Deutsches Pflegepersonal zieht es nach abgeschlossener Ausbildung überall hin, nur nicht in die Altenpflege. Angesicht der steigenden Anzahl von pflegebedürftigen Personen wird für die kommenden Jahre ein weiter anhaltender Fachkräftemangel besonders für die Altenpflege prognostiziert. Von gesundheitspolitischer Seite wird wenig dagegen getan, und wenn dann meist an falscher Stelle. Ein wichtiger Aspekt für die zukünftige Personalsituation in der Pflege liegt in der beruflichen Qualifikation. Ob Kranken- oder Altenpflege, beide Berufsbilder ringen um die Abgrenzung zum jeweils anderen, um ein eigenständiges Berufsbild und ein anderes Aufgabenverständnis. Fakt aber ist: Ein Kompromiss wäre für beide Berufsgruppen ein Gewinn.
Für den Begriff der Pflege gibt es keine eindeutige Definition. So definiert die Pflegeexpertin Liliane Juchli, die Pflege als „die eigentliche Kategorie des Begegnens und Umgehens mit etwas" (Juchli 1994: 41). Arets et al. (1999) unterscheiden die Pflege in Selbst-, Laien-, und professionelle Pflege. Professionell Pflegende sind demnach Personen, die eine staatliche Prüfung abgelegt haben und anschließend die Berufsbezeichnung der Gesundheits- und KrankenpflegerInnen oder der AltenpflegerInnen tragen.
Krankenpflege vs. Altenpflege
Obgleich vieler Berührungspunkte der Berufsbilder bestehen zwischen Kranken- und Altenpflege einige Unterschiede. Der Krankenpflegeberuf wird geprägt von der Zusammenarbeit mit Medizinern, und durch die Ausrichtung auf der an der Heilung orientierten Pflege. Geschichtlich gesehen, handelt es sich bei der Krankenpflege der letzten hundert Jahre um einen typischen Frauenberuf, eine sinnvolle Tätigkeit der (jungen, bürgerlichen) Frau zur Assistenz des (meist männlichen) Arztes (Seidler 1993). Die einst mit der Krankenpflege verbundene gesellschaftliche Wertschätzung ist zwar zurückgegangen, fällt aber noch immer höher aus als für das Berufsbild der Altenpflege.
Im Gegensatz zur lang etablierten Krankenpflege gehört die Altenpflege zu den jüngeren sozialpflegerischen Berufen. In den 1950er Jahren wurden erstmals Schulungsmaßnahmen, welche für die unter Personalmangel leidenden Altenheimträger kostenneutral sein sollten, nach dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung finanziert.
"Die Geschichte der Altenpflege ist von der Beziehung zur großen Schwester Krankenpflege geprägt"
Die Geschichte der Altenpflege als Beruf ist von dem Streben nach einer Definition der Beziehung zur „großen Schwester Krankenpflege" (Hammer 1994: 114), geprägt. Die Entstehung wurzelt im Zusammentreffen von zwei konträren Entwicklungen; dem zunehmenden Pflegebedarf durch eine rasche Zunahme pflegebedürftiger alter Menschen zum Ende der 1950er Jahre einerseits und einem permanenten Pflegepersonalmangel andererseits. Altenpflege wurde so zum „Ersatzberuf" (Voges 2002: 105); die Zielgruppe waren vor allem Hausfrauen nach der Kinderphase, die wieder erwerbstätig sein wollten. So wie im 19. Jahrhundert die Krankenpflege Hilfsfunktionen der Medizin übernehmen sollte, wurde das Berufsbild der Altenpflege als Entlastung für die Krankenpflege vorgesehen (Hammer 1994). Die Altenpflege übernahm Aufgaben, die eine Krankenschwester ungern ausübte, weil sie nicht so viel Ansehen wie Tätigkeiten in der Akutmedizin versprachen, denn wie Bäcker (1988) anmerkt, seien Alter, chronische Krankheiten und Sterben keine erfolgsorientierten Tätigkeiten im Sinne der naturwissenschaftlichen Medizin. So wurde der Altenpflege die dritte Abstufung ähnlich der alten Pflegehierarchie nach Grund- und Behandlungspflege unterstellt, die eigentlich keiner besonderen Qualifizierung bedürfe.
