• Praxis
Hautpflege

Inkontinenz: Pflegemittel richtig auswählen

Bereits zum 24. Mal fand im Dezember 2013 der renommierte Good Clinical Practice (GCP)-Workshop der B. Braun Melsungen AG in Berlin statt. Erstmals war dabei auch die Pflege mit einem eigenständigen Workshop vertreten. Was in der Praxis des modernen Klinikbetriebes Standard sein sollte, der interprofessionelle Austausch zwischen Pflege und Medizin auf Augenhöhe, spiegelte sich im Tagungstitel „Stuhl- und Harninkontinenz – Ein interdisziplinärer Ansatz" wider.

Unter den Experten aus Pflege und Therapie war auch Olaf Hagedorn von der Raphaelsklinik in Münster. Hagedorn ist Krankenpfleger mit der Weiterbildung „Pflegeexperte Stoma, Inkontinenz, Wunde", sein Vortrag „Intimpflege und Hautschutz bei Harn- und Stuhlinkontinenz" hat einen Aspekt aufgegriffen, der allzu oft in der täglichen Routine des Pflegealltags vernachlässigt wird: „Es kommt leider immer wieder vor, dass die Flüssigseife vom Spender an der Wand einfach in die Waschschüssel gegeben wird, um den Patienten von Kopf bis Fuß damit zu waschen. Unabhängig von seinem Alter, seiner Erkrankung, dem Allgemeinzustand und von der Körperregion, die gereinigt werden soll", berichtet Hagedorn aus der Praxis. Genau diese Faktoren sind es aber, die fundamentalen Einfluss auf die Wahl des richtigen Pflegemittels haben sollten. „Die Haut des alten Menschen ist trocken, fettarm, wenig elastisch und faltig. Hier sollten zum Beispiel fettende Wasser-in-Öl-Produkte zum Einsatz kommen", erläutert der Pflegeexperte. Ist die Haut hingegen von vornherein fettig, sind Öl-in-Wasser-Mittel angezeigt, die der Haut Fett entziehen, kühlend wirken und schnell einziehen.

Wenn die Inkontinenzvorlage gewechselt wird, müssen auch immer eine Begutachtung des Hautzustandes, eine Reinigung und eine Hautpflege vorgenommen werden, und zwar mit den hierfür geeigneten Produkten, fordert Hagedorn. Beim Abtrocknen der sensiblen und eventuell vorgeschädigten Haut sollte immer getupft, nie gerieben werden. Hautläsionen könnten die Folge sein. Einfach nur die feuchte, gesättigte Vorlage gegen eine trockene auszutauschen ist aus Sicht des Pflegeexperten nicht zu verantworten. „Wenn man einnässt, will man ja auch nicht nur eine neue Unterhose anziehen sondern hat sicher den Wunsch, sich zu waschen" fügt er hinzu und macht damit deutlich, dass die Pflegenden gerade bei Patienten mit einer Inkontinenz mehr als sonst versuchen sollten, empathisch zu agieren. „Wenn Sie etwas machen, dann denken Sie bitte auch darüber nach, was Sie machen", lautet sein Appell.

Der wichtige Schutzmantel der Haut im Intimbereich sollte durch die Hautreinigung unterstützt und nicht weggewischt werden, ansonsten drohen Ekzeme, Windeldermatitiden, Pilzbefall oder bakterielle Entzündungen. Gerade durch multiresistente Keime können auf diese Weise lebensbedrohende Situationen entstehen. Bei aggressiven Ausscheidungen besteht die Aufgabe der aufgetragenen Cremes und Salben darin, eine Schutzbarriere aufzubauen ohne die Hautatmung zu unterbinden. Die Produkte sollten rückfettend, parfümfrei sowie frei von Desinfektions- und Konservierungsmitteln sein. Sie dürfen allerdings nicht als „Sichtschutz" verwendet werden, die Begutachtung des Hautzustandes muss jederzeit gewährleistet sein.

