Ein Akutschmerzdienst hat den Vorteil, dass ein interdisziplinäres Team rund um die Uhr als kompetente Ansprechpartner für Schmerzpatienten zur Verfügung steht. Der Aufbau ist nicht leicht – lohnt in der Regel aber die Mühe. Ein Erfahrungsbericht aus der Uniklinik Göttingen.
Nach Operationen leidet die überwiegende Mehrheit der Patienten unter Schmerzen. Diese werden häufig nicht effektiv behandelt, obwohl mittlerweile genügend Verfahren zur Schmerztherapie existieren. Die Folgen: Der Heilungsprozess verzögert sich, Patienten liegen länger „flach“, Komplikationen wie Pneumonien können auftreten. Zudem führen nicht behandelte akute Schmerzen häufig zu chronischen Schmerzen. Ist der Schmerz einmal chronisch geworden, durchleiden die Betroffenen häufig jahrelange Leidensgeschichten.
Interdisziplinäre Kooperation notwendig
Das schmerzarme Krankenhaus ist aber durchaus möglich. Das zeigen aktuelle Studien und Projekte. Eine effektive Schmerztherapie scheitert aber häufig an mangelnden Absprachen, mangelnder Interdisziplinarität und mangelnden Fachkenntnissen bei Ärzten und Pflegekräften.
Eine angemessene Betreuung von Patienten mit starken oder schwer behandelbaren Schmerzen kann durch die Etablierung eines Akutschmerzdienstes (ASD) sichergestellt werden. Dies gilt sowohl für operative als auch konservativ therapierende Abteilungen. Die Hauptaufgaben eines ASD liegen in der Betreuung und Versorgung von rückenmarksnahen und peripheren Katheterverfahren, die bei großen operativen Eingriffen häufig Anwendung finden. Auch ist der ASD Ansprechpartner von Patienten mit Schmerzen, die im Rahmen der stationären Behandlung nicht ausreichend in den Griff zu bekommen sind. Durch den ASD wird eine bestimmte Anzahl von Patienten im Haus betreut – diese werden mindestens einmal täglich visitiert, bei Bedarf häufiger.
In der Interdisziplinarität zwischen Ärzten und Pflegenden liegt der Schlüssel für eine erfolgreiche und effektive Schmerztherapie in Krankenhäusern. Das ist inzwischen Konsens. ASD sollten konsequenterweise interdisziplinär aufgestellt sein – unter ausdrücklicher Beteiligung von Pflegekräften. Denn Pflegende haben in der Regel den engsten Kontakt zum Patienten. Ihnen kommt im interdisziplinären Team demnach eine Schlüsselrolle zu.
Damit Pflegende für ihre Tätigkeit im Schmerzdienst angemessen vorbereitet sind, hat der Arbeitskreis Krankenpflege und medizinische Assistenzberufe der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS) eine Weiterbildung zur Algesiologischen Fachassistenz entwickelt.
Das schmerztherapeutische Curriculum dieser Fort- und Weiterbildung für Pflegekräfte ist in einen Basis- und einen Aufbaukurs mit insgesamt 40,5 Unterrichtseinheiten gegliedert. Das Basiscurriculum kann auch für die Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege verwendet werden. Die Erfahrung zeigt, dass Pflegende in ihrer Ausbildung in der Regel nicht ausreichend auf die Betreuung von Schmerzpatienten vorbereitet werden.
Das gesamte Curriculum wird als Weiterbildungsstandard zur zertifizierten Algesiologischen Fachassistenz der DGSS eingesetzt. Die Weiterbildung ist berufsbegleitend möglich und wird von verschiedenen Bildungsträgern und Akademien des Gesundheitswesens angeboten.
Die Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS) wurde 1975 während des 1st World Congress of Pain in Florenz/Italien als deutsche Sektion der International Association for the Study of Pain (IASP) gegründet.
Die Gesellschaft hat derzeit etwa 3100 Mitglieder und ist als gemeinnütziger Verein anerkannt.
Ihre Hauptziele sind die Förderung der Schmerzforschung und die Verbesserung der schmerztherapeutischen Versorgung in Deutschland.
