Immer mehr Menschen leiden im Alter an Demenzerkrankungen und verlieren damit nicht nur ihr Gedächtnis, sondern auch ihren Orientierungssinn. Viele an Demenz Erkrankte verirren sich schon auf kurzen Spaziergängen und werden oft erst nach stundenlanger Suche gefunden. Mit eigens entwickelten Ortungssystemen etwa in Armbanduhren sollen Betroffene wieder mehr Lebensqualität erhalten und im Notfall schneller aufgespürt werden. Doch die „Überwachung" mit derzeit verfügbaren Ortungsgeräten ist hinsichtlich der Privatsphäre der Patienten durchaus auch bedenklich. Wir sprachen mit Ali Celik, Geschäftsführer des ambulanten Pflegedienstes PFLEGE optimal in Krefeld, was er von dem Einsatz dieser Geräte hält.
Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit einer an Demenz erkrankten Person wirkt sich häufig negativ auf ihr Wohlbefinden aus. Mit den Ortungssystemen kann sich das ändern, weil Betroffene wieder mehr Eigenständigkeit gewinnen. Wie sehen Sie das?
Das ist richtig. Oft sind vor allem die Angehörigen diejenigen, die die Bewegungsfreiheit einschränken, weil sie zu Recht oder auch zu Unrecht Sorge um ihre an Demenz erkrankten Verwandten haben.
Welche Erfahrungen haben Sie bislang mit solchen Ortungssystemen gemacht?
Einige wenige Erfahrungen konnten wir in der ambulanten Pflege schon machen. Da die Betroffenen und auch die Entscheider über den Einsatz solcher Lösungen noch nicht besonders technikaffin und auch noch nicht sehr informiert sind, werden die Ortungssysteme aktuell noch sehr selten eingesetzt.
Darf man jemanden auf diese Art denn überhaupt überwachen? Ist das ethisch und moralisch vertretbar?
Da es vor allem um die Sicherheit der an Demenz Erkrankten geht, finde ich, dass man solche Lösungen moralisch gut vertreten kann. Wichtig ist, dass diejenigen Personen, die auch die Verantwortung haben, für den einzelnen Betroffenen zu entscheiden, den Einsatz von Ortungssystemen abwägen und im Sinne des an Demenz Erkrankten entscheiden. Es darf keine generelle Pflicht zum Beispiel seitens Institutionen wie Kostenträger oder auch Pflegeeinrichtungen geben.
Ein Ortungssystem zum Beispiel in Form einer Armbanduhr könnte bei einigen an Demenz Erkrankten für zusätzliche Verwirrung sorgen…
Sicher kann eine Armbanduhr, die man nicht als persönliches Schmuckstück identifiziert, im Einzelfall für Verwirrung sorgen. Jedoch zeigen die Erfahrungen im Bereich der Hausnotrufsysteme, dass der Einsatz von Uhren sehr gut funktionieren kann. Zudem gibt es auch andere Lösungen, wie Halsketten oder Broschen. Gut finde ich persönlich auch Schuhe mit Ortungssystemen. In diesem Fall kann es aber auch Probleme geben, wenn der an Demenz erkrankte Mensch mit den „falschen" Schuhen oder gar in Pantoffeln das Haus verlässt.
Wie ist die datenschutzrechtliche Lage, wenn Überwachungssysteme bei älteren Menschen im Einsatz sind?
Die Frage ist vor allem, was mit den erhobenen Daten passiert und ob sie gespeichert werden. Wie jedoch die genaue Rechtslage aussieht, kann ich im Detail nicht beantworten.
Was raten Sie Pflegedienstmitarbeitern und Angehörigen: Sollen Sie auf Ortungssysteme setzten oder nicht und warum?
Neben den Ortungssystemen gibt es im Rahmen des sogenannten Ambient Assistent Living noch viele weitere Möglichkeiten, Betroffene zu schützen sowie die Lebensqualität aller an der Pflege und Betreuung beteiligter zu steigern. Ich bin ein großer Befürworter, die vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen und hoffe, dass diese auch in der Zukunft vor allem finanzierbar sind. Jedenfalls wächst eine technikaffine Gesellschaft heran, die vielleicht weniger Berührungsängste haben wird.
Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Celik.
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Die Evangelischen Heimstiftung hat im Rahmen einer interdisziplinären Projektarbeit den Einsatz von Ortungssystemen und sich daraus ergebende Spannungsfelder analysiert.