Jeder Mensch kennt Schmerzen. Jeder weiß daher, wie wichtig eine effektive Schmerztherapie ist. Diese können nur Personen leisten, die über umfangreiches Fachwissen verfügen. Dabei sind es vor allem Pflegende, denen wegen ihres unmittelbaren Kontakts zum Patient eine große Bedeutung zukommt. Der folgende Artikel gibt einen Überblick, worauf es beim pflegerischen Schmerzmanagement ankommt.
Die Alltagserfahrung legt die Vermutung nahe, dass Schmerz ein rein körperliches Problem darstellt. Dass dem aber nicht so ist, ist in Fachkreisen heute hinlänglich bekannt. Schmerz ist vielmehr als ein subjektives, komplexes und mehrdimensionales Phänomen zu betrachten, dessen Erfassung nicht objektivierbar ist. Um einen Schmerzpatienten optimal behandeln zu können, ist es notwendig, über ein umfangreiches Fachwissen zu verfügen. Das professionelle Schmerzmanagement in der Pflege setzt sich aus verschiedenen Bausteinen zusammen.
Wichtig: Die sorgfältige Schmerzanamnese
Eine umfangreiche Erhebung der Schmerzanamnese dient als Grundlage der Diagnostik und Zuordnung eines bestimmten Schmerztyps und des Schmerzmechanismus. Sie ist wichtiger als die körperliche Untersuchung und noch wichtiger als zusätzliche apparative Untersuchungen.
Für das Erstgespräch sollte mindestens eine halbe bis eine Zeitstunde eingeplant werden. Dabei sollte der Patient beobachtet werden, zum Beispiel ob die Schmerzschilderung, Mimik und Gestik sowie die Körperhaltung kongruent sind oder nicht. Während des Gesprächs sollte sich der Patient frei und möglichst ohne Unterbrechungen oder Zwischenfragen äußern können. Hierbei können wichtige Nebeninformationen wie Ängste, Erfahrungen, Abneigungen – etwa gegenüber Analgetika – gewonnen werden.
Kardinalfragen, die im Erstgespräch gestellt werden müssen, sind folgende:
· „Wo tut es weh?" (Lokalisation)
· „Wann tut es weh?" (andauernd, in Ruhe- oder/und bei Belastung, plötzliches oder schleichendes Auftreten)
· „Wie ist der Schmerz?" (Schmerzcharakter, z. B. dumpf, drückend, einschießend)
· „Welche Therapien sind schon durchgeführt worden?" (medikamentöse, nichtmedikamentöse, Erfolg, Misserfolg. Bei Misserfolg ist es besonders wichtig zu eruieren, ob die Unwirksamkeit der Therapie oder die Nebenwirkungen maßgeblich für den Abbruch waren.)
· „Was tritt zusätzlich zu den Schmerzen auf?" (Begleitsymptome, zum Beispiel Übelkeit, Lichtscheue bei Migräne, bei muskulären Schmerzen Störungen von Statik und komplexen Bewegungsabläufen als Folge der schmerzbedingten Schon- und Ausweichhaltung)
· „Was kann den Schmerz beeinflussen?" (Wärme, Kälte, Sport, Entspannungsverfahren)
Zudem sollten die genauen Modalitäten der medikamentösen Therapie erfragt werden. Häufig können Fehler, wie eine zu hohe Anfangsdosierung der Analgetika, keine einschleichende Dosierung oder unzureichende Aufklärung über Behandlung von Nebenwirkungen, identifiziert werden. Auch ist notwendig, nach Außenseitermethoden, Phytotherapie (Johnniskraut!) und nach Selbstmedikation zu fragen. Zur Vermeidung von Interaktionen müssen auch die Substanzen erfasst werden, die aus anderen Gründen eingenommen werden, wie etwa Marcumar, ACE-Hemmer und Antikonzeptiva. Weiterhin sollte genau eruiert werden, welche Vorstellung der Patient von der Entstehung seiner Schmerzen hat und wie er mögliche Therapiekonzepte einschätzt. Die Fortführung einer Therapie bei einem chronifizierten nicht tumorbedingten Schmerzpatienten, der eine völlige Heilung erwartet oder unrealistische Therapieziele hat, ist meist nicht erfolgversprechend und für das Behandlungsteam oftmals frustrierend.
Wie den Schmerz messen?