Konkrete Arbeitsgebiete sind unter anderem die Etablierung der Algesiologie (Schmerzheilkunde) als interdisziplinäres Gebiet der Medizin, die Etablierung von Fort- und Weiterbildungen für Angehörige sämtlicher Gesundheitsberufe und der Aufbau einer flächendeckenden und wohnortnahen Versorgung von Schmerzpatienten.
Entsprechend weitergebildete Pflegekräfte sind Spezialisten für die Betreuung von Patienten mit Schmerzen, die besondere Aufgaben wahrnehmen. Dazu zählen unter anderem organisatorische Aufgaben wie Terminplanung, Abrechnung oder Koordination der medizinisch-therapeutischen Behandlungsabläufe.
Im Vordergrund steht aber die individuelle Betreuung und Begleitung der Schmerzpatienten und die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den an Therapie und Behandlung des Patienten beteiligten Berufsgruppen. Ziel ist die bestmögliche Versorgung der Patienten und ihres sozialen Umfeldes.
Entsprechend weitergebildete Pflegekräfte sind Spezialisten für die Betreuung von Patienten mit Schmerzen, die besondere Aufgaben wahrnehmen. Dazu zählen unter anderem organisatorische Aufgaben wie Terminplanung, Abrechnung oder Koordination der medizinisch-therapeutischen Behandlungsabläufe.
Im Vordergrund steht aber die individuelle Betreuung und Begleitung der Schmerzpatienten und die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den an Therapie und Behandlung des Patienten beteiligten Berufsgruppen. Ziel ist die bestmögliche Versorgung der Patienten und ihres sozialen Umfeldes.
„Absolutes Neuland“
Ralph Windwehe und Raimond Hoche, Fachkrankenpfleger für Anästhesie- und Intensivpflege, absolvierten die DGSS-Weiterbildung im Jahr 2007. Als frischgebackene Algesiologische Fachassistenten wurden sie als pflegerische Mitarbeiter in den Aufbau des neu gegründeten Postoperativen Akutschmerzdienst am Zentrum Anaesthesiologie, Rettungs- und Intensivmedizin der Universitätsmedizin Göttingen (ZARI) miteinbezogen.
„Wir betraten absolutes Neuland“, erinnert sich Ralph Windwehe. Denn: Zum Zeitpunkt der Gründung habe es noch keine festgelegten Tätigkeitsbeschreibungen für die Mitarbeiter des interdisziplinären Teams gegeben. „Aber wir waren hoch motiviert und hatten eine Menge Ideen, wie ein durch die Pflege mitorganisierter und -betreuter Schmerzdienst aussehen kann.“
In Zusammenarbeit mit dem ärztlichen Direktor und dem ärztlichen Leiter des ZARI wurde sodann eine Tätigkeitsbeschreibung für das Aufgabengebiet der Algesiolgischen Fachassistenten entwickelt. Diese wurde anschließend von der Rechtsabteilung der Universitätsmedizin Göttingen juristisch überprüft.
Die erarbeitete Tätigkeitsbeschreibung der Algesiologischen Fachassistenten am ZARI ist unterteilt in selbstständig durchführbare Tätigkeiten sowie Tätigkeiten, die nach ärztlicher Rücksprache durchgeführt werden (Abb. 1).
Anfängliche Schwierigkeiten
Aller Anfang ist bekanntlich schwer. So mussten auch in der Uniklinik Göttingen die Mitarbeiter vom Nutzen eines ASD erst überzeugt werden. Krankenpfleger Raimond Hoche erinnert sich: „Zu Beginn mussten wir auf den Stationen erhebliche Überzeugungsarbeit leisten.“ Der ASD sei von den Mitarbeitern auf den Stationen unterschiedlich aufgenommen worden: „Viele haben anfangs große Bedenken gehabt, da sie Mehrarbeit aufgrund der zusätzlichen Schmerzdokumentation und der Umstellung auf neue Medikamentenpumpen befürchteten – andere wiederum haben unser standardisiertes Schmerzkonzept von Anfang an befürwortet“, berichtet Ralph Windwehe. „Durch viel Präsenz auf den Stationen, viel Kommunikation und gute Erreichbarkeit haben wir das Konzept des ASD und somit seine Vorteile sehr schnell publik machen können.“
Zudem sei es gelungen, die Mitarbeiter für das Thema Schmerztherapie zu sensibilisieren und ein grundsätzliches Interesse für die Arbeit des ASD zu wecken. „Für Fragen und Probleme der Mitarbeiter standen und stehen wir immer gerne zur Verfügung – das hat die Akzeptanz des ASD erheblich gesteigert“, betont Raimond Hoche. Zudem seien sie von der pflegerischen und ärztlichen Leitung im Haus sehr unterstützt worden. „Auch das war für uns ein Ansporn, uns dieser Herausforderung zu stellen“, so Windwehe.
