Hilfsmittel gegen Dekubitus verfolgen unterschiedliche Arbeitsprinzipien, mit denen das Dekubitusrisiko gesenkt beziehungsweise eine Heilung beschleunigt werden soll. Des Weiteren sollen sie die Pflege des Patienten unterstützen. Nachfolgend sind die Arbeitsprinzipien dieser Hilfsmittel beschrieben.
Die Wirkung der Arbeitsprinzipien im Einzelnen
Zweck von Anti-Dekubitus-Hilfsmitteln ist es, lokale mechanische Gewichtsbelastungen zu verringern oder bekannte Risikofaktoren, die die Entwicklung eines Dekubitus begünstigen, zu mildern. Die eventuelle Kombination mehrerer Arbeitsprinzipien hat das Ziel des höchstmöglichen prophylaktischen und therapeutischen Nutzens. Hilfsmittel gegen Dekubitus stellen oft nur einen Kompromiss dar und basieren auf den Arbeitsprinzipien Weichlagerung, Wechseldruck, Freilagerung und Wahrnehmungsförderung. Sie orientieren sich an den Ursachen und den Risikofaktoren für Dekubitalulzera.
Weichlagerung
Bei der Weichlagerung bewirkt die Gewichtskraft, dass das Material an den Auflageflächen der Matratze nachgibt. Der Patient sinkt in das Hilfsmittel ein, die Auflagefläche vergrößert sich. Durch die größere Fläche nimmt der Druck auf Haut und Gewebe ab. Das Gewebe wird weniger stark komprimiert und gezerrt (Scherung), die Durchblutung in der Endstrombahn kann besser werden.
Allerdings verschlechtert sich durch dieses Arbeitsprinzip für den Patienten gleichzeitig die Möglichkeit, Spontanbewegungen auszuführen. Weichlagerung fixiert die eingesunkenen Körperregionen durch zunehmende Einbettung und behindert dadurch die Eigenbewegung.
Die Produkte unterscheiden sich hinsichtlich der Materialbeschaffenheit, der Materialqualität sowie der Oberflächengestaltung. Das Zusammenwirken von Raumgewicht (Materialeinsatz; Gewicht der Matratze) und Stauchhärte bestimmt die Festigkeit einer Weichlagerung. Stauchhärte und Raumgewicht sind voneinander unabhängige Größen. Je niedriger das Raumgewicht desto mehr Zeit vergeht, bis nach einer Verformung wieder die ursprüngliche Form erreicht wird. Das bedeutet: niedrige Raumgewichte fördern Kuhlenbildung. Die Stauchhärte beschreibt die Kraft, die das jeweilige Material bei einer bestimmten Verformung der verformenden Kraft entgegensetzt. Die Stauchhärte bestimmt also den Festigkeitsgrad beziehungsweise den Weichheitsgrad.
Meist werden Schaumstoffe (z.B. Polyurethanschaum) unterschiedlicher Raumgewichte (30– 60, maximal bis 110 kg/m3) mit verschiedenen Stauchhärten – beispielsweise fester Kaltschaum-Kern mit mehrschichtiger Viskoschaum-Liegefläche – kombiniert. Wird jedoch die Stauchhärte benutzt, um eine weiche Matratze mit einem Raumgewicht von unter 50 kg/m3 stauchhärter zu machen, hat das Nachteile. Sie reagiert im Laufe der Zeit auf Druck mit Kuhlenbildung und zwar umso schneller und stärker, je niedriger das Raumgewicht ist.
In der Praxis hat sich gezeigt, dass nach derzeitigem Wissensstand aus Gründen der Haltbarkeit von Matratzen mit einem Raumgewicht unter 40 kg/m3 Abstand genommen werden sollte. Des Weiteren sind Schaumstoffsysteme nur schwer zu reinigen und durch Materialermüdung bedingt nur zeitlich begrenzt nutzbar. Die Produkte müssen über eine gewisse Mindestdicke verfügen, um den Körper einsinken zu lassen und so wirken zu können. Auch aus diesem Grund sind zu dünne Auflagen kritisch zu betrachten. Bei temperatursensitiven Schaumstoffen zeigt die Stauchhärte eine Abhängigkeit von der Temperatur. Diese geben an den Kontaktflächen, auf denen wärmere Körperteile aufliegen, gemäß der dort höheren Temperatur stärker nach und formen sich so den Körperkonturen noch nachhaltiger an.
Wechseldruck und Umlagerung
Unter Wechseldrucklagerung wird allgemein eine wechselnde Belastung und Entlastung quer zur Körperlängsachse verstanden, während Umlagerung üblicherweise eine Drehung oder Kippung um die Körperlängsachse bedeutet.
