In vielen Fachbüchern werden Alginate als Wundermittel gegen infizierte und stark exsudierende Wunden gehandelt. Völlig risikolos ist die Nutzung dieser Auflagen jedoch nicht, so kann zum Beispiel die große Ausdehnungsfähigkeit der Alginatprodukte zu Komplikationen führen.
Wundheilung durchläuft verschiedene Phasen
Eine Wunde ist nichts anderes als eine Unterbrechung von Körpergewebe. Ziel der Wundversorgung ist, eine Lücke zu schließen. Prinzipiell macht das der Körper von selbst, doch die richtige Wundauflage kann die Selbstheilung unterstützen (2). Dabei läuft die Wundheilung in drei Phasen ab, die sich überlappen. Wunden müssen phasengerecht versorgt werden, und es gibt keine Wundauflage, die für jede Verletzung in jeder Phase gleichermaßen geeignet ist. Alginate eignen sich besonders für die erste Phase der Wundheilung – die Reinigungsphase.
In dieser Reinigungsphase, auch Inflammationsphase genannt, geht es um eine erste Schadensbegrenzung nach einer Verletzung. Das Blut gerinnt und bildet einen provisorischen Wundverschluss. Wasser sammelt sich im Zwischenzellraum an und dient als Medium für heilungsfördernde Zellen, Antikörper, Vitamine, Wachstumsfaktoren und Enzyme. Aber auch Keime, Schmutz und Gewebetrümmer befinden sich im Sekret. Das Verbandmittel muss daher überschüssiges Wundexsudat aufsaugen, denn sonst kann es zu Infektionen, exzessiver Ödembildung und Störung der Wundheilung kommen. Wegen ihrer geringen Verklebungstendenz sind moderne Wundauflagen den konventionellen Kompressen vorzuziehen. Insbesondere Alginate werden eingesetzt. Im Gegensatz zu den Alginaten bringen Hydrogele Feuchtigkeit bereits mit und sind zum Aufweichen von Belägen in den nachfolgenden Wundheilungsphasen angezeigt.
Um die Immunabwehr aufzubauen, wandern in der Granulationsphase große weiße Blutkörperchen mit feinkörnigem Zellinnern (Granulozyten) innerhalb weniger Stunden ins Wundgebiet ein. Anschließend kommen Fresszellen (Makrophagen) hinzu. Diese Fresszellen verdauen zerstörtes Gewebe und Keime. Parallel wandern Fibroblasten (Vorstufen der Bindegewebszellen) ein. Sie errichten ein provisorisches Gerüst. Erreicht das Granulationsgewebe Hautniveau, beginnt die Epithelisierungsphase, in der das Deckgewebe heranreift. Hornbildende Zellen – Keratinozyten – wandern von den Wundrändern ausgehend ein und verschließen letztendlich die Wunde.
Alginate: Wundverband aus Seealgen
Alginate werden aus Seealgen, vor allem Braunalgen, hergestellt und enthalten Alginsäure sowie Calcium. Sie sind als Kompressen und Tamponaden zum Austamponieren tiefer, nässender Wunden erhältlich. Je nach Produkt finden sich weitere Zusätze, beispielsweise Zink, Mangan, Chlorophyllin oder Gelbildner. Calcium-Alginate wirken granulationsfördernd und wundreinigend. Bei Kontakt mit natriumhaltigen Flüssigkeiten kommt es zum Austausch von Ionen. Die trockene Calciumalginatfaser saugt das natriumreiche Exsudat auf und wandelt sich so unter Abgabe von Calciumionen in lösliches Natriumalginat um. Hierbei quilltdie Alginatfaser auf und wandelt sich in ein Gel um, das der Wunde Feuchtigkeit spendet. Je mehr Wundexsudat vorhanden ist, desto schneller entsteht ein Gel mit niedriger Viskosität. Das Calcium wirkt in der Wunde blutstillend. Außerdem sorgt es dafür, dass die Alginatfasern sich nicht auflösen. Das Gel hat eine hohe Saugkapazität und schließt überschüssiges Wundexsudat ein. Durch die Aufnahme von Abfallstoffen kann es zur Geruchsbildung kommen (3, 4).
Alginate eignen sich zur Behandlung von stark sezernierenden, nässenden Wunden. Sie können auch bei infizierten Wunden eingesetzt werden. Alginate sind ebenfalls geeignet zur Behandlung von blutenden Wunden, einschließlich Schnitt- und Risswunden, und zum Abstillen blutender Kathetereinstichstellen. Ist die Wunde hingegen trocken oder enthält abgestorbenes Zellgewebe, sollten Alginate nicht verwendet werden. Auch Verbrennungen 3. Grades dürfen nicht mit Alginaten versorgt werden (4).
