• Praxis
Beatmung und Weaning

Pflegende übernehmen vielfach die Steuerung

Wer entscheidet, ob ein Patient extubiert wird? Wer legt die Beatmungs- und Weaningmethode fest? Und wer passt die Sedation während der Beatmung und des Weanings an? Eine internationale Studie hat genau diese Fragen untersucht. Wir stellen die Ergebnisse der deutschen Befragung vor.

Die Versorgung von Patienten auf Intensivstationen nimmt kontinuierlich zu. Im Jahr 2009 gab es den Angaben der amtlichen Krankenhausstatistik zufolge bereits 24500 aufgestellte Intensivbetten in Deutschland. Das sind 7,5 Prozent mehr als zehn Jahre zuvor (1999). Die Auslastung der vorhandenen Betten steigt dabei und lag 2009 bei 81,5 Prozent. Insgesamt wurden 2009 mehr als sieben Millionen Pflegetage bei über zwei Millionen behandelten Patienten geleistet.

Intensivpflege: Viele Daten fehlen
Die Krankenhausstatistik weist insgesamt 1283 Krankenhäuser mit Intensivbetten aus (Krankenhäuser in Deutschland: 2048, Statistisches Bundesamt). Dennoch ist die genaue Anzahl der Intensivstationen unbekannt beziehungsweise liegen verschiedene Angaben unterschiedlicher Quellen vor. Dies liegt unter anderem daran, dass in der Krankenhausstatistik zu den Intensivbetten auch Schwerkrankenbetten mit Überwachungseinrichtungen gezählt werden (Statistisches Bundesamt 2011). Eine merkmalsbezogene Definition, zum Beispiel über Art und Anzahl an Beatmungsplätzen/Hämofiltrationsplätzen, und Abgrenzung zu Intermediate Care-Einheiten erfolgt hier nicht.

Es bestehen weitere Lücken in den amtlichen Statistiken, die ergänzende Erhebungen notwendig machen. Während zum Beispiel für den ärztlichen Bereich erhoben wird, wie viele Personen in einzelnen Fachbereichen arbeiten, wird dies für die Intensivpflege nicht gesondert ermittelt. Somit bleibt unbekannt, wie viele Fachpflegende oder Pflegende insgesamt auf den Intensivstationen in Deutschland tätig sind. Aus den amtlichen Statistiken ist jedoch ableitbar, dass in Krankenhäusern zirka 30000 Pflegende in der Intensivpflege und der Anästhesie gemeinsam in Deutschland tätig sind. Studien weisen darauf hin, dass die Arbeitsbelastung in der Intensivpflege steigt und kein adäquater Personalaufbau statt­findet oder aufgrund des Fachkräftemangels nicht stattfinden kann. Dies hat mittlerweile auch Auswirkungen auf die Patientensicherheit (Isfort et al. 2010).

Die Intensivstationen stellen eine Schnittstelle und zugleich ein Nadelöhr der medizinisch-pflegerischen Versorgung dar. Nur auf der Basis einer gesicherten Nachsorge können kritisch kranke Patienten hinreichend betreut und größere Operationen durchgeführt werden. Aktuelle Erhebungen zeigen aber, dass die Suche nach Intensivpflegenden für die Kliniken zunehmend zum Problem wird (Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen). Eine bundesweite Einschätzung zur Personalsituation und zur Personalbelastung existiert bislang nicht. Insgesamt besteht daher erheblicher Forschungsbedarf, um Unterschiede der Ausstattungen, der Aufgaben und der Personalquoten in der Intensivpflege genauer zu erfassen. Die vorliegenden deskriptiven Ergebnisse stellen einen Schritt in diese Richtung dar.
 

 

Internationale Studie zum Weaning von Patienten auf Intensivstationen
Die folgenden Ergebnisse stellen eine Teilauswertung einer international vergleichenden Studie zu den Beiträgen Pflegender im Rahmen der Entwöhnung eines Patienten vom Beatmungsgerät dar. Die Studie wurde federführend von der Bloomberg University in Toronto geleitet. Die Übersetzung des Erhebungsinstruments und die deutschsprachige Koordination erfolgten durch das Institut für Pflegewissenschaft der Universität Basel. Die vorliegenden Ergebnisse beziehen sich auf die Auswertung von insgesamt 460 Pflegenden auf Intensivstationen, die im Rahmen einer nicht repräsentativen Online-Befragung in Deutschland gewonnen wurden. Ausgenommen von der Auswertung sind die Angaben von 200 Pflegenden in leitender Funktion, die im Rahmen der Gesamtstudie analysiert wurden.