Der ASD der Universitätsmedizin Göttingen besteht aktuell aus drei Ärzten (bei zweimonatlicher Rotation) und drei Algesiologischen Fachassistenten. Es gibt keine eigene Pflegestelle für den ASD. Aus diesem Grund wurde der ASD in den Tagesablauf der Anästhesieabteilung integriert.
Der Schmerzdienst kann täglich von sieben bis 16 Uhr erreicht werden. Ab 16 Uhr ist der diensthabende Anästhesist über einen Pieper für schmerztherapeutische Belange zuständig. Am Wochenende ist der Schmerzdienst durch einen Anästhesisten und eine geschulten Pflegekraft besetzt.
Zu den pflegerischen Routinetätigkeiten im postoperativen Schmerzdienst gehören folgende Tätigkeiten:
Vorbereitung der Patientenvisite
Durchführung einer täglichen Visite (zusammen mit einem ärztlichen Kollegen)
Verbandswechsel der Punktionsstellen von den Schmerzkathetern (am 1. postoperativen Tag)
Lagekontrolle des Katheters und Beurteilung der Einstichstelle
Erfassen und Dokumentation des Ruhe- und Belastungsschmerzes (mit Hilfe der NRS-Skala)
Auslesen der laufenden Medikamentenpumpen
Dokumentation bei beendeten Patientenvisiten
Schulung und Einweisung von Kollegen in die Medikamentenpumpen
„Im Schnitt versorgen wir täglich rund 25 Patienten im postoperativen Schmerzdienst. Dies sind überwiegend Patienten mit Regionalanästhesieverfahren wie Periduralkatheter und periphere Nervenkatheter sowie PCA-Pumpen“, berichtet Fachpfleger Raimond Hoche.
Ein aktuelles Anliegen der Mitarbeiter des ASD ist es, eine Medikamentenpumpe für alle schmerztherapeutischen Verfahren im Haus zu etablieren. „Die Umstellung auf nur eine Pumpe würde die Arbeit für die Kollegen auf den Stationen erheblich vereinfachen“, so Ralph Windwehe. „Wir könnten die aufwendigen und umfangreichen Geräteeinweisungen auf eine Pumpe reduzieren.“
Im Rückblick berichten Hoche und Windwehe von einem langen und manchmal zähen Weg, den ASD in der Universitätsmedizin Göttingen aufzubauen. „Man darf sich nicht entmutigen lassen – Rückschritte sind ganz normal“, betont Ralph Windwehe. Raimond Hoche pflichtet ihm bei: „Wir haben für unsere Patienten die schmerztherapeutische Versorgung in erheblichem Maße verbessern können – dafür haben sich die Mühen in jedem Fall gelohnt“. Wichtig war, dass die Vorgesetzten – pflegerisch und ärztlich – von Anfang an fest hinter den Mitarbeitern des ASD gestanden haben, da sind sich die beiden Fachkrankenpfleger einig. „Patientenzufriedenheit ist heute mehr als ein Schlagwort“, so Windwehe. „Die Einrichtung eines Schmerzdienstes zur Verbesserung und Erweiterung der postoperativen Patientenversorgung ist gemeinsam durchaus zu schaffen.“
Das nächste Vorhaben des ASD an der Universitätsmedizin Göttingen ist die Zertifizierung. Dafür laufen die Vorbereitungen bereits auf Hochtouren.