Bislang legen die nationalen Expertenstandards des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) den Schwerpunkt auf die Versorgung pflegebedürftiger Erwachsener und alter Menschen. Kinder und Jugendliche werden nur am Rande erwähnt. Deswegen hat der Bundesverband Häusliche Kinderkrankenpflege (BHK) fünf Arbeitshilfen für die ambulante Kinderkrankenpflege ausgearbeitet. Station24 sprach mit BHK-Geschäftsführerin, Corinne Ruser, über die Kind-spezifischen Pflegestandards.
Frau Ruser, warum haben Sie Standards für die ambulante Kinderkrankenpflege entwickelt?Die Mitglieder des BHK sind vermehrt an uns herangetreten mit der Frage und Bitte, ob es denn in Bezug auf die Expertenstandards des DNQP eine Möglichkeit gibt, diese für den Kinderbereich anwendbar und umsetzbar zu machen. Auch wenn die Expertenstandards vorrangig für den Erwachsenenbereich entwickelt wurden, so fordert der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) im Rahmen seiner Qualitätsprüfungen eine Umsetzung dieser Standards auch in ambulanten Kinderkrankenpflegediensten. Zusätzlich ist es dem BHK ein Anliegen, die Qualität und das Wissen aus den nationalen Expertenstandards auch der Praxis der ambulanten Kinderkrankenpflege zugänglich zu machen - auch wenn klar ist, dass aus wissenschaftlicher Sicht eine Umsetzung der Expertenstandards für den Kinderbereich nicht einfach möglich ist. Deswegen sind es ja auch keine Expertenstandards, sondern lediglich Pflegestandards, also Arbeitshilfen in Anlehnung oder auf Basis der Ergebnisse des DNQP. Allerdings sind diese bislang nur rudimentär oder meist gar nicht für den Kinderbereich erforscht.
Was beinhalten die Regeln?
Die Pflegestandards beschreiben das professionelle Handeln von Pflegekräften in unterschiedlichen Pflegesituationen und zwar im Rahmen der Dekubitusprophylaxe, Sturzprophylaxe, Schmerzmanagement, chronische Wunden vom Typ Dekubitus und orales Ernährungsmanagement. Die Pflegestandards sind formal alle gleich aufgebaut. Neben einer kurzen inhaltlichen Erläuterung zum jeweiligen Thema inklusive der Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen beschreiben sie die jeweilige Zielgruppe und die entsprechenden Ziele, die damit erreicht werden sollen. Auf Basis dieser zentralen Aussagen, insbesondere der Prozesskriterien der nationalen Expertenstandards, erfolgt dann die so genannte „Durchführung".
Jeder Standard beginnt immer mit einer entsprechenden Risikoeinschätzung. Sie berücksichtig ein Assessment und eine Checkliste mit Kind-spezifischen Beispielen und beschreibt dann weitere Kriterien, die notwendig sind, wie etwa eine adäquate Maßnahmenplanung, Beratung, Anleitung oder Schulung. Darüber hinaus wird das Thema Kontinuität, sprich die Informationsweitergabe innerhalb der unterschiedlichen Einrichtungen und/oder die regelmäßige Überprüfung der Situation aufgegriffen.
Inwiefern sind die Standards wichtig für die ambulant tätigen Pflegekräfte?
Die nationalen Expertenstandards des DNQP beschreiben auf der Grundlage eines nach-weisbaren Wissensstandes die bestmögliche Lösung für ein Pflegeproblem und verbreiten dadurch evidenzbasiertes und handlungsrelevantes Wissen in die Praxis – diese Tatsache ist auch für die Pflegenden in der ambulanten Kinderkrankenpflege von zentraler Bedeutung. Obwohl es für den Kinderbereich noch zu wenig Studien gibt, so ist es dennoch wichtig, dass wissenschaftliches Wissen und Denken in der ambulanten Kinderkrankenpflege Einzug halten: Die Pflegestandards des BHK sind ein erster Versuch des Theorie-Praxis-Transfers. Zudem bieten die Standards den Pflegenden in der Praxis eine sichere Grundlage, um adäquate Entscheidungen in den jeweiligen Pflegesituationen zu treffen und darauf aufbauend zu handeln. Außerdem beziehen sie Kind und Eltern oder Bezugspersonen intensiv mit ein und steigern dadurch die Patientenorientierung. Zusätzlich fördern die Pflegestandards die Sichtbarkeit der häufig vernachlässigten Berufs-gruppe der außerklinischen Kinderkrankenpflege.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der ambulanten Kinderkrankenpflege?
Wir wünschen uns vermehrte Pflegeforschung im Bereich der außerklinischen Kinderkran-kenpflege sowie mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz der spezifischen Komplexität der außer-klinischen Kinderkrankenpflege in Gesellschaft, Politik, Gesetzgebung und vor allen bei den Kranken- und Pflegekassen als Kostenträgern.
Frau Ruser, herzlichen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Johanna Kristen.