Stichprobe
Insgesamt konnten von über 950 Teilnehmenden aus Deutschland 693 Beteiligte in die Auswertung einbezogen werden. Davon entfielen 460 Antwortende auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Pflegedienst der Intensivstationen, 206 leitende Pflegende antworteten (177 Stationsleitungen, 23 Abteilungsleitungen, 6 Pflegedienstleitungen). Bei den restlichen erfolgte keine Angabe zur Funktion. Für die vorliegende Auswertung wurden ausschließlich die kodierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Pflegedienstes einbezogen (N = 460). Die Leitungen wurden in der vergleichenden internationalen Studie mit ausgewertet. Eine entsprechende Veröffentlichung ist derzeit in Arbeit. Da keine Anschrift oder Nennung der Krankenhäuser erfragt wurde (anonymisierte Befragung), ist davon auszugehen, dass aus einzelnen Stationen mehrere Pflegende antworteten. Die Zahl der Antwortenden steht somit nicht für die Zahl der Angaben aus unterschiedlichen Intensivstationen. Eine genaue Anzahl der teilnehmenden Intensivstationen kann nicht benannt werden.
Die Ergebnisse sind vor dem Hintergrund dieser Einschränkung als rein be­schreibende Daten aus der Perspektive klinisch arbeitender Pflegender zu bewerten. Insgesamt 408 Befragte des Gesamtdatensatzes (einschließlich Leitungen) gaben ihre E-Mail-Adresse an und erklärten sich bereit, an weiteren Befragungen zur Situation in der Intensivpflege teilzunehmen. Dies sind über 50 Prozent der Befragten, was als Zeichen für eine hohe Glaubwürdigkeit der Daten gewertet werden kann.

 


Studie untersucht Beatmungs- und Weaningverantwortung
Die Studie wurde unter Federführung der Bloomberg University in Toronto, Kanada, durchgeführt. Hier wurde ein sechsseitiger Fragebogen eingesetzt, der bereits einmal in Australien und Neuseeland verwendet wurde (Rose et al. 2008). Neben allgemeinen Angaben umfasste der Fragebogen vor allem die Themen: Verantwortlichkeiten bei Beatmungs- und Weaningdurchführung, Autonomiegrade der Entscheidungen, Personalausstattung und Fortbildung.
Für die Befragung in der BRD wurde die deutsche Version des Studienfragebogens verwendet. Dieser wurde durch das Institut für Pflegewissenschaft der Universität Basel, Schweiz, übersetzt und auch in der deutschsprachigen Schweiz eingesetzt. Die Befragung in der BRD wurde vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (dip) organisiert und durchgeführt. Die Studienfinanzierung für den deutschen Teil erfolgte dabei ausschließlich aus Eigenmitteln des Instituts.

Der übersetzte Fragenkatalog wurde vom dip in eine Online-Maske überführt. Anders als zum Beispiel in der Schweiz wurden die Fragebögen nicht an die Leitungskräfte der Intensivstationen gesendet, und es erfolgte keine Verteilung als Paper-Pencil-Version. Pflegende und Leitende sollten gleichermaßen befragt werden. Die Daten selbst wurden zwischen Juli und September 2010 erhoben. Um ein Interesse an der Studie zu wecken und eine entsprechende Stichprobengröße zu erzielen, wurde flankierend eine Pressemitteilung veröffentlicht und über Foren und Printmedien sowie auf Veranstaltungen auf die Studie hingewiesen. Darüber hinaus erfolgte eine E-Mail-Mitteilung an Pflegende, die vorher an Untersuchungen des dip teilgenommen und Interesse an weiteren Befragungen bekundet hatten. Es handelt sich bei den vorliegenden Daten um Auswertungen einer nicht repräsentativen Gelegenheitsstichprobe.