Die Erfassung der Schmerzintensität ist wesentlicher Bestandteil einer effektiven Schmerztherapie. Sie ist die Grundlage für die Formulierung pflegerelevanter Diagnosen und für die daraus abzuleitende Pflegeplanung. Für Pflegende wichtig zu wissen ist, dass viele Patienten aus Angst vor einem Zusammenhang von Schmerzzunahme und Fortschreiten ihrer Erkrankung oft nicht über ihre Schmerzen reden können. Besonders Krebspatienten befürchten, dass Klagen über Schmerzen die behandelnden Ärzte und Pflegenden von der Tumorbehandlung ablenken.
Eine Fremdbeurteilung von Schmerzen ist schwierig und setzt sehr große Erfahrung voraus. Meistens unterschätzt sie den tatsächlichen Schmerz des Betroffenen. Der subjektiven Schmerzeinschätzung durch den Patienten kommt daher eine große Bedeutung zu, da Schmerz eine individuelle psychophysische Erfahrung und somit schwer objektivierbar ist.
Die Schmerzmessung – in Fachkreisen Algesimetrie genannt – erleichtert aber nicht nur die Kommunikation mit dem Patienten. Es wird im Rahmen einer differenzierten Schmerzdiagnose ein Ausgangswert bestimmt. Anhand der Schmerzintensität kann der Behandlungsbedarf eingeschätzt werden. Regelmäßig wiederholte Messungen führen darüber hinaus zu einer Erfolgskontrolle der eingeleiteten Therapie und bestimmen den Zeitpunkt, an dem eine Änderung des Therapiekonzeptes notwendig wird. Die Schmerzersteinschätzung sollte im stationären Bereich bei Aufnahme und vor Therapiebeginn sowie als Verlaufskontrolle in Ruhe und Bewegung dreimal pro Tag erhoben werden. Im ambulanten Bereich erfolgt sie bei Erstvorstellung und bei jedem Wiedervorstellungstermin.
In den letzten Jahren wurden viele Methoden zur Schmerzmessung entwickelt. Schmerzmessinstrumente werden als eindimensional bezeichnet, wenn sie nur die vom Patienten angegebene Schmerzstärke erfasst. Zu betonen ist, dass der Patient eingehend in die Handhabung der zu verwendenden Skala eingewiesen und geschult werden muss. Folgende etablierte eindimensionale Schmerzmessmethoden eignen sich für den klinischen Alltag:
Visuelle Analogskala (VAS): Diese Skala ist zehn Zentimeter lang. Das eine Ende wird mit „kein Schmerz", das andere mit „unerträglichen Schmerzen" bezeichnet. Sie wird mit einer Ausrichtung von links nach rechts dem Patienten vorgelegt. Die handelsüblichen Skalen sind mit einem Schieber versehen, den der Patient auf seine individuelle Schmerzintensität einstellen kann. Auf der Rückseite des Instruments ist ein Zahlenwert der Schmerzstärke abzulesen.
Numerische Rangskala (NRS): Auf dieser Skala ordnet der Patient seine Schmerzintensität einer Zahl zwischen 0 und 10 zu. Als „Ankerworte" werden wie bei der VAS an den Enden der Skala „keine Schmerzen" und „unerträgliche Schmerzen" bevorzugt.
Verbale Rangskala (VRS): Diese Skala ist fünfteilig (0 bis 5). Der Patient wird nach seiner momentanen Schmerzstärke gefragt. Die VRS verwendet Schmerz beschreibende Adjektive in Stufen zunehmender Schmerzintensität (kein Schmerz, leichter Schmerz, mäßiger Schmerz, starker Schmerz, stärkster vorstellbarer Schmerz).
Die erhobenen Werte sollten in der täglichen Routine standardisiert in der Pflegedokumentation erfasst werden, so dass die regelmäßige Überprüfung erleichtert wird. Für die tägliche Praxis können Schmerzfragebögen, Schmerztagebücher oder Verlaufskontrollbögen als Dokumentationshilfen genutzt werden, die die aktuellen Schmerzen, die Befindlichkeit und Begleitsymptome widerspiegeln.
Die Schmerzdokumentation ist für die Überprüfung der Effektivität und Verlaufskontrolle schmerzdiagnostischer und -therapeutischer Verfahren unerlässlich. Dokumentationssysteme erleichtern die tägliche Arbeit und liefern die notwendige Transparenz für das gesamte Team und sind – richtig genutzt – unverzichtbar für das Wohl der betreuten Menschen.
Was ist beim geriatrischen Patienten zu beachten?
