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Kalzium wird bei Osteoporose-Prophylaxe häufig überschätzt

Osteoporose ist die häufigste Knochenerkrankung beim Menschen, allein in Deutschland gibt es vier bis sechs Millionen Betroffene. Der Dachverband Osteologie e.V. (DVO) hat eine Leitlinie zur Behandlung und Prophylaxe von Osteoporose herausgegeben (1). Neben Arzneimittel bedingten Osteoporoseformen werden hier auch die wichtigsten Formen der sekundären Osteoporose berücksichtigt. Eine weitere Neuregelung betrifft die Zufuhr von Vitaminen und Mineralstoffen, auf die Sie auch als Pflegende Einfluss nehmen können.

Gesamtsumme der Risikofaktoren ist ausschlaggebend
Das Risiko bei einem Sturz einen Knochenbruch zu erleiden, ist bei Patienten mit einer Osteoporose deutlich erhöht. Der Grund dafür ist, dass bei Osteoporose die Anzahl der Knochenbälkchen im Knocheninnern und deren Verknüpfung untereinander vermindert ist. Auch die äußere Knochenschicht ist oft dünner als bei einem gesunden Knochen.

Die Leitlinie des Dachverbandes Osteologie e.V. (DVO) empfiehlt älteren Menschen und Personen mit speziellen Risikofaktoren deshalb eine Osteoporose-Abklärung (Abbildung 1, Tabelle 1). So ist für Frauen über 70 Jahren und Männern, die älter als 80 Jahre sind, das Knochenbruch-Risiko in der Regel erhöht. Aber auch jüngere Menschen mit speziellen Risikofaktoren sind gefährdet. Zu den Risikofaktoren zählen unter anderem hormonelle Erkrankungen, Nikotinkonsum, Mangelernährung und die Einnahme bestimmter Medikamente. Es muss bedacht werden, dass die Gesamtsumme der einzelnen Risiken für das Knochenbruch-Risiko ausschlaggebend ist.

Zahlreiche Medikamente erhöhen Osteoporoserisiko

Gewisse Medikamente können zu einer Osteoporose führen. So geht eine länger als drei Monate dauernde hoch dosierte Glucocorticoidzufuhr mit einem deutlich erhöhten Knochenbruch-Risiko einher. Bei Frauen über 50 Jahren ist das Frakturrisiko doppelt so hoch, wenn sie einen Insulinsensitizer (Glitazon) einnehmen. Der Grund dafür ist, dass dieser das Gewebe für die Insulinwirkung empfindlicher macht. Deshalb wird er bei Typ-II-Diabetes eingesetzt. Auch Antiandrogene bei männlichen Patienten mit Prostatakarzinom und Aromatase-Hemmer bei Frauen mit Mammakarzinom erhöhen das Risiko. Dies gilt vor allem bei Frauen ab 60 und bei Männern ab 70. In diesem Altersbereich sind Antiepileptika und Epilepsie sowie rheumatoide Arthritis und Typ-1-Diabetes ebenfalls als kritisch einzuordnen. Zudem wird davon ausgegangen, dass die Langzeiteinnahme von Protonenpumpenhemmern das Risiko erhöht. Protonenpumpenhemmer unterdrücken die Salzsäuresekretion im Magen und werden Patienten mit Magengeschwür oder einer Entzündung der Speiseröhre gegeben.

Steigerung des Sturzrisikos durch Medikamente
Im Alter nehmen Kraft und Koordinationsfähigkeit ab, sodass ältere Menschen generell gefährdet sind zu stürzen. Medikamente wie Beruhigungs- und Schlafmittel (zum Beispiel lang wirksame Benzodiazepine), Antidepressiva, Neuroleptika oder Muskelrelaxanzien erhöhen das Sturzrisiko zusätzlich. Blutdrucksenkende Medikamente können Schwindelanfälle auslösen. Betablocker mindern die Muskelkraft und Antidiabetika können zu einer Unterzuckerung führen. Elektrolytstörungen und Dehydratation (Austrocknung) bedingen Schwindelanfälle. In allen diesen Situationen ist die Sturzgefahr erhöht.

Es ist nachgewiesen, dass die Sturzneigung im Allgemeinen erhöht ist, wenn ein Patient mehr als vier Medikamente einnimmt. Daher sollte darauf geachtet werden, dass der Arzt bei Langzeiteinnahme eines Medikamentes regelmäßig überprüft, ob die Einnahme des Arzneimittels in der jeweiligen Dosierung noch indiziert ist.

Vitamin-D-Zufuhr wird unterschätzt

Eine wichtige Neuerung der Leitlinie betrifft die Zufuhr von Mineralstoffen und Vitaminen. Während die Bedeutung von Kalzium für die Prophylaxe der Osteoporose in der Bevölkerung eher überschätzt wird, wird die von Vitamin D unterschätzt. Zu wenig wird bedacht, dass Vitamin D nicht nur die Kalziumaufnahme fördert, sondern auch die Muskelkoordination verbessert. Dies vermeidet besonders bei älteren Patienten Stürze. Ein schwerer Vitamin-D-Mangel lässt sich durch einen Aufenthalt von täglich 20 Minuten im Freien vermeiden, ein mäßiger Mangel jedoch nicht. Daher wird empfohlen, allen Patienten, die an Osteoporose erkrankt sind, täglich 800 bis 2000 Einheiten Vitamin D3 zu geben. Auch die Zufuhr einer gleichwertigen Dosis in mehrwöchentlichen Zeitabständen ist möglich. Zudem kann ein Arzt die Blutkonzentration von Vitamin D3 messen, sodass der Patient eine genau auf ihn abgestimmte Dosierung erhält.