Aus Universitätskliniken antworteten in der ausgewählten Stichprobe (N = 460) insgesamt 163 Pflegende. 287 ordneten ihre Intensivstation (IST) den allgemeinen Krankenhäusern zu. Sechs Pflegende kamen aus einem Kinderkrankenhaus. 19,3 Prozent (89) arbeiten auf einer rein chirurgischen ITS, 21,3 Prozent (98) auf einer rein internistisch geführten ITS. Weitere 20,7 Prozent (95) nannten als Arbeitsgebiet eine interdisziplinäre ITS. Der Mittelwert der Bettenzahl auf der Intensivstation betrug 14,99 (Standardabweichung 10,98). Der häufigste genannte Wert betrug 12.

Zentrale Ergebnisse der Befragung
Beatmungssteuerung
Ein erster Fragenkomplex beschäftigte sich mit grundsätzlichen Verantwortlichkeiten hinsichtlich zentraler Aspekte der Beatmungssteuerung. Hier zeigt sich, dass von der Mehrzahl der Befragten dargelegt wird, dass die komplexe Steuerung der Beatmungstherapie eine kooperative Aufgabe von Ärzten und Pflegenden ist. Bereits die Ersteinstellung der Beatmung wird bei zwei von drei der Befragten gemeinschaftlich festgelegt. Nur 30 Prozent der Befragten äußern, dass dies in ihrem Arbeitsfeld die alleinige Aufgabe der Ärzte ist. Befragt nach den Qualifikationen der Ärzte und der Pflegenden, die eine Ersteinstellung vornehmen, zeigt sich, dass diese überwiegend von Assistenzärzten (80,2 %) und von erfahrenen Pflegekräften (55,9 %) vorgenommen wird. Eine entsprechende weitere Spezialisierung (Oberarzt/Intensivmediziner) wird hier nur in geringem Maße beschrieben.

Der Verlauf der Beatmung wird in der Folge in noch höherem Maße gemeinschaftlich klinisch beurteilt und die Beatmung entsprechend angepasst. Vier von fünf Befragten äußern hier, dass dies kooperativ von beiden Berufsgruppen vorgenommen wird. Dies kann vor dem Hintergrund erklärt werden, dass die Pflegenden eine engere Beobachtung der Patienten durchführen und hier einen genaueren Überblick über die Patientenreaktionen haben. Auch der Zeitpunkt der Extubation wird bei drei von vier der Befragten als gemeinschaftlicher Abstimmungs- und Entscheidungsprozess beschrieben.

Weaning
Die für Fragen der Beatmung beschriebene kooperative Steuerung durch Ärzte und Pflegende setzt sich auch beim Prozess des Weanings weiter fort. Auch hier sind es zwei von drei der Befragten, die die Auswahl der Weaningmethode gemeinschaftlich abstimmen. Die Einschätzung, wann ein Patient für einen Weaningversuch bereit erscheint, ist analog zur Bewertung der Auswirkungen der Beatmung ebenfalls in hohem Maße eine gemeinschaftliche Entscheidung. Hier sind es mehr als vier von fünf der Befragten, die dies nicht einer einzelnen Berufsgruppe zuordnen. Das Weaning selbst bedarf einer dezidierten Beobachtung und Beaufsichtigung der Patienten und seiner Reaktionen auf die zunehmende Eigenleistung bei der Atmung. So ist nicht verwunderlich, dass die Frage, ob ein Weaningversuch abgebrochen werden muss, von 15,4 Prozent der Befragten als alleinige Entscheidung der Pflegenden ausgewiesen wird. Dies stellt bei den sechs formulierten Punkten den höchsten Wert dar, der nach einer Kooperation dem Aufgabenbereich der Pflege zugewiesen wird.

Insgesamt zeigt sich bei den Fragen nach der Verantwortung und der Übernahme der Entscheidungen, dass alle Aspekte des Weanings und der Beatmungssteuerung in der Mehrzahl als gemeinschaftlicher Prozess beschrieben werden, auch wenn es im Detail kleinere Ausprägungsunterschiede gibt. Bei der Ersteinstellung, der Auswahl der Weaningmethode und der Entscheidung zur Extubation werden höhere Entscheidungsanteile bei den Ärzten genannt, bei der Entscheidung, ein Weaning abbrechen zu müssen, stehen die Einschätzungen der Pflegenden stärker im Vordergrund.