Für ältere Menschen gelten ebenfalls die ausgesprochenen Empfehlungen, der Selbstauskunft immer Vorrang vor einer Fremdeinschätzung einzuräumen und zu Beginn einer jeden Pflegemaßnahme die Schmerzsituation zu erfragen (Herr-Garand 2001). Neben der initialen Schmerzmessung ist die wiederholte Überprüfung anhand einer eindimensionalen Skala in Ruhe und Bewegung, etwa mit VAS oder NRS, angezeigt. Diese Skalen bieten gegenüber Analogskalen deutliche Vorteile in der Handhabung, der guten Verständlichkeit und des geringen Zeitaufwandes. Als Alternative bietet sich auch ein Schmerzthermometer als Modifikation einer verbalen Skala an. Wird eine numerische Skala eingesetzt, zeigen Studienergebnisse, dass ältere Menschen diese zuverlässiger anwenden, wenn die Skala vertikal gehalten wird (AGS Panel on persitent pain in older persons 2002). Die Schmerzmessung zeigt Erfolge, wenn immer die gleiche Skala beim gleichen Patienten benutzt wird. Zudem ist für Pflegende wichtig zu wissen, dass alte Menschen Schmerzen anders äußern. Sie thematisieren zum Beispiel eher die Folgen von Schmerzen wie etwa Lustlosigkeit, Schlafstörungen oder Beeinträchtigungen der Alltagsfunktion als die Schmerzen an sich. Das Beachten der nonverbalen Kommunikation kann zur Identifizierung von möglichen Schmerzen bedeutsam sein.
Neben standardisierten Schmerzskalen und Schmerzerfassungsbögen empfehlen sich gerade bei älteren Patienten auch alltagsbezogene Fragen, wie „Können Sie morgens schon wieder selbst das Frühstücksbrötchen einkaufen?" oder „Können Sie selbständig die Körperpflege durchführen"? Die Antworten auf diese oder ähnliche Fragen lassen wertvolle Rückschlüsse auf die Wirksamkeit der Behandlung zu.
Ein geriatrischer Patient hat nicht nur ein erhöhtes Risiko der kognitiven und sensorischen Beeinträchtigung, sondern auch der Komorbidität, zum Beispiel wenn zusätzlich zur Grunderkrankung Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schwerhörigkeit, Visusverlust, beeinträchtigte Psyche, Multimedikation und multipler therapeutischer Interventionen und der Verlustes an Aktivitäten und Partizipation bestehen. Eine geriatrische „Karriere" beginnt nicht selten mit dem Verlust der Mobilität. Erkrankungen des Bewegungsapparates fesseln den Patienten an die Wohnung und führen oftmals zur sozialen Isolation und Vereinsamung. Die häufigsten Schmerzdiagnosen, die bei älteren Menschen gestellt werden, sind:
· degenerative Wirbelsäulenerkrankungen,
· Coxarthrose,
· Gonarthrose,
· Osteoporose,
· arterielle Verschlusskrankheit,
· Trigeminusneuralgie,
· rheumatische Erkrankung,
· Angina pectoris,
· postzosterische Neuralgie.
Auch kommen bei älteren Patienten häufiger sturzbedingte Verletzungen vor, die chronische Schmerzen auslösen können. Mehr als ein Drittel der 65-jährigen und älteren Menschen stürzt einmal pro Jahr, in der Hälfte der Fälle wiederholt. Annähernd einer von zehn Stürzen verursacht eine schwerwiegende Verletzung wie Oberschenkelhalsfraktur, subdurales Hämatom oder Weichteil- und Kopfverletzung.
Zusammen mit dem Nachlassen sensorischer und kognitiver Leistungen und weiteren Erkrankungen entsteht ein „Merkmalskomplex" aus Immobilität, intellektuellem Abbau, Instabilität und Inkontinenz. „Diese vier geriatrischen I" unterhalten einen fatalen Automatismus sich gegenseitig verstärkender Einschränkungen und stellen die größte Bedrohung für einen erfüllten Lebensabend dar" (Arbeitskreis Schmerz und Alter 1999). Das primäre Ziel sollte daher die Wiederherstellung der Mobilität sein – sinnvoll ist es, die Ursache der Bewegungseinschränkung zu beseitigen, zum Beispiel durch Implantation einer Totalendoprothese. Zusätzlich oder ersatzweise ist der Einsatz von Unterarm-Gehstützen und/oder Rollatoren sinnvoll, um die körperliche Funktionseinschränkung teilweise zu kompensieren, auch dann, wenn die Heilung des Grundleidens nicht mehr möglich ist. Die Krankengymnasten und die Pflegekräfte leisten dabei die entscheidende Hilfestellung. Motivation zu körperlicher Aktivität ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Schmerztherapie. Die Edukation durch das Pflegepersonal ist der Schlüssel zum Erfolg der Schmerztherapie bei geriatrischen Patienten – sie bewirkt eine Inanspruchnahme der angebotenen Maßnahmen, Mitarbeit und Bewegungsverhalten.