Worauf Sie beim Einsatz von Alginaten achten müssen
Schneiden Sie als Erstes den Alginat-Verband je nach Wunde oder Wundtasche unter sterilen Bedingungen passend zu. Als Nächstes tamponieren Sie den Alginatverband in eine Wundhöhle oder Wundtasche oder legen Sie ihn passend auf feuchten, oberflächlichen Wunden auf. Seien Sie bei der Versorgung von Wundhöhlen und Wundtaschen besonders vorsichtig. Es ist möglich, dass die große Ausdehnungsfähigkeit von Alginaten zu Komplikationen führen kann. Bei einer derartigen Anwendung ist es wichtig, die Alginate sehr locker einzutamponieren. Werden die Alginate in die Hohlräume hineingepresst, wird sich der Druck nach dem Ausquellen noch einmal steigern. Die Folge wäre die Ausbildung von Nekrosen – das Absterben von Zellen.
Sorgen Sie immer für ein feuchtes Milieu: Wenn das Anfeuchten unterbleibt, kann die Auflage mit dem Wundgrund verkleben (sogenanntes „Wundpeeling"). Ist die Exsudation nur gering, kann die Alginatauflage mit Ringerlösung oder NaCl 0,9% angefeuchtet („aktiviert") werden. Alternativ kann der Wundgrund mit einem Hydrogel angefeuchtet werden. Auch wenn sich schmierige Beläge, Nekrosen oder Fibrinbeläge in der Wunde befinden, können diese durch ein zusätzlich aufgebrachtes Hydrogel aufgeweicht werden. Dies fördert das autolytische Débridement.
Hydrogele in Gelform enthalten zwischen 60 und 95 Prozent gebundenes Wasser, sind aber sogar in Wasser nicht löslich. Sie wirken durch Abgabe ihrer Feuchtigkeit auf schonende Art (gesundes Gewebe bleibt erhalten) verflüssigend auf Nekrosen und Beläge, weshalb es empfehlenswert ist, eine dicke Schicht (0,3–0,5 cm) aufzutragen (3).
Weist die Wunde einen starken Exsudatausfluss auf, wird die Wundauflage trocken aufgebracht. Es besteht die Gefahr, dass auslaufendes Sekret die Wundumgebung mazeriert. Überschüssiges Wundexsudat kann mit saugenden Sekundärverbänden aufgefangen werden. Ein Wundrandschutz sollte standardmäßig aufgetragen werden.
Hegen Sie den Verdacht, dass die Alginat-Auflage eine allergische Reaktion hervorgerufen hat, sollten Sie Ihren Patienten einem Hautarzt vorstellen, um einen Epikutantest vornehmen zu lassen.
Das Entfernen der Alginatfasern bei nicht stark sezernierenden Wunden wird durch Spülung mit Ringerlösung erleichtert. Bei klinisch infizierten Wunden erfolgt der Verbandswechsel täglich. Ansonsten wird je nach Exsudatmenge im Abstand von zwei bis vier Tagen der Verband erneuert. Gelrückstände oder am Wundrand festklebende Alginatfasern können mit Ringerlösung abgewaschen werden (3, 4).
Alginate benötigen eine Sekundärabdeckung, zum Beispiel mit einem Polyurethanschaumverband oder einer semipermeablen Transparentfolie.
Wundheilung erfolgreich zum Abschluss bringen
Im Regelfall heilt eine Wunde innerhalb von drei Wochen ab. Unter ungünstigen Verhältnissen wie Nährstoffmangel, Infektionen oder Minderdurchblutung kann sich der Prozess jedoch verzögern. Ist die Wunde nach sechs Wochen noch nicht abgeheilt, spricht man von chronischen Wunden. Dazu zählen zum Beispiel das diabetische Fußsyndrom, Dekubitusgeschwüre und Ulcus cruris, das sogenannte offene Bein. Die Behandlung ist schwierig, langwierig und damit kostenintensiv. Wie eine Studie im Auftrag des Bundesverbandes Medizintechnologie ergab, kann der Einsatz von modernen Wundverbänden – wie den Alginaten – die Therapiekosten um 25 Prozent senken (1).
Literatur:
(1) Brunner, U.: Puder und Salben gehören nicht auf chronische Wunden, http:// www.pharmazeutische-zeitung.de/index. php?id=pharm2_24_2000&no_cache=1&sword_list[0]=alginate. 2010
(2) Kujath, P.; Michelsen, A.: Wounds – From Physiology to Wound Dressing, Dtsch Arztebl Int 2008, 105 (13): 239–48
(3) Menche, N.: Pflege Heute, Elsevier Urban & Fischer, München, Jena, 2007
(4) Wundzentrum Hamburg, Produktanwendungsstandard: Alginate, www. wundzentrumhamburg.de/download/standards/PS_Alginat.pdf, 2010