Anpassung der Sedation
Auch die mit einer Beatmung verbundene Sedation wird von den befragten Pflegenden überwiegend in Zusammenarbeit mit den Ärzten gesteuert und verantwortet.

Autonomie und Beeinflussung von Beatmungsentscheidungen
Die Pflegenden wurden gebeten, auf einer Skala von eins (nie) bis zehn (immer) einzuschätzen, wie oft Beatmungsentscheidungen durch Pflegende beeinflusst werden. Hier ergab sich im Durchschnitt ein Wert von 8,47. Am häufigsten erfolgte eine Einschätzung beim Wert 9. Dies korrespondiert mit den oben beschriebenen Ergebnissen und zeigt die hohe Verantwortung und die zentrale klinische Rolle, die Pflegende bei der Steuerung der Beatmungstherapie einnehmen.

Ebenso wurden die Pflegenden befragt, wie groß sie insgesamt den Grad der Autonomie hinsichtlich der Beatmungspraktiken einschätzen. Hier zeigte sich tendenziell eine etwas zurückhaltendere Einschätzung. Zwar wurde auch hinsichtlich dieser globalen Einschätzung tendenziell eine eher höhere Autonomie beschrieben (Mittelwert 7,27), diese liegt jedoch unterhalb der Einschätzungswerte der Beeinflussung. Auch dies ergibt sich konsistent aus der Betrachtung, dass die Steuerung als gemeinschaftlicher Abstimmungsprozess beschrieben wird und eine vollständige Autonomie seitens der Pflegenden nicht ausgemacht wird.

Anpassung der Beatmung durch Pflegende
Abbildung 5 zeigt die eigenständigen Anpassungen durch Pflegende in ausgewählten Einstellungen bei der Beatmung. Addiert man die Angaben der routinemäßigen Veränderung und die der häufigen (oft), so sieht man, dass Veränderungen der Beatmungseinstellungen häufig von Pflegekräften vorgenommen werden.
Die höchste Ausprägung erfolgt hinsichtlich der Veränderung des FiO2. Es zeigt sich aber, dass auch die Veränderung der Druckunterstützung, die Anpassung der Atemfrequenz, des Atemzugvolumens oder auch die Veränderung des Beatmungsmodus tendenziell routinemäßig oder oft durch Pflegende angepasst wird. Die Ausprägung bei der eigenständigen Veränderung des PEEP (positive end-expiratory pressure) jedoch fällt hier deutlich geringer aus. Hier sind es in der Addition der beiden höchsten Ausprägungsgrade unter 50 Prozent.  

Betreuungsrelation einer Intensivstation
Eine zentrale Frage der Beobachtungsmöglichkeit, der Durchführung der Beatmungstherapie und der Gewährung der Sicherheit von Patienten während eines Weaningversuchs ist die Personalausstattung einer Intensivstation. Eine Möglichkeit, die Personalausstattung zu be­schreiben, ist die Benennung einer Relation von Patienten und Pflegekräften. Auch wenn Relationszahlen keinen Hinweis zum tatsächlichen Leistungs- und Behandlungsaufwand der Patienten geben, so sind sie eine verbreitete Methode, Personalausstattungen zu vergleichen. Im Jahr 2009 wurde durch das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung das Pflege-Thermometer durchgeführt. Hieran nahmen unter anderem auch 1 927 Intensivpflegende teil (Isfort et al. 2010), die im Rahmen einer Subgruppenanalyse gesondert ausgewertet wurden.