Schmerzeinschätzung bei Demenz
Schmerzen von Menschen mit fortgeschrittener Demenz einzuschätzen und zu erfassen, ist eine große Herausforderung für das gesamte Behandlungsteam, da diese Menschen noch weniger als kognitiv orientierte alte Menschen ihren Schmerzen Ausdruck geben können. Man könnte sie diesbezüglich fast als „sprachlose" Patienten bezeichnen. Wichtig ist dennoch, „aktiv nach möglichen Schmerzen zu suchen und sie primär in ihrem So-Sein zu akzeptieren" (Dörner 2004).
Hilfreich ist es, über die Angehörigen zu erfragen, ob der Betroffene vor Beginn der Demenz an einer schmerzhaften Erkrankung wie etwa der Osteoporose, Arthritiden, Gonarthrose, Koxarthrose oder einer Tumorerkrankung gelitten hat und ob er regelmäßig Schmerzmedikamente eingenommen hat. Denn das Ziel der Schmerzerfassung ist auch bei dieser Patientengruppe, ihnen trotz Verlustes der Kommunikationsfähigkeit und kognitiver Einschränkung eine adäquate Schmerzbehandlung zukommen zu lassen und sie nicht im Vergleich zu anderen älteren Menschen inadäquat zu behandeln. Durch den Verlust der Kommunikationsfähigkeit steigt hierdurch das Risiko einer nicht hinreichenden Schmerzbehandlung (Closs et al. 2004).
Dementiell Erkrankte können jedoch noch immer über ihren Körper und durch ihr Verhalten zu uns „sprechen". Diese indirekten Schmerzzeichen sind allerdings mehrdeutig und demnach nicht so leicht zu deuten wie verbale oder pantomimische Mitteilungen. Beispiele indirekter Schmerzzeichen sind:
· Verkrampfte Haltung,
· Schonhaltung,
· unsicheres Gehen,
· zunehmende Bewegungsunlust,
· häufige Stürze,
· verstärkter Rückzug,
· Verschlechterung des Allgemeinzustandes,
· veränderter Atemrhythmus,
· Appetitlosigkeit,
· erhöhter Blutdruck,
· Unruhe,
· Schreien,
· ständiges Läuten,
· Schlaflosigkeit.
Eine Möglichkeit, Schmerzen bei Demenzkranken zu erfassen, ist die Beobachtung ihres Verhaltens. Denn Schmerzen können sich bei diesen Personen als aggressive Zustände, Apathie oder motorische Unruhe äußern. Um Schmerzen bei Menschen mit Demenz adäquat einschätzen zu können, wurden in Frankreich vor rund 20 Jahren zwei spezielle Skalen entwickelt: die ECPA (Echelle Comportementale de la Douleur pour Personnes Agées non communicantes) und die Doloplus-Skala. Die ECPA ist in unterschiedlichen deutschen Fassungen veröffentlicht worden. Eine anwendbare deutsche Version ist die BISAD (Beobachtungsinstrument für das Schmerzassessment bei alten Menschen mit Demenz) nach Fischer 2005. Die Doloplus-Skala liegt als offizielle deutsche Fassung bislang nicht vor. Ebenso existiert keine deutschsprachige Evaluierung dieses Instruments. Beide Skalen werden von Pflegenden möglichst in Kooperation mit dem behandelnden Arzt ausgefüllt. Sie dienen der Ersterfassung von Schmerzen bei demenzkranken Personen und dann jeweils zur Verlaufskontrolle. Dabei gelten Verhaltensauffälligkeiten als Hinweis auf Schmerzen.
Ein im Jahr 2003 in englischer Sprache publiziertes Messinstrument mit der Bezeichnung Pain Assessment in Advanced Dementia (PAINAD) (Warden et al. 2003) hat bei der Schmerzeinschätzung von Menschen mit Demenz in den vergangenen Jahren enorm an Bedeutung gewonen. Tests haben gezeigt, dass das PAINAD-Instrument den testpsychologischen Gütekriterien der Objektivität, Reliabilität und Validität entspricht (Basler et al. 2006). Dies weist darauf hin, dass es die wünschenswerten Anforderungen an die Messqualität für verbal nicht kommunikationsfähige Patienten erfasst und trägt somit in einem hohen Maße dazu bei, die Schmerzdiagnostik und letztendlich die Schmerzbehandlung bei dieser Patientengruppe zu verbessern. Beim PAINAD-Instrument handelt es sich um eine Skala zur Beobachtung des Schmerzverhaltens. Hierbei werden fünf beobachtbare Verhaltensweisen erfasst:
· Atmung,
· negative Lautäußerungen,
· Gesichtsausdruck,
· Körpersprache,
· Reaktion auf Tröstung.