Komplementär kommen auch ätherische Öle in der Hautpflege zum Einsatz. Je nach Öl und Zusammensetzung können sie desinfizierend, entzündungshemmend, desodorierend, antimykotisch, schmerzstillend, beruhigend oder epithelisierend wirken. Sie regen den Hautturgor, die Durchblutung und den Lymphfluss an, stärken das Bindegewebe oder entspannen die Muskulatur. Auf jeden Fall sollte vor dem Einsatz ätherischer Öle unbedingt der Rat eines Aromapraktikers eingeholt werden.

Um sich einen Überblick über die unterschiedlichen Zusammensetzungen von Wasch- und Pflegeprodukten zu verschaffen, hat sich Olaf Hagedorn in einem Drogeriemarkt Dutzende von Inhaltsangaben und Waschzettel durchgelesen und miteinander verglichen. Von Cremeseifen, Deoseifen, Kinderseifen, Parfümseifen, Flüssigseifen über Syndets, Reinigungsschaum, Reinigungstücher bis zu Thermal-Wassersprays reichte dabei das nahezu unüberschaubare Angebot. Sein Fazit: Es gibt selbst im freien Handel ganz unterschiedliche Produktgruppen, die zum Teil sehr spezifisch für bestimmte Anwendungen entwickelt wurden. Doch auch hier kann man einiges falsch machen. „Ich sprach vor einiger Zeit mit einen Patienten, der sehr unangenehme juckende Ekzeme im Analbereich hatte. Im Gespräch stellte sich heraus, dass der Mann regelmäßig feuchte Reinigungstücher verwendet, auf deren Duft-, Konservierungs- oder Reinigungsstoffe er offenbar empfindlich reagierte. Mit dem Wechsel dieses Produktes verschwanden auch die Hautprobleme". Das intensive Gespräch mit dem Patienten oder den Angehörigen ist der Dreh- und Angelpunkt einer sachgerechten Hautpflege, da ist sich Hagedorn sicher.

Vorbeugen ist auch bei der Hautpflege besser als Heilen, Risikofaktoren müssen frühzeitig erkannt, das physiologische Hautmilieu erhalten und gefördert und zusätzliche Hautbelastungen verhindert werden. Bei einer Inkontinenz stellt dies mitunter ganz besondere Herausforderungen an die Pflege. Treten Frühsymptome wie Juckreiz, „Brennen", Wundgefühl oder regelmäßige Wäscheverschmutzungen auf, sollten beim Pflegenden die Alarmglocken läuten. Urin ist zunächst nicht gefährlich, er ist steril, enthält Harnstoff und weist einen meist sauren pH-Wert auf. Gefahren drohen durch die enzymatische Umwandlung von Harnstoff in Ammoniak was mit einer Verschiebung des pH-Wertes ins basische einhergeht. In Kombination mit dem Aufquellen der Haut durch Staunässe und die eventuelle Zerstörung des Säure-Fettschutzmantels durch häufiges Waschen drohen typische Hautdefekte, die oft in Verbindung mit einer Harninkontinenz beobachtet werden.

Bei aufsaugenden Pflegehilfsmitteln lautet die Devise „So groß wie nötig, so klein wie möglich", rät Olaf Hagedorn. Liegt anamnestisch eine Stuhl- oder Harninkontinenz vor, greift in der Raphaelsklinik in Anlehnung an den Expertenstandard „Förderung der Harnkontinenz in der Pflege" des Deutschen Netzwerkes für Qualität in der Pflege (DNQP), ein eigens entwickeltes Assessment, das unter anderem ein Miktionsprotokoll enthält. Die Mitarbeiter werden im Rahmen der innerbetrieblichen Fortbildung regelmäßig geschult. Darüber hinaus stehen der Pflegeexperte sowie zwei ausgebildete Kontinenzmanagerinnen bei Fragen im Pflegealltag zur Verfügung.

Michael Bührke

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