In der Studie konnte ermittelt werden, dass jede zweite Intensivpflegekraft (48,2%) drei Patienten pro Schicht verantwortlich betreut. Jede zehnte (11,4%) gab an, sogar vier Intensivpatienten zu versorgen. Jede dritte Intensivpflegekraft (31,5%) benannte dahingegen, nur zwei Patienten verantwortlich zu betreuen (Isfort et al. 2010).
Die Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste e.V. hat in ihrer 2007 veröffentlichten „Berliner Erklärung“ eine Begrenzung der Betreuungsrelation von zwei Patienten pro Pflegekraft bei durchschnittlichem Behandlungsbedarf des Patienten und eine 1:1-Relation bei kritisch kranken beatmeten Patienten eingefordert (Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste e.V. 2007). In der vorliegenden Studie wurden hier konkretere Daten der Betreuungsrelation bei invasiv beatmeten Patienten und nicht invasiv beatmeten Patienten erhoben.
Aus Abbildung 6 geht hervor, dass die durch die DGF geforderte Quote einer 1:1-Betreuung nur bei 7,8 Prozent realisiert ist. Der größte Teil der Intensivpflegenden (63,3%) in dieser Stichprobe betreut zwei beatmete Patienten. Jede fünfte Pflegekraft (22%) gibt an, sogar drei invasiv beatmete Patienten zu versorgen. Die Relationen bei den nicht invasiv beatmeten Patienten erhöhen sich entsprechend.

Für eine vertiefte Diskussion um eine adäquate Personalausstattung von Intensivstationen können Relationen nur grobe Anhaltspunkte liefern. Hier bedarf es exakterer Daten, die in der Lage sind, den Betreuungsaufwand von Patienten besser abzubilden. Nicht nur die Beatmung ist ein Hinweis auf einen hohen Betreuungsaufwand. Patienten, die eine kognitive Funktionsstörung, zum Beispiel eine Demenz, oder aber ein Delir haben, benötigen gegebenenfalls einen höheren Betreuungsaufwand als ein sedierter und beatmeter Patient, bei dem geplante Pflegemaßnahmen durchgeführt werden können.

Um Häufigkeiten von Pflegeleistungen abzubilden und für Patienten die Versorgungsintensität zu beschreiben, liegen erprobte Verfahren vor. Instrumente, wie das Schweizer LEP®, sind in Deutschland jedoch noch nicht routinemäßig im Einsatz. Sie werden nur vereinzelt eingesetzt. Entscheidend für die Pflegenden vor Ort ist darüber hinaus, dass aus den erhobenen Daten Schlussfolgerungen und Konsequenzen gezogen werden und die Personalausstattung entsprechend der Arbeitsintensität ausgerichtet wird.

Einführung in die Beatmung
In der Studie wurden auch Fragen zur Schulung, zum Einsatz von Leitlinien und zur Fortbildungsmöglichkeit bezüglich Beatmung gestellt. Abbildung 7 veranschaulicht, dass in der überwiegenden Mehrzahl die Pflegenden eine Einführung in die Beatmung erhalten (71,1%). In der näheren Beschreibung ergeben sich jedoch große Unterschiede hinsichtlich der Art der Einführung. Einerseits gibt es eine Einführung in den Umgang mit den Geräten nach dem Medizinproduktegesetz. Diese Einführungen werden vielfach durch Ärzte oder aber durch die Hersteller der Geräte durchgeführt. In anderen Fällen beschrieben die Pflegenden, dass sie von erfahrenen Kollegen oder den Gerätebeauftragten eingearbeitet wurden. Auch gibt es große Unterschiede hinsichtlich der zeitlichen Dimensionierungen der Einarbeitungen. Hier schwankten die Angaben von einem Arbeitstag bis zu einer kompletten Fortbildungswoche. Neben den seminaristischen Einarbeitungen wurden auch andere zeitliche Begrenzungen beschrieben. So äußerten Pflegende, dass sie mehrwöchige oder auch mehrmonatige Einarbeitungszeiten haben, in denen sie zunächst keine Beatmungspatienten selbstständig betreuen und langsam an die Arbeit herangeführt werden. Fortbildungen werden sowohl in zentralisierter Form angeboten (halbjährig durch IBF) als auch begleitend durchgeführt (training on the job).
Eine einheitliche Vorgehensweise zeichnet sich auf der Basis der unterschiedlichen Beschreibungen nicht ab und scheint hausspezifisch unterschiedlich geregelt zu sein. Nur jede vierte Pflegekraft in der Stichprobe gibt an, dass es fortlaufende Möglichkeiten gibt, sich mehr Wissen über Beatmungen und Beatmungsformen anzueignen.

