Einige Weichen im Gesundheitswesen wurden mit Inkrafttreten der Pflegereform bereits gestellt, doch weitere Veränderungen werden folgen. Pflegedienste stehen vor großen Aufgaben: Die Kernaufgabe rund um die Pflege muss gewährleistet bleiben – die in diesem Jahr gestartete Qualitäts- und Transparenzoffensive erhöht den Druck sogar noch. Andererseits hat die Wirtschaftskrise auch vor der Pflegebranche keinen Halt gemacht. Es gilt also mehr denn je, vorhandene Zeit effizienter zu nutzen.
Ausgangssituationen verändern sich
Die neue Regierungskoalition aus CDU und FDP denkt über ein neu finanziertes System in der gesetzlichen Krankenversicherung nach. Dabei wird der gerade erst zum 1. Januar 2009 eingeführte Gesundheitsfonds auf den Prüfstand gestellt. Zur Erinnerung: Anfang des Jahres wurde der einheitliche Beitragssatz für alle Krankenkassen im Gesundheitsfonds auf 15,5 Prozent des Bruttoeinkommens festgesetzt, mit der Möglichkeit für Krankenkassen, Zusatzbeiträge von ihren Mitgliedern zu fordern. Schon zum 1. Juli 2009 wurde dieser Satz wieder um 0,6 Prozentpunkte auf 14,9 Prozent gesenkt. Wieder rund drei Monate später erwägt nun die neue Regierung, den Beitragssatz zwar vorerst stabil zu halten, aber gegebenenfalls 2011 auf einkommensunabhängige Prämien umzustellen. Hierbeisollen der Arbeitgeberanteil „eingefroren" und eine regionale Differenzierung bei der Festlegung von Beiträgen sowie eine höhere Gestaltungsfreiheit für die Krankenkassen erreicht werden.
Krankenkassen werden vermehrt fusionieren
Bis heute hat kaum eine Krankenkasse von der Möglichkeit, Zusatzbeiträge zu erheben, Gebrauch gemacht. Möglicherweise ist dies auf die sich verändernde Krankenkassenlandschaft zurückzuführen. Während vor gut drei Jahren noch 260 Krankenkassen auf dem Markt waren, sind es heute noch 185 Versicherungen. Dieser Fusionstrend wird sich sehr wahrscheinlich auch im nächsten Jahr fortsetzen.
Ebenso wird über eine Neufinanzierung der Pflegeversicherung nachgedacht. Zuletzt wurde der Beitragssatz zum 1. Juli 2008 von 1,7 Prozent auf 1,95 Prozent erhöht (Kinderlose zahlen 0,25 Prozent zusätzlich). Erste Vorschläge gehen heute in die Richtung einer zusätzlichen Privatvorsorge. Weitere Ausführungen hierzu wären aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt reine Spekulation. Fest steht: Die Wirtschaftskrise hat auch das Gesundheitswesen erfasst und lässt diesen mächtigen Apparat ständig rotieren.
Banken und Abrechnungszentren helfen bei der Liquiditätsplanung
Für Pflegedienste wird sich der Wettbewerb verschärfen. Und auch für offensichtlich gut aufgestellte Einrichtungen kann es schwierig werden. Wachstum und steigende Umsatzzahlen sind oftmals noch kein Garant für eine ausreichende Liquidität. Kreditgespräche gestalten sich heute für Pflegeeinrichtungen aufgrund umfangreicherer Ratings bei Banken härter als früher. Einige Pflegedienstestecken derzeit in der viel zitierten „Kreditklemme" und müssen sich daher die Frage stellen, wie sie ihre Liquidität lang fristig sicherstellen wollen.
