll zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern zukünftig durch Ausschreibungen und Veröffentlichung von Vertragsabsichten angekurbelt werden. Bei Ausschreibungen bestimmt die Krankenkasse die Anzahl und Größe der Versorgungsgebiete (Lose) für einen Leistungserbringer oder eine Bietergemeinschaft und legt den erwarteten Leistungsumfang fest. So hat zum Beispiel eine gesetzliche Krankenkasse die Versorgung ihrer Versicherten mit aufsaugenden lnkontinenzhilfsmitteln bundesweit in 20 Lose ausgeschrieben.

Damit ist die Größe eines Versorgungsgebietes vergleichbar mit einem Bundesland, das ein einzelner Ausschreibungsgewinner versorgen soll. Oft ist es der Bewerber mit dem preisgünstigsten Angebot, der den Zuschlag zur Versorgung erhält. Laut Gesetz soll der Versicherte dann nur noch von dem Ausschreibungsgewinner versorgt werden. Der Patient kann folglich nicht mehr frei wählen, von wem er mit Produkten versorgt werden möchte.
Die Teilnahme an Ausschreibungen gestaltet sich für Apotheken und ihre Verbände aus wirtschaftlichen, kartellrechtlichen und haftungsrechtlichen Gründen äußerst problematisch.

In den Bereichen, in denen Krankenkassen Hilfsmittel ausschreiben, wird die Apotheke faktisch verdrängt. Es gibt bereits bundesweite und örtliche Krankenkassen, die den Apotheken die Versorgungsberechtigung für aufsaugende lnkontinenzprodukte gekündigt haben. Dafür haben in einigen Bereichen sogar Herstellerfirmen die Ausschreibungen gewonnen und sollen nun die Versorgung der Patienten übernehmen.

Neben den Ausschreibungen können Krankenkassen ihre Vertragsabsichten öffentlich bekannt geben. Vertragsabsichten und die auf deren Grundlage geschlossenen Verträge bieten den Vorteil, dass sich viele Leistungserbrin-ger um die Versorgung der Patienten kümmern können. Aber auch diese Möglichkeit soll letztendlich zu Einsparungen bei gleichbleibender Qualität führen. Ob die Qualität wirklich nicht unter den Preissenkungen leidet, bleibt abzuwarten.

Betroffene beklagen mangelhafte Qualität
Erfahrungsberichte von Patienten, deren Hilfsmittelversorgung von ihren Krankenkassen ausgeschrieben wurden, liegen bereits vor. Betroffene beklagen, dass sie nicht oder nur mangelhaft von ihrer Krankenkasse über die neue Situation aufgeklärt worden sind oder erst in der Apotheke erfahren, dass diese sie nicht mehr versorgen darf. Auch berichten die Patienten oder Angehörigen oft, dass die Erreichbarkeit des neuen Versorgungsberechtigten mangelhaft sei, die Hilfsmittel nicht termingerecht geliefert werden, die falsche Größe und nicht die ausreichende Menge, dafür aber gleich der gesamte Monats- oder Quartalsbedarf geliefert wird. In der Zwischenzeit müssen sich die Versicherten oftmals dadurch behelfen, dass sie die benötigten Produkte zunächst privat in der Apotheke kaufen und versuchen, eine spätere Regelung mit ihrer Krankenkasse zu finden. Proble-matisch ist diese Situation be-sonders für sozial schwache Patienten ohne Angehörige.

Desweiteren berichten die Betroffenen über mangelhafte Qualität der Produkte, sodass die Versicherten morgens im Nassen liegen würden. Das erschwert auch die Arbeit für die ambulanten Pflegekräfte. Auch über die Beratung liegen negative Berichte vor: Die Produkte sollen ohne vorherige Beratung oder einen persönlichen Besuch geliefert werden. Die Berichte erstaunen nicht, wenn ein Leistungserbringer die Versorgung der Versicherten mit Inkonti-nenzhilfsmitteln einer Gebietsgröße eines Bundeslandes sicherstellen soll. Es bleibt weiterhin fraglich, ob die erwarteten Einsparungen den hohen Aufwand, der auf Seiten der Krankenkassen und Leistungserbringer mit den Ausschreibungen verbunden ist, annäherungsweise rechtfertigen und ob die Einsparungen nicht mittelfristig auf den Schultern der Patienten getragen werden. Es wird sicherlich auch spannend, wie sich die Krankenkassen im Jahr 2009 bei der Einführung des Gesundheitsfonds und dem verstärkten Wettbewerb der Krankenkassen untereinander hinsichtlich der Patientenzufriedenheit im Bereich der Hilfsmittel positionieren werden.





 

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