Guidelines, Richtlinien, Protokolle
Eine fehlende Vereinheitlichung und Systematisierung bezüglich des Umgangs mit den Themenfeldern Beatmung und Weaning zeigt sich auch hinsichtlich der Bewertungen zur Frage, ob Leitlinien, Guidelines, Protokolle usw. existieren, die klare Regelungen im Umgang mit den Problematiken beinhalten. Dies wird jeweils von einer größeren Anzahl an Antwortenden verneint. Diese Aussagen deuten darauf hin, dass bei den Befragten der Umgang und auch die Durchführung vielfach erfahrungsbezogen durch die Pflegenden und Ärzte koordiniert zu sein scheinen. Dies muss kein Kriterium hinsichtlich der Güte der Behandlung selbst sein. Es zeigt aber, dass vorhandene Standards und Empfehlungen entweder nicht hinreichend bekannt sind oder aber noch keine entsprechende Anwendung finden. Es kann auch sein, dass sie im Rahmen von Einführungen und Schulungen genutzt werden, dies jedoch nicht explizit ausgewiesen wird.

Standards und Leitlinien werden zum Beispiel von Fachgesellschaften herausgegeben und tragen den aktuellen und studienbasierten Wissensstand zu Einzelproblematiken zusammen. Sie können zum Beispiel auf den Internetseiten der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) kostenfrei recherchiert und genutzt werden. In den Leitlinien wird ausgewiesen, welche Wissensbestandteile reine Expertenmeinungen darstellen und welche entsprechend auf der Basis einzelner oder mehrerer klinischer Studien erprobt wurden. Beides kann gleichermaßen für die Arbeit bedeutsam sein.

Hinsichtlich der beschriebenen Themenfelder sind zum Beispiel Kenntnisse der Inhalte der S2-Leitlinie „Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz“ wünschenswert (Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. 2009). Ferner ist auch die S3-Leitlinie „Nichtinvasive Beatmung als Therapie der akuten respiratorischen Insuffizienz“ zu nennen (Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. 2008). Ferner sind wichtige Aspekte der Betreuung und Versorgung in der S2-Leitlinie „Lagerungstherapie zur Prophylaxe oder Therapie von pulmonalen Funktionsstörungen“ beschrieben (Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin [DGAI] 2008). Auch zu dem Themenkomplex der Leitlinien und Standards bedarf es in der Folge näherer Untersuchungen, um Aussagen zum Bekanntheits- und Nutzungsgrad von spezifischen Leitlinien vornehmen zu können.

Schlussfolgerungen und Ausblick
Pflegefachkräfte übernehmen vielfach die Steuerung
In der Gesamtheit der Ergebnisse zeigt sich, dass die befragten Pflegenden in hohem Maße steuernd und entscheidend bei Fragen der Beatmungstherapie mitwirken. Dies geht auch konform mit der S2-Leitlinie zur „Nichtinvasiven und invasiven Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz“. Hier wird ausdrücklich beschrieben, dass eine Einleitung der Beatmung verantwortlich durch einen Arzt erfolgen sollte, er dies jedoch auch an Atmungstherapeuten, Fachpflegekräfte oder andere speziell geschulte medizinische Assistenzberufe delegieren kann.
Die Übernahme der Steuerung und die in der Studie beschriebene hohe Beeinflussung kann somit als ein mit den Leitlinien konformer Umgang gedeutet werden und stellt keine Überschreitung der Kompetenz Pflegender dar. Der hohe Grad an verantwortlicher Mitwirkung durch Pflegende zeigt sich nicht nur in der Einschätzung der kooperativen Steuerung und beim Weaning. Es ergibt sich auch ein konsistentes Bild bei der routinemäßigen oder häufigen (oft) selbstständigen Anpassung der Beatmungsparameter.