Um die Altenpflege von der Krankenpflege abzugrenzen, eine Fluktuation von der Altenpflege in die Krankenpflege zu verhindern und um die Altenpflege nicht zum Hilfsberuf der Krankenpflege zu machen, wurde in den 1960er Jahren die Altenpflege als sozialpflegerischer Beruf in Abgrenzung zur Krankenpflege definiert. Ab Ende der 1960er Jahre wurde die Altenpflegeausbildung dann in das staatliche Bildungssystem integriert. Die Bundesländer regelten die Ausbildungsmodalitäten, die sehr verschiedenartig waren. Seit den 1980er Jahren wurde versucht, den Altenpflegeberuf als „Heilberuf" (Voges 2002:107) mit einer bundesweit einheitlichen Regelung an den Berufsfachschulen zu etablieren. Mit dem Erlass des Altenpflegegesetzes (AltPflG) im Jahre 2003 wurde dies formal umgesetzt.
Auch heute ist die Altenpflege ein beliebtes Ziel von Umschulungsmaßnahmen der Arbeitsämter, häufig für Personen mit eher eingeschränkten Möglichkeiten auf dem freien Arbeitsmarkt. Diese Umschulungspraxis ist kritisch zu sehen und weist auf den Aspekt der Dequalifikation des Berufsbildes (Zellhuber 2005). Es wird angenommen, dass der akute Personalmangel durch hohe Ausfallzeiten und eine große Berufsflucht auch mit der hohen Zahl an QuereinsteigerInnen aufgrund von Umschulungen zusammenhängt, da diese zum Teil geringer motiviert seien und deshalb einen höheren Krankenstand und eine schlechtere Pflegequalität aufwiesen (Zimpel 2004).
Qualifikation und berufliche Motivation
Der Krankenpflege wird allgemein ein höherer Status zugeschrieben als der Altenpflege, vermutlich aufgrund ihrer Nähe zum medizinischen Bereich. So wird bei der Berufswahl die Krankenpflege der Altenpflege häufig vorgezogen (Zellhuber 2005). Wie eine Studie von Becker und Meifort zeigte (1997: 88) war der Altenpflegeberuf für mehr als die Hälfte der Ausgebildeten des untersuchten Schuljahrgangs ein Beruf der „zweiten Wahl", da viele UmschülerInnen vorher bereits andere Berufe ausgeübt haben.
Eine der wenigen Studien zum Berufsverbleib von AltenpflegerInnen nach der Ausbildung kam zu folgendem Ergebnis: Nach 5 Jahren sind nur noch etwa 20 Prozent der ausgebildeten AltenpflegerInnen in ihrem Beruf tätig. Noch einmal gut 20 Prozent sind in einen anderen Beruf gewechselt, rund 10 Prozent haben ein Studium aufgenommen und die verbleibenden 50 Prozent haben die Berufstätigkeit aufgegeben oder sind arbeitslos (Becker und Meifort 1998).
Die Fluktuation unter Krankenschwestern fällt dagegen geringer aus. Braun und Müller (2005) wiesen nach, dass der Wechsel und Berufsausstieg wesentlich seltener stattfindet als in anderen typischen Frauenberufen: „Die Krankenpflege als anerkannter Beruf mit ausreichender und stabiler ökonomischer Position ist daher weniger als andere typische Frauenberufe durch Mobilität geprägt" (Braun und Müller 2005: 219).