Für Pflegedienste gibt es verschiedene Optionen der Liquiditätsplanung: Zum einen über die klassische Variante bei der Haus- oder bei einer alternativen Bank in Form eines Dispositionskredites, zum anderen über ein Abrechnungszentrum. Dort werden die Abrechnungen gegenüber den Kranken- und Pflegekassen im Wege des Factorings vorfinanziert. Es wird also durch den Ankauf der Forderungen gegenüber den Kostenträgern die notwendige Liquidität erzielt, da die Summe der Abrechnungen im Vorfeld vom Rechenzentrum ausgezahlt wird. Hiervon bleibt die Kreditlinie bei der Hausbank unberührt. Im Grunde kann man sich diese Zusammenarbeit mit der Hausbank für investive Vorhaben offenhalten. Die Form der Liquiditätssicherung über ein Abrechnungszentrum bringt ein hohes Maß an Unabhängigkeit mit sich, und die bei Kreditinstituten übliche Offenlegung der Wirtschaftsverhältnisse findet im Rechenzentrum zudem nicht in diesem Umfang statt. Grundlage für die Auszahlung sind hier erst einmal die abrechnungsfähigen ärztlichen Verordnungen. Dabei können sogar im Vorfeld schon aufgrund der Vorlage der ärztlichen Verordnungen die Gelder zur Auszahlung gelangen, noch bevor die eigentliche Leistungserbringung und Abrechnung mit der Krankenkasse begonnen haben.
Daher müssen sich Pflegedienste fragen, welche Form der Abrechnung und Liquiditätsplanung für die Einrichtung die beste ist. Grundvoraussetzung hierfür ist, die eigenen Kosten zu kalkulieren: Was kostet eine Stunde Arbeit in einem Pflegedienst unter Berücksichtigung eines angemessenen Gewinns? Diese Kosten können dem Dienstleistungsangebot eines Abrechnungsdienstleisters gegenübergestellt werden. Erst danach kann eine wirtschaftlich fundierte Bewertung von Fremdleistungen vorgenommen werden.
Im Wesentlichen werden bei einem Abrechnungszentrum folgende Leistungen angeboten:
- Erstellung der kompletten Leistungsabrechnung als „Vier-Augen-Controlling"
- Erfassung aller relevanten Daten für den Datenträgeraustausch nach § 302 SGB V und § 105 SGB XI inklusive Datenversand
- Schnittstellen zum Steuerberater
- Vorfinanzierung der abgerechneten Leistungen
- Drucken der Rechnungen und Versand an die Kostenträger
- Prüfung und Bearbeitung von etwaigen Rechnungsrückläufern
- Die Kosten für die Fremdfinanzierung zum Beispiel mittels Dispositionskredit über die Hausbank und die für die Abrechnung benötigte Zeit müssen als Kostenfaktoren im Pflegedienst berücksichtigt werden. Wenn diese Zeitaufwendungen von Mitarbeitern und Pflegedienstleitungen „verbraucht" werden, können sie nicht mehr für konzeptionelle oder strategische Arbeit innerhalb des Pflegedienstes verwendet werden. Geht man davon aus, dass die Honorarforderungen eines Abrechnungszentrums bei der klassischen Abrechnung und je nach Dienstleistungsumfang bei rund ein bis zwei Prozent des Abrechnungsvolumens liegen, kann man schnell eine Bewertung über die Wirtschaftlichkeit vornehmen. Künftig wird es also immer mehr darauf ankommen, Zeit effizienter zu nutzen und Aufwendungen für Verwaltung und Bürokratie zu minimieren – mehr Zeit wird es jedenfalls nicht geben. Und die Kernkompetenz des Personals wird für die Ausweitung des eigenen Dienstleistungsangebotes undfür die Öffentlichkeitsarbeit dringend benötigt.
Freiräume nutzen, Transparenz erhöhen
Wer sich der Mithilfe von Kooperationspartnern bedient, schafft Freiräume für die eigene konzeptionelle Weiterentwicklung der Einrichtung. Eine gute Option zur Erhöhung des Dienstleistungsangebotes und somit des Umsatzes für Pflegeeinrichtungen wurde mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz Mitte 2008 vom Gesetzgeber initiiert. So werden die Möglichkeiten der Ausweitung von Leistungen für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz von den ambulanten Pflegeeinrichtungen jetzt verstärkt aufgegriffen und umgesetzt. Demenzkranke Menschen können statt vorher 460 Euro jährlich nunmehr Leistungen in Höhe von 100 beziehungsweise 200 Euro monatlich bei den Pflegediensten „einkaufen", wobei auch für diese Leistungen die kalkulierten Kosten des Pflegedienstes berücksichtigt werden müssen. Für Pflegedienste sind diese so genannten zusätzlichen Betreuungsleistungen nach § 45 b SGB XI eine gute Möglichkeit, ihr Dienstleistungs- und Serviceangebot aufzuwerten und werbewirksam einzusetzen – und das in einer wirtschaftlich nicht zu unterschätzenden Größenordnung. Rund ein Drittel aller pflegebedürftigen Menschen hat einen grundsätzlichen Anspruch auf derartige Leistungen. Auch die Möglichkeit der Tagespflege und die Betreuung von Wohngemeinschaften sind zunehmend lukrative Optionen für ambulante Dienste, da diese auch massiv Einfluss auf die Öffentlichkeitsarbeit nehmen. Dazu forderte die Politik mit der Pflegereform 2008 mehr Transparenz im Hinblick auf die erbrachte Qualität in Pflegeeinrichtungen, damit sich Angehörige und pflegebedürftige Menschen im Vorfeld schon über die Leistungen informieren können.
