Seit dem Erscheinen des Expertenstandards zur Förderung der Harnkontinenz in der Pflege (DNQP, 2007) rückt die Problematik der Inkontinenz und deren Folgen für Betroffene vermehrt in die Aufmerksamkeit von Pflegenden. Dieser Artikel soll eine Hilfestellung sein, die in der täglichen Arbeit angewandten Maßnahmen zur Hautpflege und zum Hautschutz bei erwachsenen inkontinenten Patienten und Bewohnern zu überprüfen.
Inkontinenz – zwingend ein Risiko für die Haut?
In der Regel gehen Pflegende davon aus, dass inkontinente Menschen dazu neigen, Haut-probleme zu entwickeln. Beschrieben werden Hautschäden wie Mazeration (Aufweichen der Haut), perianale Dermatitis (so genannte Windeldermatitis, s. Abb. 1) oder Intertrigo (Wund-sein). Verschiedene Studien (Bliss et al., 2006; Nix et al., 2006) belegen, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Inkontinenz und Hautveränderungen besteht. Folgende Hautverände-rungen sind zu beobachten:
- Flächige Rötungen
- Erosionen
- Entzündungen
- Eventuell Blasenbildungen.
In der englischsprachigen Literatur werden diese Hautschäden in dem Begriff „Incontinence – associated dermatitis (IAD)" zusammengefasst, so wird klar auf die oben genannte spezifische Ursache hingewiesen (Gray et al., 2007).
Die Hautschäden entwickeln sich im Genitalbereich, der mit Ausscheidungen in Kontakt kommt. Sie betreffen vor allem den Damm (perineum), die perianale Region und unter Umständen auch beide Gesäßbacken. Die lokale Veränderung ist individuell unterschiedlich ausgedehnt. Besonders prädisponiert sind Hautareale, bei denen Haut auf Haut liegt, beispielsweise bei der Analfalte und den Leistenbeugen. Auf dem durch Inkontinenz veränderten Hautgebiet können sich sekundär weitere Hauterkrankungen wie Pilzerkrankungen (candida albicans) und bakterielle Entzündungen (z.B. durch Staphylokokken) entwickeln.
Prävalenz und Risikogruppen
Die Prävalenz und Inzidenz der Hautschäden durch Inkontinenz ist nicht gesichert. Die Hautschäden können sich gleichermaßen bei Patienten in Akutpflegeeinrichtungen und bei Be-wohnern von Pflegeheimen entwickeln. Da jedoch das Risiko, inkontinent zu werden, mit zunehmendem Alter steigt (DNQP, 2007), ist die Prävalenz bei dieser Personengruppe höher. Nachgewiesen ist, dass neben den lokalen Hautbedingungen persönliche Risikofaktoren zur Entwicklung dieser Hautschäden beitragen.
Diese Risikofaktoren sind:
– Alter
– Ernährungszustand
– Durchblutungssituation der Haut
– Hauttemperatur
– Mobilität
– Sensomotrik im perianalen Bereich
– Hautkonstitution
– Pflegegewohnheiten (Gray et al., 2007; Bliss et al., 2006; Nashan et al., 2004; Vogt, 1999).
Entstehungsursachen von Hautproblemen
Die Hautoberfläche ist mit einem so genannten Hydrolipidmantel überzogen. Er sorgt für die Geschmeidigkeit der Hautoberfläche und bestimmt auch den pH-Wert mit. Dieser liegt bei gesunder Haut im sauren Bereich (pH 5,5–6,5). Durch den Säureschutzmantel ist die Haut unter anderem befähigt, Mikroorganismen und Schadstoffe abzuwehren.
Feuchtigkeit auf der Haut und Veränderungen ihres pH-Wertes von sauer nach alkalisch (7–10) vermindern die epidermale Barrierefunktion. Dieser Prozess wird ausgelöst, wenn Urin und Stuhl längerfristig auf die Haut einwirken. Die Verschiebung des Haut-pH-Wertes entsteht durch toxische Komponenten wie Ammoniak (Abbauprodukt des Urins) und durch im Stuhl enthaltene eiweißspaltende Enzyme. Liegen Urin- und Stuhlinkontinenz gleichzeitig vor, werden diese Enzyme verstärkt aktiviert, was eine weitere Durchlässigkeit des stratum corneum bewirkt. Horn-schichtquellung durch Feuchtigkeit und eventuell Einwirkung von Pflegeprodukten verändern ebenfalls die Hautbarrierefunktion (Nashan et al., 2004; Schnelle et al., 1997).