Eine weitere Untersuchung unterstreicht diese Aussage. Darin wurden die Krankenschwestern verschiedener Ausbildungsjahrgänge zu ihrer Erwerbsbiographie befragt und mit 10 anderen Frauenberufen verglichen, mit dem Ergebnis: „ Krankenschwestern sind die Berufsgruppe, in der Frauen von allen untersuchten Berufen am längsten einer Berufstätigkeit nachgehen und sie tun dies – mit einer Unterbrechung bei der Geburt des Kindes – auch als Mütter" (Born 2001: 114).
Krankenpflegekräfte verfügen zum Teil über ein höheres Einkommen und haben die Möglichkeit auch im Bereich der Altenpflege tätig zu sein, während dies umgekehrt oft nicht geschieht.
Faktor Ausbildung und Berufszufriedenheit
Eine höhere Bildung kann zu höheren Erwartungen an die berufliche Tätigkeit führen, welche bei Enttäuschung über die Berufsrealität zu Unzufriedenheit führt. Es befinden sich immer weniger Hauptschulabsolventen unter den Altenpflegeauszubildenden, gleichzeitig steigt der Anteil der Anteil der Bewerber mit Realschulabschluss und Abitur. Dieser Trend vollzog sich zwar nicht so schnell wie in der Krankenpflege, er ist aber sehr deutlich (Voges 2002) offenbart gleichzeitig ein Risiko bezüglich des Berufsverbleibs: Im Altenpflegebereich wechseln vor allem Altenpfleger, aber auch Altenpflegerinnen mit einer hohen formalen Bildung in einen anderen Beruf (Voges 2002).
Eine europaweite Studie über den vorzeitigen Berufsausstieg von Pflegekräften kommt zu dem Schluss, dass examinierte Pfleger/innen und solche mit Fachweiterbildung häufiger aussteigen wollen als einjährig ausgebildete PflegehelferInnen oder angelernte Kräfte. Demnach ist der Ausstiegswunsch im 2. und 4. Berufsjahr nach der Ausbildung am stärksten und nimmt dann ab. Hierbei sind es vor allem jüngere und höher qualifizierte Pflegekräfte, die den Berufsausstieg mindestens mehrmals monatlich erwägen(Hasselhorn et al.2005).
Fazit und Ausblick
Eine grundständige Ausbildung in der Altenpflege existiert nur in Deutschland. Trotz eines hierarchischen und zum Teil konkurrierenden Verhältnisses zwischen den Berufen der Kranken- und der Altenpflege, in dem besonders die Altenpflege um Anerkennung und Profilierung ringt, kämpfen beide Professionen mit ähnlichen Problemen und haben berufspolitisch die gleichen Ziele: bessere Arbeitsbedingungen, mehr Qualifizierung, höheres gesellschaftliches Ansehen, bessere Vergütung.
Es wurde schon vor 20 Jahren davon ausgegangen, dass nur eine Steigerung der Attraktivität des Berufes qualifiziertes Personal in der Altenpflege halten kann:
„Maßnahmen, die auf strukturelle Verbesserungen in der Personalsituation abzielen, können daher nicht bei verbesserten Rekrutierungsstrategien oder bei Reformen in der Ausbildung stehen bleiben, sondern müssen zugleich auf eine Attraktivitätssteigerung des Berufes insgesamt abzielen, um das wenige vorhandene Personal zu halten." (Naegele 1991:65).
Erste Modellversuche zeigen, dass eine Zusammenführung der Ausbildung von Krankenpflege und Altenpflege aus inhaltlicher Sicht relativ unproblematisch sind, da große Teile der Ausbildungsinhalte ähnlich oder deckungsgleich sind und zu einer höheren Qualität der Ausbildung führen kann (Steffen und Löffert 2010).
"Die Vereinheitlichung der Ausbildung könnte einen Anstieg von Interessenten bedeuten"
Eine Vereinheitlichung der Ausbildungsformen, zum Beispiel in Form einer zweijährigen Basisausbildung mit einem anschließenden Ausbildungsjahr zur Spezialisierung im gewünschten Bereich, könnte einen allgemeinen Anstieg von Interessenten für den Pflegeberuf bedeuten.