Vor dem Hintergrund der in dieser deskriptiven Studie aufgezeigten Ergebnisse mutet die Diskussion um die Formulierung vereinzelter Tätigkeiten und medizinischer Leistungen, wie sie im Rahmen von Delegationen oder Substitutionen geführt werden, befremdlich an. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass die Befragten in ihrem klinischen Alltag bereits in sehr hohem Maße umfassend therapiesteuernde und hochkomplexe Aufgaben übernehmen und bewältigen. Hier scheint die Pflegepraxis auf den Intensivstationen den Diskussionen um Kataloge und Tätigkeitsbeschreibungen weit voraus zu sein. Zu prüfen ist, inwieweit die Pflegekräfte an dieser Stelle durch die Einrichtungen haftungsrechtlich abgesichert sind.

Pflege-Thermometer INTENSIV geplant
Als ein wesentlicher Ausblick kann festgehalten werden, dass die Informationen um die Personalsituation, das Aufgabenspektrum von Pflegenden und die Patientensicherheit auf den Intensivstationen sich weiter verbessern müssen. Dies ist entscheidend, soll eine gezielte und datengestützte Diskussion über benötigte Personalressourcen und Leistungsänderung erfolgen. Aus diesem Grunde wird das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (dip) in diesem Jahr ein Pflege-Thermometer INTENSIV erstellen. Im Laufe der zweiten Jahreshälfte (im Frühherbst) werden Leitungskräfte der Intensivstationen angeschrieben und befragt werden. Ziel soll sein, eine bessere Informationsdichte zur konkreten Situation vor Ort zu bekommen. Alle interessierten Ab­teilungs-, Stations- oder Pflegedienstleitungen werden gebeten, sich an dieser wichtigen Studie zu beteiligen.

Die Pflege-Thermometer-Reihe hat sich in den letzten acht Jahren zu einer der wichtigsten pflegewissenschaftlichen Studien zur Situation im Berufsfeld Pflege in Deutschland entwickelt und wird von Politik, Medien und Verbänden gleichermaßen als zentrale Grundlage für Diskussionen und Entscheidungen herangezogen.

Die kommende Studie selbst wird von der B. Braun-Stiftung gefördert und der Bericht wird wie gewohnt allen Interessierten kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Wenn Sie Themen für die Befragung vorschlagen möchten, Anregungen und wichtige Hinweise zu aktuellen Fragen in der Intensivpflege geben möchten, schreiben Sie ein Mail an das dip (info@dip.de). Nur im Schulterschluss von Pflegepraxis und Pflegewissenschaft lassen sich die zentralen Aufgaben angehen und notwendigen Informationen systematisch zusammentragen.


Literatur:
Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) (Hrsg.) (2008): S2-Leitlinie Lagerungstherapie zur Prophylaxe oder Therapie von pulmonalen Funktionsstörungen. Regensburg
Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste e.V. (Hrsg.) (2007): Erklärung der Deutschen Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste e.V. (DGF) zu Pflegequalität und Patientensicherheit im Intensivpflegebereich. Berliner Erklärung. Berlin, zuletzt geprüft am 06.05.2011
Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin
e.V. (Hrsg.) (2008): S3-Leitlinie Nichtinvasive Beatmung als Therapie der akuten respiratorischen Insuffizienz. Hannover
Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin
e.V. (Hrsg.) (2009): S2-Leitlinie Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz. Hannover
Isfort, M.; Weidner, F. et al. (2010): Intensivpflege unter Druck. In: PflegenIntensiv 7 (3), S. 6–11
Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.): Landesberichterstattung Gesundheitsberufe Nordrhein Westfalen 2010. Düsseldorf, zuletzt geprüft am 06.05.2011
Rose L, Nelson S, Johnston L, Presneill JJ (2008): Workforce profil, organisation structure and role responsibility for ventilation and weaning practices in Australia and New Zealand intensive care units. Journal of Clinical Nursing: 1035–1043
Statistisches Bundesamt: Grunddaten der Krankenhäuser 2009 – Fachserie 12 Reihe 6.1.1. Online verfügbar unter www.destatis.de, zuletzt geprüft am 06.05.2011
Statistisches Bundesamt (2011): Definition: Intensivbetten. Online verfügbar unter www.gbe-bund.de, zuletzt aktualisiert am 06.05.2011, zuletzt geprüft am 06.05.2011

Autoren: Prof. Dr. M. Isfort, Dr. L. Rose, Dr. M. Schubert, R. Brühe

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