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Patientenberatung

„Mitgehen ohne mitzuleiden"

Im Herzen des Universitätsklinikums Köln befindet sich eine ganz besondere Anlaufstelle. Seit ihrer Eröffnung im Februar 2014 kamen rund 3.800 Besucher ins Patienten-Informations-Zentrum (PIZ), um sich beraten zu lassen. Die Anliegen, mit denen Patienten, Angehörige oder auch Klinikmitarbeiter zu Cindy Scharrer und ihrem Team kommen, sind so vielfältig wie das Leben.

„Häufig geht es darum, den Betroffenen Tipps für ihre Zeit im und nach dem Krankenhaus zu geben. Zum Beispiel, wie sie sich bei Krebs oder Diabetes gesund ernähren, wie sie ihre Medikamente bei Demenz richtig einnehmen oder wie sie eine Pflegestufe beantragen", sagt PIZ-Leiterin Cindy Scharrer. Allerdings gehöre mehr dazu als das Aushändigen einer Broschüre: „Wir nehmen uns Zeit für die Fragen der Patienten, beziehen auch deren Angehörige mit ein, um das soziale Umfeld zu analysieren", so Scharrer, die unter anderem Diplom-Berufspädagogin und Fachpflegekraft für Neurologie ist. Ganz zentral dabei sei, dass man den Menschen zutrauen müsse, die Angebote, die ihnen die Berater geben, auch umzusetzen.

Multifunktionell

Tagtäglich macht das PIZ-Team Ratsuchende auf ganz banale Weise glücklich, indem es ihnen hilft, sich im Komplex der Uniklinik zurecht zu finden oder sie bei den Aufnahmeformalitäten unterstützt. „Wir übernehmen neben unserer Auffang-, Kümmerer- und Beratungsfunktion oft auch Dolmetscheraufgaben, das heißt, wir erklären Arztbriefe in Alltagsprache und erörtern deren Inhalte in den jeweiligen individuellen Kontexten der Betroffenen in einer ruhigen Atmosphäre abseits der Stations- oder Praxisumgebung", sagt die Fachdozentin für Pflege.  

Multikulturell

Darüber hinaus beraten die PIZ-Mitarbeiter zunehmend Patienten aus der ganzen Welt. „Da ist kulturelle Sensibilität gefragt", macht Scharrer klar. Und da stoße man hin und wieder auch an seine Grenzen und müsse etwa einen türkisch-sprechenden Mitarbeiter um Hilfe bei der Beratung bitten. Das funktioniere aber reibungslos. „Da sind wir gut aufgestellt", so die Pflegelehrerin.

Eine große Herausforderung bei der Migranten-Betreuung sei, dass die Betroffenen und deren Familien das Prinzip des deutschen Gesundheitssystems nicht verstünden. Hinzu komme die Sprachbarriere und die Tatsache, dass beispielsweise türkische Patienten, ihre Probleme lieber innerhalb der eigenen Familie lösen wollen. „Das setzt eine große Portion Freundlichkeit und vor allem Wertschätzung gegenüber den Belangen des Betroffenen voraus", erklärt Scharrer.

„Das PIZ und sein Netzwerk"

Das Aufgabenspektrum des PIZ wächst kontinuierlich, „sozusagen mit den Bedürfnissen der Patienten", weiß die Pädagogin. Deswegen sei es auch so wichtig, ein gutes Netzwerk zu haben. Das PIZ arbeitet mit insgesamt 80 Partnern zusammen, darunter Ernährungsberater, Seelsorger, Apotheker, der Ärztliche und der Soziale Dienst sowie das Sozialpädiatrische Zentrum, das Perinatalzentrum und die Stabsstelle Pflegewissenschaft. Nur so könne die Bedeutung von Patienteninformation auch intern bei den Klinikmitarbeitern und extern in der Gesellschaft ankommen, sagt die PIZ-Leiterin.  

Den eigenen Horizont erweitern

Ihr ist es ein besonderes Anliegen, vor allem ihre Kollegen auf den Stationen für die soziale Rolle des Zentrums zu sensibilisieren. „Das PIZ ist nicht nur ein bloßer Raum, sondern eine Idee, die wir im gesamten Klinikum verbreiten wollen, so wünscht es sich Scharrer. Bislang konzentriere sich jedoch das Professionsverständnis vieler Pflegekräfte noch darauf, ein Heilberuf in einem sehr engen Kontext zu sein. „Das ist aber zu kurz gedacht und nur eine Facette unseres Berufs", kritisiert die Pädagogin.

„Die Kollegen dürfen und müssen über die Grenzen des  Krankenhauses hinausdenken, um zu erkennen, dass Pflege mehr ist, als Patienten medizinisch zu versorgen". Für Scharrer gehört auch berufspolitisches Engagement und das Interesse an Pflegewissenschaft dazu. Denn dies alles wirke sich auf die Rahmenbedingungen für die Pflege und so im Enddefekt auch auf die Qualität der Versorgung aus.

Das weit verbreitete Argument, Pflegende hätten keine Zeit, um die Betroffenen neben der medizinischen Betreuung auch zu schulen und ihnen zum Beispiel während des Lagerns zu erklären, was man da gerade tue, lässt Scharrer nicht gelten. „Es gibt immer Raum für Beratung - aber diesen Raum müssen wir auch wirklich schaffen und gestalten." Dazu müsse man nach Aussagen der Fachkrankenschwester für Neurologie die bestehenden Strukturen nur geringfügig verändern: Ein Bezugspflegesystem und Zeiten ungestörten Patientenkontakts, sowie ein erweitertes und therapeutisches Verständnis von Pflege sind wichtig.

„Die Klinik ist das PIZ oder: Wir alle sind das PIZ?"

Patienten zu informieren, sei die eine Seite. Auf der anderen gehe es aber auch immer darum, mit den Schicksalen der Betroffenen, die in vielen Fällen todkrank sind, umzugehen. „Auch dabei unterstützen wir sowohl unsere Kollegen als auch die Angehörigen", sagt Scharrer. Ein gesunder und reflektierter Umgang mit Empathie, sich berühren zu lassen und trotzdem arbeitsfähig zu bleiben, sei ausschlaggebend. Also „mitgehen ohne mitzuleiden", weiß Scharrer aus jahrelanger Erfahrung im Pflege- und Beratungsdienst. Sie selbst zieht sehr viel Kraft aus ihrem Beruf. Denn: „Arbeit ist nicht der Feind des Lebens",  freut sich die Pflegepädagogin, „sondern ein sehr befriedigender und sinngebender Bereich des Lebens."

Für die Zukunft des Informationszentrums wünscht sich Scharrer vor allem, dass sich jeder Mitarbeiter als Teil des PIZ versteht: „Ich möchte, dass der Gedanke der Patienten- und Familienedukation für jeden Kollegen ganz selbstverständlich ist", sagt Scharrer. Das wiederum bedeute, Pflege ist endlich in der Berufsgruppe selbst und in der Gesellschaft angekommen. Schließlich brauche Pflege gesellschaftliche Legitimation, um zu wachsen und den Patienten individuell und angemessen zu versorgen.

 

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