Außer dem Trost-Item handelt sich um behaviorale Kategorien zur Erfassung des Schmerzes bei Demenz (Snow et al. 2004). Die Skala bezieht sich ausschließlich auf die Beobachtung des Verhaltens und nicht etwa auf Urteile über Änderungen von Verhaltensweisen oder Veränderungen der Kognitionen oder der sozialen Interaktionen (Basler et al. 2006). Die Verhaltensweisen sind in einer begleitenden Testanweisung erklärt. Wie bei der NRS werden Eckwerte von 0 bis 10 zugrunde gelegt, um das Schmerzverhalten zu quantifizieren. Zur Qualitätssicherung ist es vorteilhaft, dass diese Verhaltensbeobachtung möglichst immer von der gleichen Pflegekraft in der gleichen Situation, etwa bei der Mobilisation durchgeführt wird.
Im Jahr 2007 ist das PAINAD-Instrument unter dem Namen „Beurteilung von Schmerzen bei Demenz" (BESD) ins deutsche übersetzt worden. In Pflegeheimen etabliert sich die Anwendung der deutschen Version immer mehr (www.dgss.org).
Medikamentöse Therapie richtet sich nach WHO-Stufenschema
Bei chronischen Schmerzpatienten ist eine alleinige medikamentöse Schmerztherapie nicht ausreichend. Hier ist eine multimodale Therapie im Sinne eines bio-psychosozialen Schmerzmodells indiziert. Die multimodale Therapie vereinigt unterschiedliche Therapieverfahren wie physiotherapeutische, psychologische (verhaltenstherapeutische), sportmedizinische und andere nicht medikamentöse Verfahren wie zum Beispiel die transkutane elektrische Nervenstimulation elektrische Nervenstimulation (TENS), Akupunktur, Wickel und Auflagen sowie die Aromatherapie. Die Durchführung der nicht medikamentösen Maßnahmen obliegt – in Absprache mit dem behandelnden Arzt – der Pflegekraft.
Die medikamentöse Schmerztherapie sollte sich vorrangig an dem WHO-Stufenschema (WHO 1986) (Abb. 1) und an den individuellen Bedürfnissen des Patienten orientieren. Welches Analgetikum eingesetzt wird, ist abhängig von der Schmerzursache und Schmerzlokalisation.
Die eventuell auftretenden Nebenwirkungen von Opioiden sollten mit Begleitmedikamenten, wie zum Beispiel Laxanzien und Antiemetika behandelt werden. Additiv oder als Monotherapie kommen bei neuropathischen Schmerzen Koanalgetika wie Antikonvulsiva (z. B. Pregabalin) und Antidepressiva (z. B. Amitriptylin) zum Einsatz. Bei viszeralen Schmerzen ist die spasmolytische Wirkung des Nichtopioids Metamizol zu empfehlen. Da das Verabreichen der Medikamente in der Verantwortung der Pflege liegt, sind Kenntnisse der Pharmakokinetik, zum Beispiel hinsichtlich der Wirkung und Nebenwirkungen der eingesetzten Analgetika, unabdingbar.
Eine sichere und effektive Anwendung von Analgetika bei der Behandlung chronischer Schmerzen im Alter erfordert genaue Kenntnisse der altersphysiologischen Veränderungen und der altersspezifischen pharmakodynamischen Wirkung der Analgetika. Das Wissen um die Verteilung der Medikamente im Organismus, den Metabolismus und deren Ausscheidung ist Voraussetzung, um beim Alterspatienten die unterschiedlichen Reaktionen auf Analgetika zu verstehen. Es empfiehlt sich, mit einer niedrigeren Anfangsdosis als bei jüngeren Patienten zu beginnen und nach individueller Wirkung und/oder Nebenwirkungen zu erhöhen oder zu senken. Als Faustregel bei der medikamentösen Therapie beim Alterspatienten gilt: Start low, go slow! Nicht medikamentöse Therapieverfahren wie die Bewegungstherapie haben additiv zur medikamentösen Schmerztherapie auch im Alter einen hohen Stellenwert, vorausgesetzt, die Behandlung wird der Zielgruppe angepasst.
Literatur bei der Verfasserin.