Schmerzen, Übelkeit, Atemnot – die Qualen eines Schwerkranken können kaum zu ertragen sein. Auch in der ambulanten Versorgung ist das wichtigste Ziel der palliativen Versorgung, körperliches und seelisches Leid zu lindern und dem Menschen bis zum Tod eine möglichst große Lebenszufriedenheit zu erhalten. Pflegende nehmen bei dem Erreichen dieses Ziels eine Schlüsselrolle ein.
Bei sterbenden Patienten sind meist viele Probleme gleichzeitig zu bewältigen. Während die Grunderkrankung unaufhaltsam fortschreitet, kommt es zu Infektionen und Schäden an verschiedenen Organen. Körperliche Beschwerden zu lindern ist ein wichtiger Bestandteil in der Betreuung Sterbender. Diagnostische oder therapeutische Maßnahmen dürfen den Patienten nicht stärker belasten als die Beschwerden selbst.
WHO-Stufenplan dient als Richtlinie bei Schmerzbekämpfung
Oft gehen schwere Erkrankungen wie beispielsweise Krebs in fortgeschrittenen Stadien mit starken Schmerzen einher. Die Geplagten wünschen sich schließlich nur eines herbei: das Ende ihrer Qual. Schmerzen können in der Regel durch eine konsequente Schmerztherapie ausgeschaltet oder zumindest auf ein erträgliches Maß reduziert werden. Wichtigste Maßnahme ist die Gabe von schmerzstillenden Medikamenten (Analgetika). Bereits im Jahr 1986 veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) einen Stufenplan zur Behandlung von Tumorpatienten. Noch heute dient dieser Plan auch bei anderen Schmerzzuständen häufig als Richtlinie. In der ersten Stufe erhält der Patient nicht-opioide Analgetika, beispielsweise Acetylsalicylsäure oder Ibuprofen. Bei stärkeren Schmerzen kommen schwach wirksame Opioide hinzu. Halten die Schmerzen an, wird die Dosis der schwachen Opioide zunächst bis zu den empfohlenen Grenzwerten gesteigert. Sind die Medikamente noch immer nicht ausreichend wirksam oder kommt es zu intolerablen Nebenwirkungen, wird auf die Stufe 3 des WHO-Stufenplans übergegangen. Hier kommen die stark wirksamen Opioidanalgetika zum Einsatz (1).
Nicht immer einfach: Schwäche bekämpfen
Dem Gefühl von Schwäche, das viele Sterbende verspüren, liegen zumeist mehrere Ursachen zugrunde, beispielsweise Blutarmut, Elektrolytstörungen, eine beginnende Lungenentzündung oder gar ein Nierenversagen. Daher muss die Therapie gleichzeitig an mehreren Punkten ansetzen. Manchmal ist die Ursache aber nicht bekannt oder eine kausale Therapie nicht möglich. Dann können Glucocorticoide nützlich sein. Sie bessern nicht nur das allgemeine Wohlbefinden, sondern steigern meistens auch den Appetit des Sterbenden. Nach Möglichkeit sollten die Pflegenden den Tagesablauf den wechselnden Bedürfnissen des Patienten anpassen.
Auch Physiotherapie und aktivierende Pflege stärken den Betroffenen. Letztlich muss man jedoch akzeptieren, dass ein Schwinden der Kräfte bei Sterbenden auch durch beste Pflege und Behandlung nicht verhindert werden kann (2).
Auch bei schwerer Atemnot Ruhe bewahren
Atemnot (Dyspnoe) ist ein Symptom, das bei schwerkranken Patienten sehr häufig vorkommt. So verspürt etwa die Hälfte aller Patienten bei einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung zeitweise eine Atemnot. Eine schwere Dyspnoe löst oftmals Todesangst und starke Unruhe aus. Das Gefühl der Hilflosigkeit verstärkt die Atemnot. Ein gefährlicher Teufelskreis entsteht. Eine der wichtigsten Aufgaben von Pflegenden ist es, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Schaffen Sie eine möglichst ruhige Atmosphäre und vermitteln Sie dem Patienten ein Gefühl von Sicherheit. Bitten Sie aufgeregte Angehörige aus dem Zimmer. Öffnen Sie das Fenster und lassen Sie frische Luft in das Krankenzimmer hinein. Hilfreich ist auch ein Ventilator. Der Patient sollte mit erhöhtem Oberkörper gelagert werden. Er muss so abgestützt werden, dass er entspannt und bequem sitzt. Eventuell muss der Patient Sauerstoff über eine Sonde oder Maske erhalten. Ein Patient, der unter einer schweren Atemnot leidet, darf nicht alleine gelassen werden.