Auch für die Arbeitgeber ist eine einheitliche Ausbildung interessant: Viele Träger betreiben zugleich Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. Die Erfahrungen der Absolventen können helfen Schnittstellen zwischen ambulanten Diensten und stationären Einrichtungen, zwischen Krankenhäusern, Kurzzeit- und Tagespflege besser zu verstehen und zu organisieren. Das wirkt sich positiv auf das Verständnis für die Tätigkeit der anderen Berufsgruppe aus und baut gegenseitige Vorbehalte ab.
Die derzeitige Debatte um die Akademisierung der Pflegeberufe zeigt deutlich, dass die reine Übernahme von Ausbildungssystemen anderer Länder in das deutsche Gesundheitswesen schwierig ist. Eine flächendeckende Akademisierung von Pflegeberufen hat für den deutschen Pflegealltag keine Relevanz und ist im derzeitigen Gesundheitssystem nicht umsetzbar. Eine Vereinheitlichung oder ein teilweise gemeinsames Absolvieren der bewährten Pflegegrundausbildung mit anschließender Zusatzqualifikation wäre ein sinnvoller Kompromiss für die angespannte Situation der deutschen Pflegekräfte, ob im Krankenhaus oder im Altenheim.
Literatur:
Arets, J., Obex, F., Ortmans, L., Wagner, F. (1999) Professionelle Pflege- Fähigkeiten und Fertigkeiten. Verlag Hans Huber, Bern.
Bäcker, G. (1988) Arbeitsbedingungen in der Altenpflege. Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut der DGB, Düsseldorf.
Becker, W., Meifort, B. (1998) Altenpflege – Abschied vom Lebensberuf. Bertelsmann Verlag, Bielefeld.
Becker, W., Meifort, B. (1997) Altenpflege – eine Arbeit wie jede andere? Ein Beruf fürs Leben? Bertelsmann Verlag, Bielefeld.
Born, C. (2001) Verweildauer und Erwerbsbiographien von Frauen in der Krankenpflege. Ein Beitrag zur Diskussion um Altersteilzeit für Gesundheitsberufe. Pflege und Gesellschaft 6 (3), 109-115.
Braun, B., Müller, R. (2005) Arbeitsbelastungen und Berufsausstieg bei Krankenschwestern. Pflege und Gesellschaft10(3), 131-141.
Hammer, E. (1994) Qualifikationsanforderungen in der Altenhilfe. Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main.
Hasselhorn, H.M., Tackenberg, P., Buescher, A., Simon, M., Kuemmerling, A., Mueller, B.H. (2005) Work and health of nurses in Europe- results from the NEXT Study. University of Wuppertal, Wuppertal.
Juchli, L. (1994) Krankenpflege - Praxis und Theorie der Gesundheitsförderung und Pflege Kranker. (7. Auflage) Thieme Verlag, Stuttgart.
Naegele, G. (1991) Anmerkungen zur These vom „Strukturwandel des Alters" aus sozialpolitikwissenschaftlicher Sicht. Sozialer Fortschritt 40, 162-172.
Seidler, E. (1993) Geschichte der Medizin und der Krankenpflege (6. Auflage). Kohlhammer Verlag, Stuttgart.
Steffen, P., Löffert, S. (2010) Ausbildungsmodelle in der Pflege. Deutsches Krankenhausinstitut e.V., Düsseldorf.
Voges, W. (2002) Pflege alter Menschen als Beruf. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden.
Zellhuber, B. (2005) Altenpflege – ein Beruf in der Krise? Eine empirische Untersuchung der Arbeitssituation sowie Belastungen von Altenpflegekräften im Heimbereich. Kuratorium Deutsche Altershilfe, Köln.
Zimpel, V. (2004) Belastende Situationen in der Altenpflege. In: Henze, K. H. & Piechotta, G. (Hrsg.): Brennpunkt Pflege. Beschreibung und Analyse von Belastungen des pflegerischen Alltags. Mabuse Verlag, Frankfurt am Main, S. 173-181.