Bei einer ausreichenden Vitamin-D3-Zufuhr genügt schon eine tägliche Einnahme von 1000 mg Kalzium für eine ausreichende Mineralisation des Knochens. Dieser Bedarf lässt sich durch eine kalziumreiche Ernährung (Käse, Milch, Joghurt, Quark) und Mineralwasser decken. Die zusätzliche Einnahme von Kalziumtabletten ist überflüssig. Eine erhöhte Kalziumzufuhr geht mit einem gesteigerten Risiko für Herzkreislauferkrankungen einher. Besonders gefährdet sind Patienten mit Niereninsuffizienz, bei der Kalzium nicht ausreichend ausgeschieden wird und sich im Körper ansammelt.

In der Leitlinie ist eine Obergrenze für die tägliche Gesamtkalziumzufuhr von 1500 mg angegeben. Zudem wird eine ausreichende Zufuhr von Vitamin B12 und Folsäure mit der Nahrung empfohlen. Vitamin B12 kommt nur in tierischen Lebensmitteln wie Leber, Muskelfleisch, Fisch, Eiern, Käse und Milch vor. Pflanzliche Nahrungsmittel sind nahezu frei von Vitamin B12. Folsäure kommt sowohl in pflanzlichen als auch in tierischen Nahrungsmitteln vor, wird jedoch aus tierischen Nahrungsmitteln besser resorbiert als aus pflanzlichen (Tabelle 2).

Keine Estrogene zur Osteoporose-Prophylaxe

Keine medikamentöse Therapie darf ohne eine Laboruntersuchung erfolgen. So ist die Überprüfung der Nierenfunktion unbedingt notwendig, insbesondere die Messung der Kreatinin-Clearance.

Für zahlreiche Medikamente gibt es Studien, die nachweisen, dass die Arzneimittel das Knochenbruch-Risiko bei Frauen in der Postmenopause senken. Hierzu zählen die Bisphosphonate. Diese Arzneistoffe habe die Rate an Wirbelkörperfrakturen über drei Jahre deutlich gemindert. Estrogene sollen aufgrund ihrer Nebenwirkungen - beispielsweise erhöhtes Risiko für Brustkrebs oder Thrombose - im Allgemeinen nicht zur Vorbeugung gegen Knochenbruch eingenommen werden. Nimmt eine Patientin Estrogene aber aufgrund einer anderen Indikation und nach den Wechseljahren ein, sind Estrogene gegen Osteoporose wirksam.

Weniger medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten für Männer
Die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten sind für Männer mit Osteoporose deutlich geringer. Hier sind nur die Bisphosphonate Alendronat, Risedronat, Zoledronat sowie Teriparatid zugelassen, das wie das Nebenschilddrüsenhormon Parathormon wirkt und den Knochenaufbau fördert. Diese Medikamente können auch bei Glucocorticoid-induzierter Osteoporose gegeben werden.

Bei Einnahme von Medikamenten gegen Osteoporose warnen die Experten erneut vor einer Fehleinschätzung der Veränderungen der Knochendichte. Bei den meisten Medikamenten ist ein Anstieg der Knochendichte weder für den Therapieerfolg erforderlich, noch verbessert er die Prognose. Lediglich ein Abfall der Knochendichte unter der Therapie ist als prognostisch ungünstiger Faktor zu werten.

Beginn und Dauer der Medikation müssen dem individuellen Frakturrisiko angepasst werden. Durch das Wegfallen eines Risikofaktors vermindert sich das Frakturrisiko. Als Risikofaktor gilt unter anderem eine Kortisontherapie.

Im Alter erhöht sich das Frakturrisiko
Es gibt Möglichkeiten dem Frakturrisiko entgegenzuwirken, was durch Muskeltraining und gute Ernährung geschehen kann. Diese Maßnahmen wirken rasch und haben auch im hohen Alter einen günstigen Einfluss auf die Knochen. Die Wirkung ist aber auf die Dauer der Anwendung begrenzt: Man kann eine Osteoporose im Alter nicht dadurch verhindern, dass man in jüngeren Jahren sportlich ist und sich gesund ernährt.

Leitlinie im Internet

Eine vierseitige Kurz- und eine 50-seitige Langfassung der DVO-Leitlinie Osteoporose 2009 mit Erläuterungen sowie eine Patientenversion sind im Internet unter www.dv-osteologie.org/dvo_leitlinien/dvo-leitlinie-2009 zu finden.

Die Patientenversion wurde in Zusammenarbeit mit der Osteologie Akademie (OSTAK) und dem Bundesselbsthilfeverband für Osteoporose (BFO) erstellt. In klar verständlicher Sprache erfährt der Patient, wie Osteoporose entsteht, wie er das Risiko für einen Knochenbruch einschätzen kann, ob er eine Osteoporose-Abklärung durchführen soll und wie die Krankheit und die mit ihr verbundenen Schmerzen behandelt werden.

Anmerkung:
(1) Am 15. Oktober 2009 wurde die überarbeitete Leitlinie zur Osteoporose von den 15 Fachgesellschaften des Dachverbandes Osteologie e.V. (DVO) verabschiedet. Vorausgegangen war eine systematische Bewertung der Literatur durch eine 25-köpfige Arbeitsgruppe.

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