Einer besonderen Gefährdung sind alte Menschen ausgesetzt, da durch natürliche funktionelle Veränderungen der Haut (z.B. verminderter Hydrolipidfilm, Verlust an Hautfeuchtigkeit) deren Barrierefunktion nachlässt.
Mechanische Belastung, zum Beispiel durch zu starkes Reiben beim Waschen und Abtrocknen oder durch Entfernen von Salbenresten, ist ein weiterer Risikofaktor (Nashan et al., 2004; Gray et al., 2007).
Aufsaugende Inkontinenzhilfsmittel können ebenfalls die Haut belasten. Zum einen, wenn sie okklusiv wirken und durch die entstehende Schweißbildung der Haut-pH-Wert erhöht wird, oder zum anderen, wenn sie Feuchtigkeit ungenügend aufnehmen undbinden (Gray et al., 2007).
Bei der Stuhlinkontinenz und der gemischten Urin- und Stuhlinkontinenz ist das Risiko für Hautveränderungen größer als bei alleiniger Urininkontinenz. Häufigkeit und Menge der Aus-scheidung spielen eine Rolle bei ihrer Entstehung, eine besondere Belastung der Haut ist die Diarrhoe.
Maßnahmen zur Prävention
Einschätzung des Hautzustandes und Erfassen des Risikopotenzials
Innerhalb der Pflegeanamnese ist es bedeutsam, dass Pflegekräfte immer, wenn sie mit inkontinenten Patienten/Bewohnern arbeiten, besonders wenn es sich um entsprechende Risikogruppen (s.o.) handelt, ein Assessment zur Hautsituation im Genitalbereich erheben.
Aufgrund der Entstehungsursachen sollen bei der Erhebung folgende Kriterien beachtet werden:
- Typ der Inkontinenz (Urin-, Stuhlinkontinenz, Diarrhoe, gemischte Inkontinenz)
- Dauer der Einwirkungszeit der Ausscheidung (z.B. Häufigkeit des Hilfsmittelwechsels erfassen)
- Beschaffenheit der Haut
- Anzahl der Risikofaktoren.
Reduzierung der Hautbelastung durch Behandlung der Inkontinenz
Nachdem die Inkontinenz den Auslöser für die möglichen Hautveränderungen darstellt, müssen deren Ursachen analysiert und mögliche Behandlungen eingeleitet werden. So können pflegerische Interventionen wie ein gezieltes Stuhltraining oder beglei-
tete Toilettengänge die Inkontinenzepisoden reduzieren (Whiteley, 2007; Nashan et al., 2004).
Erhaltung und Förderung des physiologischen Hautmilieus
Lokale Maßnahmen an den gefährdeten Hautarealen, wie die Reinigung, die Pflege, der Haut-schutz und der Hilfsmitteleinsatz, orientieren sich an den auslösenden Faktoren.
Die Reinigung der Haut ist schonend vorzunehmen, häufiges Waschen ist zu hinterfragen. So ist zwar nach jeder Stuhlausscheidung, nicht aber nach jeder Urinausscheidung die Haut zu reinigen. Hier wird individuell nach der Patientensituation entschieden. Lauwarmes oder kühles Wasser ist warmem oder heißem vorzuziehen, da letztere die Haut stärker entfetten. Zur Reinigung erweisen sich schwach saure (pH-Wert 5,5–6) oder neutrale Pflegeprodukte in flüssiger Form günstig, sie werden sparsam eingesetzt. Seife ist alkalisch, sie erhöht den Haut-pH-Wert und soll deshalb möglichst nicht verwendet werden. Wichtig ist, dass die waschaktive Substanz nicht auf der Haut bleibt. Nach der Reinigung wird vorsichtig, ohne zu starkes Rubbeln oder Reiben gründlich abgetrocknet.
Zur Rückfettung der Haut (Hydrolipidmantel) wird eine Wasser-in-Öl-Lotion verwendet, dies ist besonders bei zu Trockenheit neigender Haut zu beachten. Individuelle Gewohnheiten sind zu respektieren, aber auch kritisch zu überdenken. Salben und Pasten sind meist reine Fettpräparate (z.B. Vaseline, Melkfett) und führen zu einer starken Abdichtung der Haut; Aufquellen kann die Folge sein. Diese fettenden Präparate kommen gezielt, ganz dünn aufgetragen, eher als Schutz vor äußeren Einflüssen zur Anwendung. Da sie ein idealer Nährboden für Keime sind, müssen sie täglich sorgfältig entfernt werden, was eine zusätzliche mechanische Belastung für die Haut sein kann (Bienstein et al., 1997; Newman, 2002). Bei der Auswahl der Pflegepräparate ist zu berücksichtigen, dass Duft- und Konservierungsstoffe als Kontaktallergene wirken können (Vogt, 1999).