Neue Qualitätsoffensive birgt Chancen und Risiken
Im Zuge der kürzlich gestarteten so genannten Qualitätsoffensive und den damit verbundenen Transparenzkriterien sollen die von Pflegeeinrichtungen erbrachten Dienstleistungen und deren Qualität veröffentlicht werden. Grundlage hierfür sind die vom MDK vorgenommenen Prüfungen, die bis Ende 2010 mindestens einmal in allen ambulanten und stationären Einrichtungen und in der Folge jährlich stattfinden müssen. Die als Grundlage dienenden Qualitätsprüfrichtlinien und Erhebungsbögen wurden zu diesem Zweck überarbeitet. Sie sind neben der Prüfung von Struktur, Prozess- und Ergebnisqualität ein Bestandteil der MDK-Prüfung.
Hierin liegen für Pflegeeinrichtungen Chancen und Risiken zugleich. Keine Pflegeeinrichtung möchte schließlich ein „ausreichend" oder gar „mangelhaft" als Prüfergebnis bekommen. Denn wenn man eine Benotung über eine Einrichtung liest, ist der unkritische Leser schnell geneigt, diese Benotung gar nicht mehr zu hinterfragen. Das Benotungsprinzip ist dabei nicht neu: Auch in anderen Branchen hat es seit Jahren Bestand. Meist untersuchen diese Tests bestimmte Produkteigenschaften, und das Urteil bewirkt bei Lesern in den meisten Fällen eine Verallgemeinerung hin zum Gesamtstatus. Somit wird eine Benotung falsch oder gar nicht interpretiert.
Entscheidend bei der Prüfung ist daher die Bewertung oder „Interpretation" der vorhandenen Aufzeichnungen des Pflege dienstes durch die MDK-Prüfer. Die fachlich fundierte Argumentation einer Pflegeeinrichtung mit einem individuellen Qualitätsmanagement-System sollte dabei keinen Raum für Fehleinschätzungen lassen. Ein QM-System stellt die Struktur undProzessqualität im Unternehmen dar, wenngleich der Schwerpunkt der MDK-Prüfungen auf die Ergebnisqualität gelegt wird. QMSysteme schaffen eine innerbetriebliche Transparenz und legen Richtlinien für die verschiedensten Vorgehensweisen fest, wie zum Beispiel für die Pflegevisiten oder für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter. Dies führt schließlich dazu, dass sich Prozesse und Herangehensweisen etablieren. Letztlich führt dies wiederum zu einem Zeitgewinn. Somit kann ein gut eingeführtes Qualitätsmanagement die MDK-Prüfung zwar nicht ersetzen, jedoch im Vorfeld die Vorbereitung hierauf wesentlich erleichtern. Die danach zur Veröffentlichung anstehenden Qualitätsberichte können Pflegedienste dazu nutzen, ihre individuellen Stärken besonders hervorzuheben.
Unproduktive Zeit muss so gering wie möglich gehalten werden
Der Pflegemarkt ist nach wie vor ein Markt mit guten Wachstumsprognosen. Wer aber allein auf den demografischen Wandel vertraut und somit auf die alternde Gesellschaft und potenzielle Kundschaft wartet, wird sich langfristig vom Markt entfernen. Die Kunst wird es künftig sein, den Faktor der „unproduktiven Zeit" möglichst gering zu halten, denn es ist Fakt, dass bei wachsenden Aufgaben nicht mehr Zeit zur Verfügung steht. Wer es versteht, die zu erledigenden Aufgaben wirtschaftlich effizienter zu gestalten, gewinnt Freiräume für die konzeptionelle Weiterentwicklung des Pflegedienstes und kann sich somit auf einem Zukunftsmarkt dem Wett-bewerb stellen.