• Praxis

Humor in der Pflege: Lachen gefährdet die Krankheit

Werden Pflegende gefragt, in welchem Beruf sie arbeiten, wird anschließend oft der Tonfall gedämpft und hochachtungsvoll. Mit einiger Sicherheit folgt dann der Ausspruch des Gegenübers: „Das könnte ich nicht, denn da gibt es soviel Leid." Das stimmt teilweise. Gleichzeitig gibt es jedoch unendlich viele komische Situationen und Heiterkeit im Pflege-Alltag. Die Autorin zeigt, wie man sich Humor im Umgang mit Patienten zunutze machen kann.

Patienten finden Humor hilfreich

Eine Studie zu Wünschen von Patienten an Pflegende ergab, dass sie oft Humor hilfreich finden. Er schafft Abstand zu aktueller Angst und Sorge (1). Patienten fühlen sich besonders angenommen und als Personen wertgeschätzt, wenn Pflegende ihnen situativ mit Humor begegnen oder auf ihren Witz eingehen. Dazu folgendes Beispiel, erzählt von einer Gesundheits und Krankenpflegeschülerin im zweiten Ausbildungsjahr:

 

„Während einer Wahnvorstellung sprang eine 40-jährige Frau aus dem Fenster und kam mit multiplen Frakturen in die Klinik. Sie hatte strenge Bettruhe. Kontaktaufnahme zu ihr war kaum möglich. Fragen beantwortete sie knapp. Mimik und Gestik waren starr und betrübt. Versuche, eine vertrauensvolle Beziehung unter anderem mit Basaler Stimulation aufzubauen, schlugen fehl. Um Vertrauen aufzubauen, führte ich gezielt regelmäßig die Körperpflege durch.

Einmal brach sie in Tränen aus und vertraute mir ihre Ängste an. Sie fragte mich, wann wieder Schwester X Dienst hätte. Bei der Aussicht, sie am Abend wieder zu sehen, reagierte sie mit einem tiefen Seufzer, verzog ihr Gesicht und erzählte, dass sie mit ihr Probleme habe. Vielleicht hätte ich eine Idee, wie sie am besten mit ihr umgehen solle. Ich sagte ihr, dass ich da was wüsste. Ich schlug ihr vor, im Fünf-Minuten-Takt zu schellen und um die Bettpfanne zu bitten. Da fing sie lauthals an zu lachen. Natürlich machte ich durch Mimik und Ton deutlich, dies sei ein Scherz und nicht ernst zu nehmen. Sie fasste die Situation auch als Spass auf und ging auf die gleiche Ebene ein. Sie hätte auch noch eine Idee. So könne sie zum Beispiel um 22 Uhr schellen und nach dem Frühstück fragen.

Niemand im Zimmer konnte mit dem Lachen aufhören. Dies war die erste Situation, in der die Patientin lachte. Es war sehr beeindruckend, einen sonst so in sich gekehrten Menschen aus tiefstem Herzen lachen zu sehen. Sie steckte mich immer wieder an. Als sich die Situation beruhigt hatte, ging ich ernsthaft auf ihre Frage ein. Beim Verteilen der Abendmedikation sagte ich scherzhaft, dass dies das Abführmittel für heute Abend sei. Die Patientin ging sofort darauf ein. Durch die Situationskomik wurde der Zugang der Patientin geöffnet." (2)

 

Dies ist situativer Humor, der nicht planbar ist, sondern der von den Beteiligten und ihrem Sinn für Humor und Komik sowie Kreativität, Mut, Respekt und Sensibilität für die Situation lebt.

Was ist Humor?

Humor ist ein menschliches Phänomen, das in allen Kulturen der Welt zu finden ist und mit verschiedenen Begriffen in Zusammenhang gebracht wird. Diese können sein: Witz, Komik, Satire, Frohsinn, Heiterkeit, Komödie, Parodie, Ironie, Fröhlichkeit oder Lachen. Die Geschichte zeigt, dass in allen Jahrhunderten gelacht wurde – allerdings über verschiedene Anlässe. Man-ches, wie Spott über Faule und Dumme, war erlaubt. Anderes mit Verbot belegt, wie heute das Lachen über Menschen mit Behinderung. Menschen haben einen Sinn für Humor, der sich im Kindesalter systematisch über Spiel und lustvolle Erfahrung entwickelt. Die Psychologie ordnet Humorfähigkeit dem Merkmal „Heiterkeit" eines Menschen zu. Besonders hilft heitere Gelassenheit bei der Bewältigung widriger Lebensumstände. Diese kann entwickelt und trainiert werden (3).

 

Humortechniken lassen sich wie folgt unterscheiden in: Übertreibung, Inkongruenz, Untertreibung und Umkehr/Parodoxien.

Dr. Rolf Hirsch, Gerontopsychiater aus Bonn, erzählt: „Eine Altenpflegerin spricht eine vorüberwandernde demenzkranke Frau an: „Kommen Sie bitte mit. Wir gehen jetzt aufs Klo!" Diese antwortet: „Da hast Du Dir die Falsche ausgesucht, ich habe es auch nicht gefunden."

 

Humor findet Ausdruck in Lachen, Lächeln und Schmunzeln und wird der Emotion Freude und Erheiterung zugeordnet. Das Gefühl ist lustvoll und positiv besetzt und entfaltet körperliche, seelische, soziale und geistige Wirkung.

 

Humor wirkt auf Körper, Seele und Beziehung

Wie Humor auf den Menschen wirkt, untersucht die Gelotologie als Wissenschaft vom Lachen. Pflegende können diese Erkenntnisse nutzen, um zu einer besseren Lebensqualität bei ihren Patienten beizutragen.

