Zusammen mit professionellen Schauspielerinnen probten an Demenz erkrankte Bewohner aus Hamburg an einem Theaterstück. Mit viel Freude und Improvisation stellten sie eine Inszenierung auf die Beine, die zeigt, was trotz Handicap alles möglich ist.
Samstag 15:00 Uhr in der Jubilate-Kirche in Hamburg-Billstedt: Die Probe für eine ganz besondere Theateraufführung beginnt. Wo sonst der Pastor spricht, steht am 13. September ein Kreis aus Stühlen. Auf ihnen sitzen sieben Damen und strecken die Hände in die Luft. „Ich bin Daggi", ruft eine der Älteren. „Ich bin Anna", ruft eine andere. Wer ihnen bei der Vorstellungsrunde zusieht und dabei, wie sie zur Auflockerung Arme und Hände kreisen lassen, könnte hier wohl nichts Auffälliges bemerken. Auch nicht, als die kleine Gruppe nach wenigen Minuten der Aufwärmung den Kreis verlässt, oben auf der Bühne inmitten einer Sitzgruppe Platz nimmt und mit der Probe für das Stück „So ein Theater!" beginnt. Doch die Damen auf der Bühne sind keine gewöhnlichen Darstellerinnen. Vier von ihnen leiden an Demenz.
Was zunächst unvereinbar mit der Schauspielerei klingt, ist durchaus möglich, wie die Gruppe eindrucksvoll beweist. Ohne vorher Texte auswendig gelernt zu haben, entwickeln sie auf der Bühne spannende Dialoge, die einem roten Faden folgen. So entsteht im Verlauf des Stückes die Geschichte vom Besuch einer Kunstausstellung. Gemeinsam philosophieren sie über Malerei, sie tragen Gedichte vor und stimmen Lieder an.
Es zeigt sich, dass ein Theaterstück viel mehr sein kann, als detailliert einstudierte Abläufe. Stattdessen hat es viele Facetten. Die Darbietung lebt von Improvisation und der Kreativität der Akteure, von den Gefühlen des Augenblicks – davon haben die rüstigen Seniorinnen jede Menge. Ihnen zur Seite stehen dabei drei professionelle Schauspielerinnen sowie die Projektleiterin Anna Hassel, die den Rahmen für die Aufführung schaffen. Auch für sie ist die Zusammenarbeit nicht alltäglich. „Man muss Geduld und Ruhe mitbringen und sich auf ihre ganz eigene Erlebniswelt einlassen", beschreibt Anna Hassel, Diplom Sozialarbeiterin, die Besonderheit.
Das außergewöhnliche Projekt bietet einen neuen Blick auf Menschen mit Demenz: Statt der zunehmenden Beeinträchtigungen werden ihre vorhandenen Fähigkeiten in den Mittelpunkt gerückt. Auf diese Weise haben sie die Chance, Kultur aktiv mitzugestalten und Anerkennung für ihre Leistung zu erhalten. Außenstehenden gibt es dagegen die Möglichkeit, sich in einem unkonventionellen Kontext zu begegnen und Vorurteile abzubauen.