Wie sieht die Stellensituation von Operations- und Anästhesie-Pflegekräften aus? Der „OP-Personalreport Pflege" gibt nun Aufschluss: Hier wurde das Personal von mehr als 150 Krankenhäusern mit OP-Abteilungen befragt. Wir haben mit dem Initiator der Studie, Prof. Thomas Busse, gesprochen.
Prof. Busse, der Personalmangel in der OP- und Anästhesiepflege wird immer wieder beklagt. Bestätigt der „OP-Personalreport Pflege" die prekäre Stellensituation?
Aus meiner Sicht leider ja. Nach unserer Erhebung haben 45,9 Prozent der befragten Krankenhäuser angegeben, inzwischen enorme Probleme mit der Besetzung freier Stellen in der OP-Pflege zu haben, in der Anästhesiepflege waren es immerhin noch 22,9 Prozent. Dies führt dazu, dass in der OP-Pflege nur 37,8 Prozent der OP-Bereiche alle Stellen besetzt haben, in der Anästhesiepflege sind es 42,9 Prozent. Das Kernproblem aber ist, dass die vorgefundene Stellenproblematik inzwischen dazu führt, dass 29,6 Prozent der befragten OP-Bereiche aus diesem Grunde sporadisch OP-Säle schließen müssen, 24,4 Prozent weniger Operationen durchführen können und 60,7 Prozent diese Situation mit Überstunden kompensieren, was erfahrungsgemäß früher oder später zu erhöhten Krankheitsquoten führt.
Sind alle Kliniken und Regionen gleichermaßen betroffen?
Die meisten Probleme mit der Stellenbesetzung in der OP-Pflege scheinen mit 50,0 Prozent Krankenhäuser mit OP-Einheiten zwischen 7 und 9 OP-Sälen zu haben, während kleine OP-Einheiten (1 bis 3 OP-Säle) hiervon mit 41,9 Prozent etwas weniger betroffen sind. In der Anästhesiepflege haben die wenigsten Probleme OP-Einheiten mit 4 bis 6 OP-Sälen (10,3 Prozent). Von OP-Saal-Schließungen scheinen beispielsweise am meisten OP-Bereiche in Baden-Württemberg betroffen zu sein (52,2 Prozent), während Bayern mit 12,9 Prozent die niedrigste Quote aufweist.
Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für den Personalmangel?
Die Gründe sind natürlich vielfältig. Zum einen spielt der OP-Bereich in der klassischen Pflegeausbildung inzwischen leider eine sehr untergeordnete Rolle. Zum anderen aber klagen die aktuell tätigen Pflegekräfte in diesen Bereichen über mangelnde Wertschätzung ihrer Arbeit in den Krankenhausführungen und über die doch weiterhin sehr starren Hierarchien im ärztlichen Dienst. In keinem anderen Leistungsbereich eines Krankenhauses arbeiten auf engsten Raum so viele fachlich hoch qualifizierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in hoch komplexen Strukturen und mit ständig neuen Anforderungen zusammen wie im OP-Bereich - und dies geht dauerhaft nur in gut funktionierenden Teamstrukturen!
Auch scheint es so zu sein, dass - übrigens wie ebenfalls im ärztlichen Dienst - der Wunsch nach einem planbaren Leben auch außerhalb des Arbeitsplatzes stark angestiegen ist. Dieser Wunsch wird beispielsweise durch nicht verlässliche Arbeitszeiten nicht gerade unterstützt.
Welche Folgen sind zu erwarten, wenn diese Situation weiter anhält?
Schon heute beobachten wir, dass vorhandene OP-Saalkapazitäten nicht mehr optimal genutzt werden können, da die Qualifikation der OP-Pflege abnimmt. Gründe hierfür sind sicherlich in ständig steigenden Spezialisierungsgraden von Operationsmethoden und -techniken zu sehen, wobei das wenige, verbliebene OP-Pflegepersonal immer weniger Möglichkeiten erhält, sich dementsprechend weiterzubilden. Dies führt nicht nur zu Frustrationen, sondern auch zu suboptimalen OP-Abläufen, die sich aus meiner Sicht noch verstärken werden.
Wenn wir nicht schleunigst Maßnahmen ergreifen, werden Krankenhäuser aus meiner Sicht - gerade aufgrund einer nicht mehr effizienten Nutzungsmöglichkeit von OP-Sälen - verstärkt von Budgeteinbußen betroffen sein. Auch laufen die Krankenhäuser natürlich Gefahr, in hohem Maße Qualitätseinbußen hinnehmen zu müssen, was gerade im OP-Bereich fatale Folgen haben kann.
Was muss getan werden, um mehr OP-Pflegepersonal zu gewinnen?
Die erste Voraussetzung, mehr OP-Pflegepersonal zu gewinnen, ist natürlich, dass die derzeit in den OP-Bereichen tätigen Pflegekräfte ihren Beruf nach außen positiv vertreten. Unser letztes OP-Barometer 2009 hat ergeben, dass nur zirka 43 Prozent der Befragten den Beruf der OP-Pflege nochmals so wählen würden. Daraus lässt sich schließen, dass mehr als 55 Prozent eher kein positives Statement in der Außendarstellung gegenüber Familie und Freunden abgeben werden.
Das OP-Barometer hat aber auch nachdrücklich gezeigt, dass es gerade Themen der Personalentwicklung sind - wie Weiterbildung, mehr Einfluss auf die Gestaltung von Prozessen oder die bereits genannte höhere Wertschätzung -, die unzureichend umgesetzt werden und den Beruf unattraktiv machen.
Eine weitere wichtige Maßnahme wäre es auch, den Beruf aus seinem Schattendasein im Krankenhaus herauszuführen und ihn in der Öffentlichkeit positiv zu positionieren. Ich würde einmal behaupten, dass eine sehr große Mehrheit an befragten Passanten auf der Straße nicht weiß, welche Verantwortung Funktionskräfte im OP-Bereich tragen, geschweige denn, dass es diesen Beruf überhaupt gibt.
Als letztes sollten wir sicherlich die vorhandenen Ausbildungskonzepte neu überdenken, analog der OTAs, um attraktive, zeitgemäße Angebote an potenzielle Auszubildende machen zu können. Hierzu zählt für mich auch die prinzipielle Fragestellung, ob die politische und organisatorische Zuordnung der Funktionspflege im OP zu der großen Gruppe der Pflegeberufe überhaupt noch zeitgemäß ist.
Vielen Dank für das Gespräch, Prof. Busse
Die Fragen stellte Brigitte Teigeler.