Wichtig ist, dass der Patient eine adäquate medikamentöse Therapie erhält, die sich nach der Ursache richtet. Oftmals ist sie bekannt – häufig führen eine Lungenentzündung, ein Lungentumor oder eine Linksherzinsuffizienz zu einer Atemnot (3).
Ernährung muss angepasst werden
Im Verlauf der Erkrankung nimmt zumeist die Lust am Essen ab. Der Geschmack verändert sich und die Patienten verspüren oftmals ein Völlegefühl. Zumeist geht der Appetitmangel mit einem erheblichen Gewichtsverlust einher. Ursache für diese Kachexie ist aber in erster Linie die Grunderkrankung. Erlauben Sie dem Patienten, weniger zu essen. Andernfalls verstärkt sich seine Abneigung gegen das Essen und verschlimmert Symptome wie Übelkeit oder Bauchschmerzen. Zugleich müssen Sie dafür sorgen, dass Ihr Patient nicht gänzlich auf das Essen verzichtet. Denn dann ist davon auszugehen, dass sich sein Allgemeinbefinden deutlich verschlechtert.
Oftmals verstärken Angehörige die Problematik. Sie fordern den Patient immer wieder zum Essen auf. Weigert er sich, reagieren die Angehörigen mit Vorwürfen, die sich nicht nur gegen den Patienten, sondern auch gegen Sie als Pflegenden richten. Wichtig ist, die Angehörigen zu überzeugen, dass Druck auf den Erkrankten nur von Nachteil ist.
Manchmal ist es mit einfachen Mitteln möglich, den Appetit zu steigern. Pepsinwein hilft oftmals. Kleine Essensportionen werden in der Regel bevorzugt. Zumeist essen Patienten auch mehr, wenn sie dies in Gesellschaft tun. Finden Sie heraus, was Ihrem Patienten schmeckt. Ermutigen Sie ihn, Lieblingsspeisen über eine längere Zeit zu kauen und zu schmecken. Fragen Sie Ihren Patienten nach individuellen Zeiten und Gewohnheiten und berücksichtigen Sie diese. Versuchen Sie, Ihrem Patienten Zusatznahrung zu geben wie hochkalorische Trinknahrung. Bei schmerzhaftem Mund kann zumeist Reisschleim eingenommen werden (2).
Bei sterbenskranken Patienten können Übelkeit und Erbrechen durch zahlreiche Ursachen bedingt sein. Die Behandlung ist häufig nicht einfach. Übelkeit kann durch die Einnahme von Opioiden bedingt sein. Diese opioidinduzierte Übelkeit kann durch die Gabe von Antiemetika, die den Brechreiz unterdrücken, behoben werden. Erhält der Patient nichtsteroidale Antirheumatika (beispielsweise Acetylsalicylsäure) gegen Schmerzen, sollte er das Medikament zusammen mit den Mahlzeiten einnehmen. Andernfalls kann es zu Magenschmerzen kommen.
Manchmal ist das Erbrechen auch seelisch bedingt oder wird zumindest durch Angstgefühle verstärkt. In diesem Fall sollten Sie sich darum bemühen, dem Patienten einen Teil seiner Angst durch Gespräche und Informationen zu nehmen. Schaffen Sie eine ruhige und entspannte Umgebung. Wirksam sind auch entspannende Massagen, Ablenken durch Musik, Lesen oder Malen. Sorgen Sie für frische Luft. Waschen Sie das Gesicht des Patienten mit kaltem oder warmem Wasser. Bieten Sie ihm eine Wärmeflasche an. Manchmal sind auch Gerüche – beispielsweise Nanminze, Lavendelöl oder Zitronenöl – hilfreich.
Lassen Sie keine Speisen im Zimmer stehen. Zumeist rufen süße, fette, stark riechende und gewürzte Speisen eine starke Abneigung hervor. Die Patienten bevorzugen eher Kartoffeln, Knäckebrot, Toast oder Zwieback und kalte Speisen werden meist besser vertragen als warme. Wichtig ist, dass der Patient genügend Flüssigkeit zu sich nimmt: Bieten Sie ihm schluckweise gekühlte Flüssigkeit an. Oftmals können die Angehörigen helfen (2).
Unerlässlich: gute Mundpflege
Eine intensive Mundpflege lindert das Durstgefühl, falls ein Sterbender nicht mehr trinken kann und verhindert das gefürchtete Austrocknen der Schleimhäute. Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Mundtrockenheit wirksam zu bekämpfen. Der Mund sollte regelmäßig befeuchtet werden. Saure Drops oder saure Tees wie beispielsweise Hagebuttentee regen den Speichelfluss an.