Hilfsmittel, die das Arbeitsprinzip des Wechseldrucks beziehungsweise der Umlagerung verwenden, ändern zeitlich und örtlich die Belastung auf die Auflageflächen der Haut. Dabei wird jeweils ein Bereich belastet, während ein anderer Bereich entlastet wird. Diese Vorgehensweise stützt sich auf die Vorstellung, dass im entlasteten Bereich die Perfusion im Gewebe ermöglicht wird und in den belasteten Regionen die stärkere mechanische Belastung des Gewebes keine nachteiligen Folgen hat. Hieraus resultierend kommt es im Mittel zu einer Abnahme (= Verschlechterung) des Sauerstoffangebotes. Bei einem regelmäßigen Wechsel von Belastung und Entlastung könnte allerdings erreicht werden, dass die Sauerstoffversorgung in ausreichendem Maße erhalten bleibt.
Temporäre Freilagerung
Die zeitlich begrenzte Frei- oder Hohllagerung ist ein Sonderfall der Umlagerung. Hier wird ein Bereich vollständig entlastet und damit frei gelagert. Das Gewicht dieses Teils des Körpers muss dann von umliegenden Arealen aufgenommen werden. Im Unterschied zur Umlagerung wird bei der Freilagerung die Lagerung aber zeitlich nicht verändert, die Entlastung erfolgt andauernd. Freilagerung wird insbesondere bei der Ferse (Abb. 3) eingesetzt, da hier, wie Untersuchungen mit Laser-Doppler-Sauerstoffperfusionsmessungen zeigten, auch durch eine Wechsellagerung keine adäquate Sauerstoffversorgung erfolgen kann. Je nach Konstruktion fixieren Freilagerungshilfsmittel die Bewegung beispielsweise der Beine und verlagern, ja provozieren geradezu Dekubitalulzera an den neuen Kontaktstellen, wenn nicht in regelmäßigen Abständen gelagert wird. Anderenfalls wird die stärkere Belastung des die Belastung aufnehmenden Gewebes zu einer Schädigung führen, die mit dem Auftreten eines sogenannten Fensterödems beginnt.
Wahrnehmungsförderung
Im Unterschied zu den vorgenannten Arbeitsprinzipien orientiert sich die Wahrnehmungsförderung nicht an der mechanischen Belastung durch Körpergewicht, sondern an dem Risikofaktor „eingeschränkte Mobilität und Aktivität". Die dynamischen Systeme zur Stimulation von Mikrobewegungen bestehen zunächst aus einer Schaumstoffmatratze, die aber um spezielle Aktuatoren (ein System, das mit motorischem Antrieb Bewegung erzeugt oder zur Bewegung anregt) und Steuergeräte ergänzt wird. Die Produkte sollen die Patienten über verschiedene Bewegungsmuster wieder zu Eigenbewegungen animieren und so präventiv sowie therapeutisch begleitend wirken.
Ziel dieses Arbeitsprinzips ist es, durch eine vom Hilfsmittel unterstützte Stimulation der sensorischen Nervenzellen im Kontaktbereich der Haut die Eigenmobilität des Patienten – und seien es Mikrobewegungen – anzuregen und dadurch das Dekubitusrisiko zu senken bzw. die Heilung zu fördern, zum Beispiel umgesetzt im Prinzip der Stimulation von Mikrobewegungen.
Aktive Belüftung der Auflagefläche
Aufgrund des Risikofaktors „Feuchtigkeit", der in vielen Risikoskalen bewertet wird, haben einige Produkte die zusätzliche Eigenschaft, die Auflagefläche aktiv zu belüften. Bei diesem Prinzip sind einzelne Bereiche der Druckluftkammern eines Wechseldrucksystems laserperforiert, wodurch ständig geringe Luftmengen austreten können. Die entweichende Luft ist trocken und nimmt Wasserdampf auf. Hier wird der Transport von Feuchtigkeit vom Patienten weg gefördert.
Auch soll das Risiko der Mazeration der Haut verringert werden. Feuchte Haut klebt an der Auflagefläche beziehungsweise am Schlafanzug. Trockene Haut hat einen deutlich kleineren Haftreibungskoeffizienten als feuchte Haut. So gleitet trockene Haut leichter auf den Stoffen der Auflagefläche, wodurch die Möglichkeit zur Einleitung von Querkräften in die Haut (Scherung) vermindert wird. Im Gegensatz zu dieser aktiven Belüftung spricht man von passiver Belüftung, wenn beispielsweise durch offenporige Schaumstoffe bzw. die Struktur der Oberfläche der Liegefläche ein gemäßigter Abtransport von Feuchte und Wärme durch Diffusionsprozesse erfolgen kann. Merke: Für alle aufgeführten Arbeitsprinzipien liegt nur eine schwache Evidenz der Wirksamkeit vor, so dass bestimmte Prinzipien nicht bestimmten Dekubitusgraden/-stadien zugeordnet werden können.
