Pflegewissenschaftler haben erstmals die Wirksamkeit von Clowninterventionen in Gesundheitseinrichtungen wissenschaftlich untersucht. Über die Ergebnisse der Literaturanalyse sprachen wir mit Prof. Dr. Michael Bossle, der ehrenamtlich selbst als Klinikclown tätig ist.
Herr Professor Bossle, Sie haben gemeinsam mit Kollegen der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg und der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar eine Literaturübersicht über Clownvisiten in Krankenhäusern und Pflegeheimen erstellt. Wie kam es dazu?
Der Verein KlinikClowns Bayern e.V. hat im Jahr 2013 einen wissenschaftlichen Beirat gegründet, in dem Professor Hermann Brandenburg aus Vallendar und ich Mitglied sind. Ziel des Beirats ist es, die Arbeit von Clowns in Kliniken, Seniorenheimen und anderen Einrichtungen wissenschaftlich begründet salonfähig zu machen. Sehr schnell erkannte der Beirat, dass es eine gute internationale Literaturübersicht zur Studienlage hinsichtlich Clownerie im Gesundheitswesen geben müsse.
Klinikclowns werden aus nachvollziehbaren Gründen häufig in der Pädiatrie eingesetzt. Wann machen Clownvisiten bei Erwachsenen Sinn?
Im Prinzip sind es die gleichen Merkmale, die auch für Clownerie im Kindersetting sprechen. Erstens: Clownerie und Humor schaden nicht. Zweitens: Humor wirkt entspannend, angstreduzierend und damit auch gesundheitsfördernd. Drittens: Clowns sind anarchische Wesen, die die starren Abläufe in Kliniken und Heimen konterkarieren. Das wirkt erleichternd und der Mensch kann hinter den immer mehr durchorganisierten Prozessen hervortreten. Deswegen werden Clowns mittlerweile immer häufiger in Langzeitpflegeeinrichtungen und anderen hochvulnerablen Bereichen für Erwachsene eingesetzt - zum Beispiel in Hospizen, auf onkologischen Stationen und in der Behindertenarbeit.
Dennoch kommt es vor, dass manche Kinder und Erwachsene Angst vor Clowns haben. Wird in der Literatur auch von negativen Effekten der Clownerie berichtet?
In einer Studie wurde ein Einzelfall festgehalten, dass ein Kind, das wegen einer schweren Lungenerkrankung unter Husten litt, aufgrund eines Lachanfalls auch einen Hustenanfall bekam. Aber wie gesagt, das sind Einzelfälle. Kinder können sehr wohl auf sich aufmerksam machen und äußern, wenn sie Angst haben oder die angebotene Situation schwierig ist. Zudem sind Clowns ausgesprochen feinfühlig. Sie merken es, wenn sie nicht erwünscht sind. Gerade Senioren lehnen Clown-Interventionen manchmal ab mit den Worten „Ich möchte es nicht." Das wird immer akzeptiert. Das Grundprinzip lautet: Clowns fragen immer, ob sie erwünscht sind oder nicht. Das ist Teil des Ethikkodex der Klinikclowns.
Sie sind neben Ihrer Tätigkeit als Professor für Pflegepädagogik an der Technischen Hochschule Deggendorf selbst Klinikclown. Wie kamen Sie dazu?
Das Bedürfnis, meinen Clown zum Vorschein zu bringen, habe ich früh in mir verspürt. 2005 habe ich daher eine Ausbildung in der Clownerie abgeschlossen, die ich anfangs als Musiker in meine Bühnenperformance habe einfließen lassen. Seit 2011 bin ich auch im Ensemble von KlinikClowns Bayern e.V. tätig.
Welche fachlichen und menschlichen Fähigkeiten braucht ein Klinikclown?
Bei KlinikClowns Bayern e.V. wird besonderer Wert auf die ästhetisch-künstlerische Ausbildung der Clowns gelegt. Meistens sind die Kollegen Professionals in Schauspiel, Tanz, Theaterpädagogik oder Musik. Eine solche grundsätzliche Ausbildung ist wichtig, weil sie den Menschen in eine andere Blickrichtung rückt als die diagnostische. Zudem ist es menschlich wichtig, sich für das Gegenüber zu interessieren. Auffassungsgabe, Aufgeschlossenheit, Neugierde, Toleranz und Einfühlungsvermögen sind das A und O für Klinikclowns.
Was muss ich tun, wenn ich Klinikclown werden möchte?
Ehrlich mit sich selbst sein, sich Fragen zu stellen wie: Bin ich wirklich Humorist, also Feinfühligkeitsspezialist? Bin ich in der Lage, meine Grenzen zu erkennen, Situationen zu deuten und zu wandeln? Das ist die erste Grundvoraussetzung. Eine Ausbildung als Clown oder Künstler ist unbedingt erforderlich. Zudem empfehle ich immer, im Team regelmäßig über das zu sprechen, was man tut. Supervision sowie Fort- und Weiterbildung in künstlerisch-fachlicher Hinsicht sind neben der Begabung die wesentliche Basis für die gute Clownerie.