Interessante Antworten, inwieweit Ergebnisqualität in der ambulanten Pflege tatsächlich mess- und beurteilbar ist, lieferte das Bielefelder Institut für Pflegewissenschaft bereits 2013 gemeinsam mit der Paritätischen Qualitätsgemeinschaft ambulante Pflege Nordrhein-Westfalen. Schließlich hielt die Paritätische Qualitätsgemeinschaft die in der Pflege-Transparenzvereinbarung Ambulant (PTVA) vereinbarten Qualitätsprüfungsinstrumente schon lange für wenig aussagekräftig und verbesserungsbedürftig.
Ein Fazit jener Kleinstudie: Aus Sicht der 38, direkt nach ihren Pflegeeinsätzen befragten Pflegekräfte aus vier ambulanten Pflegediensten in NRW sind ihnen folgende Themenschwerpunkte bei der eigenen Bewertung von Ergebnisqualität besonders wichtig:
1. Kommunikation und soziale Beziehung: Der Patient reagiert positiv auf die unmittelbare Kommunikation, fühlt sich verstanden, bringt Freude und Vertrauen zum Ausdruck und ist überhaupt zu offener Kommunikation bereit.
2. Gesunderhaltung, Risikoabwehr und Zustandsverbesserung: Sichtbare Mobilität, guter Hautzustand und vernünftige Ernährung und Flüssigkeitsversorgung des Patienten deuten darauf hin, dass durch die ambulante Pflegekraft Ernährungsmängel abgestellt, Infektionen gut behandelt oder die Wundversorgung fachlich korrekt und erfolgreich ausgeführt wurden. Sie beeinflusste auch das psychische Befinden des Patienten positiv, trug zur Verbesserung seiner Stimmungslage und zur Reduktion seiner Ängste bei.
3. Durchführung geplanter Maßnahmen: Trotz hinderlicher Faktoren (Schmerz etc.) oder negativer Reaktionen des Patienten (Angst vor Belastungen) kann die Pflegekraft die geplante, fachlich angemessene Pflege vornehmen.
4. Kooperationsbereitschaft: Die Pflegekraft hat erreicht, dass der Patient zum Beispiel eine Insulininjektion zulässt, Medikamente in ihrem Beisein einnimmt oder die Schmerztherapie gut annimmt. Demenzkranke Patienten helfen dank des Verhaltens der Pflegekraft beim Lagern im Rollstuhl gut selbst mit.
5. Wohlbefinden: Die Anwesenheit und das Verhalten der Pflegekraft werden vom Patienten als positiv empfunden und tragen zu seiner Zufriedenheit und seinem Wohlbefinden bei.
6. Erhalt und Steigerung der Eigenaktivität und Motivation: Die Pflegekraft fördert Eigenaktivität und Antrieb des Patienten.
Zudem erfassten die Wissenschaftler die Dauer des Pflegeeinsatzes, die sozialrechtliche Zuordnung der geleisteten Pflege (SGB V oder XI), um verschiedene Versorgungskonstellationen unterscheiden zu können, und werteten Strukturdaten aus.
Wingenfeld: „Zum Beispiel die Kriterien Erhalt von Selbstständigkeit, Abwehr von gesundheitlichen Schädigungen und Belastungen, psychische Stabilisierung und Wohlbefinden waren Qualitätsindikatoren, die eine Studie des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) ebenfalls in den Fokus gerückt hatte. Die Befragung der Pflegenden ergab aber auch bislang kaum diskutierte Kriterien wie Motivation der Patienten, eine aktive Rolle bei der Bewältigung ihrer gesundheitlichen Probleme zu übernehmen." Die hohe Bedeutung der Eigenmotivation für einen positiven Krankheitsverlauf belegen auch andere Studien.
Die Stabilität und Verbindlichkeit der Pflegebeziehung als eine stark vom Handeln der Pflegenden abhängige Grundvoraussetzung für Erfolge der ambulanten Pflege benannten die befragten Pflegekräfte zudem als Kennzeichen der Ergebnisqualität ihrer Interventionen. Wingenfeld: „Allerdings stehen uns für deren Erfassung und Bewertung bisher keine verlässlichen Methoden zur Verfügung, die einen Qualitätsvergleich erlauben würden."
Einfluss von Angehörigen oft größer als von Pflegekräften
Auch einige systematische Probleme will Wingenfeld mit seinem neuen Projekt zu lösen versuchen, um zu einem tragfähigen Konzept zur Erfassung und Bewertung von Ergebnisqualität in der häuslichen Pflege zu gelangen:
- Haben Pflegedienste, die ihre Klienten nur mit einem sachlich und zeitlich eng begrenztem Auftrag versorgen und zum Teil nur wenige Tage pro Woche vor Ort sind, überhaupt maßgeblichen Einfluss auf den gesundheitlichen Zustand ihrer Klientel?
- „Der Einfluss der pflegenden Angehörigen überlagert häufig die Wirkung professioneller Pflege," weiß Wingenfeld. Daher sei zu prüfen, ob man ambulanten Pflegekräften überhaupt einen maßgeblichen Einfluss beispielsweise auf die Entstehung eines Dekubitus zuschreiben kann. Denn in erster Linie übernehmen pflegende Angehörige die Lagerung eines immobilen Pflegebedürftigen. Auch bei der Flüssigkeitsversorgung und Ernährung in der ambulanten Pflege spielten die Angehörigen oftmals eine größere Rolle als Pflege-Profis.
- Das Leistungsspektrum ambulanter Dienste wird laut § 36 SGB XI weitgehend auf Hilfen bei Alltagsverrichtungen und hauswirtschaftliche Hilfen begrenzt. „Würden wir aber deshalb andere Sachverhalte als Ergebniskriterien ausschließen, würden wir ein fachlich extrem verengtes Qualitätsverständnis zugrunde legen," meint Wingenfeld.
- Nach den Ergebnissen der Kleinstudie erbrachten Pflegedienste etwa 40 Prozent ihrer Pflegeinsätze sowohl in der Langzeitpflege nach SGB XI als auch in der Behandlungspflege nach SGB V. Wingenfeld bezweifelt, dass nur reine SGB-XI-Pflege mit Kriterien zur Ergebnisqualität beurteilt werden sollte, die lediglich circa 30 Prozent der Pflegeeinsätze ausmachte.
„Zweifellos möglich" sei die Beurteilung von Ergebnisqualität in der ambulanten Pflege, betont Experte Wingenfeld. Gefragt sei nun aber ein Konzept, das die konkreten Bedingungen ambulanter Pflege in Deutschland explizit berücksichtigt. „Das bedeutet auch, dass wir Kriterien zur Erfolgsmessung von Betreuungs- und Entlastungsleistungen der Pflegedienste entwickeln, die nach dem Pflegestärkungsgesetz nunmehr allen anerkannt Pflegebedürftigen und Demenzkranken zustehen und besonders gefördert werden."
Keine Frage: Auch mit der 2017 geplanten Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes bedarf es neuer Indikatoren zur Messung und Bewertung von pflegerischer Ergebnisqualität. Bekanntlich sollen Pflege- und Betreuungsbedürftige künftig nach dem Grad ihrer Selbstständigkeit und nicht mehr nach ihrem pflegerischen Unterstützungsbedarf beurteilt und in eine von künftig fünf Pflegegraden statt -stufen eingruppiert werden. Insofern warten noch weitere Aufgaben auf Wingenfeld und sein Team.
Zum 1. Teil der Bielefelder Studie zur Messung der Ergebnisqualität in der ambulanten Pflege