Anti-Dekubitushilfen
Unterschieden wird zwischen Sitz- und Liegehilfen. Sie können sowohl zur Prophylaxe als auch zur Therapieergänzung eingesetzt werden und funktionieren entweder nach dem Prinzip der Druckverteilung (Weichlagerung, statische Systeme, Systeme zur Vergrößerung der Auflagefläche), nach dem Prinzip der Verkürzung der Druckeinwirkungszeit (Wechseldruck, dynamische Systeme, intermittierende Systeme) nach dem Prinzip der Frei- oder Hohllagerung (zur gezielten dauerhaften Druckentlastung) oder sie kombinieren die unterschiedlichen Wirkungsweisen. Auch bei den Hilfssystemen finden sich mobilitätsfördernde Produkte, beispielsweise Mikrostimulationssysteme.
Liegehilfen
Liegehilfen werden für bettlägerige Patienten verwendet und sowohl bei der Prävention als auch zur Unterstützung der Behandlung von Dekubitalulzera eingesetzt. Technisch werden Auflagen und Matratzen unterschieden, wobei die Auflagen auf herkömmliche – in der Regel bereits vorhandene – Matratzen aufgelegt werden und nicht isoliert zu benutzen sind. Matratzen, oft auch als Matratzenersatz bezeichnet, werden statt der herkömmlichen Matratze in das Bett eingelegt. Das heißt, es sind Ersatzprodukte, die auch eigenständig genutzt werden.
Sitzhilfen
Sitzhilfen kommen zum Einsatz, wenn der Betroffene zwar noch sitzen, aber nicht mehr stehen oder laufen kann; etwa bei dauerhafter Rollstuhlversorgung. Ziel ist, Motivation und vorhandene Restmobilität nicht durch die inadäquate Versorgung einzuschränken. Liege- und Sitzhilfen werden hauptsächlich aus Weichlagerungsmaterialien hergestellt. Zum Teil sind auch Kombinationsprodukte, zum Beispiel mit Gelanteilen erhältlich. Mit Gel gefüllte Hilfen enthalten synthetische Gele und dienen der Druckverteilung sowie Stoßdämpfung (insbesondere Rollstuhlkissen). Sie zeigen nahezu gleiche physikalische Eigenschaften wie menschliches Fettgewebe. Es wird also ein „künstliches Fettpolster" untergelegt, das die Gewichtskräfte verteilen und so den Druck im Gewebe mindern soll. Auch Scherkräfte lassen sich durch die Gleitfähigkeit dieser Produkte vermindern. Spontanbewegungen bleiben möglich, weil kein tiefes Einsinken des Patienten, wie zum Beispiel bei Weichpolsterkissen, erfolgt.
Statische Positionierungshilfen
Bei diesen Produkten handelt es sich um speziell geformte Kissen und Polsterelemente, welche zur hautschonenden Positionierung und Umlagerung der Extremitäten bzw. des Rumpfes oder des gesamten Körpers dienen. Auch sogenannte Fersenschoner, Gelenkschoner etc. gehören zu dieser Produktgruppe. Sie werden als vorkonfektionierte Hilfsmittel in einer sehr hohen Vielfalt von Größen, Formen und individuellen Anpassungsmöglichkeiten angeboten. Zur Verbesserung der mikroklimatischen und hygienischen Eigenschaften und zur Verminderung von Scher- und Reibungskräften werden alle Produkte immer mit speziellen Bezügen angeboten. Diese sind elementarer Bestandteil des Produktes und bestimmen häufig die Wirkung des Hilfsmittels wesentlichmit.
Passende Auswahl des erforderlichen Hilfsmittels
Die Wahl des Hilfsmittels gegen Dekubitus orientiert sich nicht allein am Arbeitsprinzip, sondern das Arbeitsprinzip muss zur Grunderkrankung passen. Eine wesentliche Entscheidungshilfe stellt ein Erhebungsbogen dar, der unter anderem eine Tabelle mit Anforderungen an diese Hilfsmittel enthält. Wie ersichtlich, sind nahezu alle Risikobereiche auch der Hilfsmittel erfasst, wodurch sich die Auswahl für oder gegen ein Produkt aus einer bestimmten Produktgruppe begründen lässt.
Der Beitrag basiert auf den Ausführungen im Leitfaden Ambulante Versorgung von Patienten mit Dekubitus der Deutschen Dekubitusliga e.V.