Spezieller Hautschutz
Bei hautempfindlichen Personen, besonders wenn entzündlich veränderter Urin, gemischte Stuhl- und Urininkontinenz oder Diarrhoe auf die Haut einwirken, können spezielle Barrieresubstanzen den Kontakt zwischen Ausscheidung und Haut herabsetzen und eine Schutzschicht gegen Feuchtigkeit und Noxen bilden. Zu nennen sind hier so genannte Hautprotektoren, die es in Form von Hautschutzfilmen (wasserlöslich, durchsichtig) oder Barrierecremes gibt. Diese Hautschutz-präparate wirken von sieben bis zu 72 Stunden, auch wenn die Haut gewaschen wird. Wie Studien in amerikanischen Pflegeheimen zeigen, sind sie effektiv, zeitsparend und können dadurch Kosten reduzieren. Als Hautschutz wirken auch zinkoxydhaltige Cremes oder Salben. Sie haben allerdings den Nachteil, dass ihre Rückstände täglich entfernt werden müssen und so die Haut mechanisch belastet werden kann.
Hilfsmittel zur Kompensation der Ausscheidung
Die zur Kompensation der Inkontinenz eingesetzten körpernahen, aufsaugenden Hilfsmittel spielen als Hautschutz eine bedeutende Rolle (Gray et al., 2007; Newman, 2002; Füsgen und Dirschka, 2003). Sie müssen hohen Qualitätsansprüchen genügen, wie einer Ausstattung mit Superabsorber und Rücknässeschutz. Es gibt Hinweise, dass die Art der Hilfsmittelaußenfolie (atmungsaktiv) hier besonders bedeutsam ist (Smola et al., 2008; Füsgen und Dirschka, 2003). Für den Hautschutz ist es günstiger, wenn wenig Hautfläche mit dem Hilfsmittel abgedeckt ist und keine Okklusion entsteht. Damit die Haut vor Nässe geschützt ist, müssen die Hilfsmittel gewechselt werden, wenn deren Aufnahmekapazität erreicht ist. (Zur Einschätzung können Nässeindikatorstreifen hilfreich sein.) Für Männer ist auch möglicherweise der Einsatz eines Kondomurinals sinnvoll. Bei der Stuhlinkontinenz mit flüssiger Ausscheidung kann der Einsatz eines Fäkalkollektors die Hautbelastung verhindern.
Bei der Erkennung von Risikofaktoren und Prävention von Hautschäden durch Inkontinenz hat die Pflege einen hohen Stellenwert. Zur Sicherung pflegerischer Qualität sollten Pflegepraktiken sowohl der pflegerischen Fachkräfte als der Patienten und ihrer Angehörigen kritisch durchdacht werden. Für Einrichtungen empfiehlt sich, ein einheitliches, strukturiertes Hautpflegeschutzprogramm bei inkontinenten Patienten/Bewohnern einzuführen und das Personal entsprechend zu schulen.
Die Literaturrecherche hat gezeigt, dass auf diesem Gebiet weiterer Forschungsbedarf besteht, damit zukünftig mehr evidencebasiertes Wissen den Pflegenden zur Verfügung steht. Die genannten Empfehlungen orientieren sich an wissenschaftlicher Literatur, vorwiegend an anglo-amerikanischen Studien. Im deutschsprachigen Raum liegen zu diesem Thema wenige Studien vor. Aufgrund der Datenlage sind diese vorwiegend auf dem Evidenzgrad (C) angesiedelt.
Literatur:
Bienstein, Ch.: Hautpflege und Körperwahrnehmung. In: Bienstein, Ch.; Schröder, G.; Braun, M.; Neander, Kl.-D.: Dekubitus – Die Herausforderung für Pflegende. Thieme, Stuttgart, New York, 1997
Bliss, D. Z.; Zehrer, C.; Savik, K.; Thayer, D.; Smith, G. (2006): Incontinence-Associated Skin Damage in Nursing Home Residents: A Secondary Analysis of a Prospective, Multicenter Study. In: Ostomy/Wound Management, Vol. 52, 12: 46–55