Oft leidet ein Sterbender unter starkem Mundgeruch. Dies kann durch Tumorzerfall im Mundrachenraum, durch Blutungen, Erbrechungen oder Infektionen bedingt sein. Regelmäßige Zahnhygiene ist deshalb sehr wichtig. Spülen Sie den Mund des Patienten regelmäßig mit Mundpflegelösungen aus. Gegen bakterielle Infektionen gibt es Mundspüllösungen, die Antibiotika enthalten. Soor muss medikamentös behandelt werden (2, 3).
Ein lästiges Problem: Verstopfung
Bei Patienten im fortgeschrittenen Stadium einer Erkrankung ist Verstopfung ein häufiges und hartnäckiges Symptom. Der Stuhl ist trocken und hart und die Entleerung verzögert und schmerzhaft. Oft kommen mehrere Ursachen zusammen wie Austrocknung, Schwäche, Bewegungsmangel, Opioidtherapie und seelische Belastung. Wenn möglich, sollte der Patient mobilisiert werden. Vorübergehend verschaffen Klistiere oder Darmeinläufe dem Patienten Erleichterung. Laxanzien beschleunigen den Nahrungstransport im Darm und verstärken die Darmentleerung. Gleitmittel machen die Fäzes durch einen Schmiereffekt leichter absetzbar. Man benutzt hierzu nicht beziehungsweise schwer resorbierbare Öle wie Paraffin oder Glycerol. Füll- und Quellmittel quellen unter Aufnahme von Wasser und vergrößern das Volumen des Darminhaltes beträchtlich. Dadurch wird die Darmwand gedehnt und reflektorisch die Stuhlentleerung in Gang gebracht. Osmotische Abführmittel halten Flüssigkeit im Darmlumen zurück und verhindern dadurch die Eindickung des Stuhls. Antiresorptiv und hydragog wirksame Abführmittel hemmen die Natrium- und Wasserresorption und fördern den Einstrom von Elektrolyten und Wasser in das Darminnere (1).
Exulzerierende Wunden, beispielsweise durch aufbrechende Metastasen, können zu starker Geruchsbelästigung und Ekelgefühlen beim Patienten führen. Bei der Versorgung können Chlorophyllverbände oder Kohlekompressen eingesetzt werden, bei den häufigen bakteriellen Superinfektionen ist eine lokale Antibiotikatherapie sinnvoll. Während des Verbandwechsels können die Pflegenden dem Patienten ein parfürmiertes Tuch oder einen stark duftenden Gegenstand anbieten, der üble Gerüche überdeckt. Anschließend ist das Zimmer zu lüften (3).
Zu guter Letzt: Ist die Palliativversorgung in Deutschland ausreichend?
Die Versorgung Sterbenskranker ist nicht einfach. Um den individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden, wird in Deutschland eine abgestufte Versorgung angeboten. Liegen keine besonderen medizinischen oder psychosozialen Probleme vor, werden die Patienten zu Hause betreut, zumeist von Angehörigen, Pflegedienst und Hospizhelfern. Besondere palliativmedizinische Kenntnisse sind nötig, wenn die Patienten an Problemen wie Schmerzen oder Übelkeit leiden, die aber gut kontrollierbar sind.
Die dritte Stufe, die Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV), ist Patienten mit massiven Problemen vorbehalten. Obwohl nach dem Gesetz jeder GKV-Versicherte Anspruch auf eine SAPV hat, weist die Umsetzung in der Praxis große Lücken auf. Dies liegt vor allem an fehlenden Verträgen mit den Krankenkassen, was nicht nur von Pflegediensten und Palliativteams heftig kritisiert wird (4).
Literatur:
(1) Aktories, K., et al.: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie, Elsevier Urban & Fischer, München, 10. Auflage, 2009.
(2) Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e.V. Pflegeleitlinien. Verfügbar: www.dgpalliativmedizin.de/pflege/pflegeleitlinien.html - abgerufen am 01.05.2011
(3) Menche, N: Pflege Heute, Elsevier Urban & Fischer, München, Jena, 2007
(4) Pirhalla, R. Schleppende Palliativ-Versorgung. Trotz gesetzlichem Anspruch kommt die häusliche Fachpflege Todkranker kaum voran. Verfügbar: www.presseportal.de/pm/52678/1708777/wort_und_bild_apotheken_umschau - abgerufen am 01.05.2011