Lachen bewirkt, dass umfassende Körperstrukturen zum Einsatz kommen und verblüffende Wirkung auf die Person haben: 17 Gesichtsmuskel werden angespannt, es werden Tränen produziert, die Nase liegt in Falten, Nasenlöcher und Mund sind geweitet. Die Atmung verläuft stoßweise, vertieft und beschleunigt, die Stimmbänder werden in Schwingung gebracht und es entstehen die typischen stakkatoartigen Lachlaute. Auch der Brustkorb gerät in Schwingung und kann sogar schmerzhaft gezerrt werden. Die Seiten können wehtun vor Lachen. Der Körper bewegt sich hin und her, das Zwerchfell massiert die Eingeweide. Lachen befreit, und die Kontrolle über den Körper geht in diesem Moment verloren.

 

In Folge wird vermehrt Sauerstoff aufgenommen, der Stoffwechsel wird beschleunigt und das Herz-Kreislauf-System trainiert. Nachgewiesen ist, dass Stresshormone abgebaut werden mit einem Effekt, der dem von mindestens zehn Minuten Jogging oder 25 Minuten Entspannungsübungen entspricht. Gleichzeitig kommt es zur Produktion von Endorphinen und zur Stärkung des Immunsystems (4).

 

Humor in der Pflege

Vera Robinson, amerikanische Krankenschwester, sammelte Mitte des 20. Jahrhunderts als Erste lustige Situationen, Witze aus dem Gesundheitswesen und Anekdoten aus Pflege und Pädagogik. Sie schrieb ihre Doktorarbeit darüber und zeigte, dass Pflege sich für Humor ebenso wie für Phänomene wie Angst, Frustration oder Konfliktverhalten interessiert. Ihr Beispiel machte Schule.

 

In Kinderkliniken gehören Klinikclowns inzwischen zum Alltag. Aber man kann mit einfachen Mitteln überall Humor einziehen lassen:

- Die Bibliothek kann mit humorvollen Hörbüchern und Videos bestückt werden

- Humorkisten mit Filmen, Utensilien und Büchern bestücken

- Mit Patienten und Angehörigen Cartoons anschauen

-Tragen von witzigen Kleidungsstücken, Clownsnasen oder Hüten

- Erzählen von lustigen Geschichten und Witzen

 - Einladung von Clowns oder Geschichtenerzählern.

 

 

Tipps für Pflegende zur besseren Bewältigung ihres Alltags:

- Gestaltung des Arbeits- und Lebensrhythmus mit Spiel und Humorpausen zur BurnoutPrävention

- Erweiterung eigener Fähigkeiten in Ausbildung und Beruf durch humorvolle Übungen

- Gestaltung des Arbeitsplatzes mit Humor fördernden Elementen wie humoristischen Bildern.

 

 

Humor im ambulanten Bereich

Humor wird als wertvolles Instrument zur Kontaktaufnahme mit älteren Menschen im häuslichen Bereich während gesundheitsfördernder Besuche von Pflegenden genannt. Er dient der Erschließung der Motivation und Kooperationsfähigkeit älterer Menschen (5). So können die Mitarbeiterin der ambulanten Pflege, Patienten selbst oder die Familie/Freunde Witze und lustige Geschichten sammeln und erzählen.

Bemerkenswert ist übrigens, dass Humor in einigen Ländern auf Rezept verordnet wird. In von Fachkräften geführten Lachkursen oder bei Lachyoga wird der Humor therapeutisch genutzt.

 

Humor in der Altenpflege

Förderlich wirkt sich ein vertrauensvolles Klima aus, in dem ein so genanntes Humormilieu geschaffen werden kann. Dazu dienen:

- Lustige Bilder, Karikaturen, Witzkalender, Figuren in Fluren und Zimmern oder in Toiletten und Waschräumen

- Humorkisten als Bibliotheken mit Filmen, Büchern, CDs, Lachsack

- Veranstaltungen mit Clowns, Filmvorführungen, Sketche, Witze vorlesen und erzählen, Lachrunden, Spielrunden, Tanz und Musikveranstaltungen, lockere Wettbewerbe usw.

 

 

 

Literatur:

(1) Biskup, A.; Fritze, W.; Jancke, G.; Schühle, B.: „Welche Wünsche an Pflegende haben Patienten in für sie existentiell bedrohlich erlebten Situationen in der Auseinandersetzung mit dem Sinn ihres Lebens und ihrer Spiritualität?" Unveröffentlichte Forschungsarbeit. Studiengang Pflegepädagogik an der Fachhochschule Ludwigshafen, 2007
(2) Jancke, G.: „Humor und Pflege." Unveröffentlichte Diplomarbeit zur Erlangung eines Grades einer Diplom Pflegepädagogin. Studiengang Pflegepädagogik an der Fachhochschule Ludwigshafen, 2007
(3) Ruch, W.; Zweyer, K.: „Heiterkeit und Humor". Ergebnisse der Forschung. www. uniduesseldorf.de/MathNat/Ruch/texte/ Hirsch.doc.31.03.07
(4) Hirsch, R.: „Ist uns das Lachen vergangen?" In: Demenz und Pflege. Eine interdisziplinäre Betrachtung. 2. Aufl., 2001, Frankfurt: MabuseVerlag
(5) McClymont, M.: „Health Visiting and Elderly People. A Health Promotion Challange." London: Churchill Livingston, 1991

 

 

 

 





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