Sich um die Bewohner kümmern, Medikamente herrichten, Behandlungen dokumentieren: Im Pflegeheim Burghalde in Sindelfingen haben zehn Auszubildende für eineinhalb Wochen auf einer Pflegegruppe das Kommando übernommen. Das neue Projekt des Diakonievereins sollte den angehenden Pflegekräften Einblicke in den Beruf geben, die sie sonst im Laufe ihrer Ausbildung so nicht bekommen.
17 Bewohner mit Pflegestufe 0 bis 3 wohnen auf der Station im Altenpflegeheim Burghalde. Normalerweise kümmern sich dort Fachkräfte um das Wohl der Bewohner. Auszubildende packen unterstützend mit an. Für eineinhalb Wochen galten nun andere Regeln. Zehn angehende Pflegekräfte haben sich im Früh- und Spätdienst um alles gekümmert, was auf einer Pflegegruppe zu tun ist.
Los geht es morgens um 6.30 Uhr: Erst werden die Medikamente für die Bewohner sortiert und der Tagesablauf besprochen. Wer kümmert sich um welchen Bewohner? Wann wird wer gewaschen? Wer bringt wen zum Frühstück? Wer macht mit welchem Bewohner Toilettengänge? Welcher Pflegebedürftige braucht eine Insulinspritze? Wer kümmert sich um den Müll? Wer bringt die schmutzige Wäsche weg? „Die Auszubildenden sind verantwortlich für den kompletten Ablauf und müssen an alles denken, das geht weit darüber hinaus, sich um die Bewohner zu kümmern", sagte Angela Roller, Pflegedienstleitung im Altenpflegeheim Burghalde.
Die Schüler betreuen auch die Aufnahme eines neuen Bewohners, sprechen mit den Angehörigen, kümmern sich um Bewohner, wenn es diesen schlecht geht und entscheiden, wann ein Arzt hinzu gerufen wird. „Die Kommunikation war anfangs schwierig, bis jeder wusste, was er zu tun hat", erklärt Auszubildende Sonja Ebner. Die Schüler wechseln sich auf den Posten des Schicht- und den Wohnbereichsleiters tageweise ab. Jeder übernimmt mal die Verantwortung und koordiniert die Gruppe sowie die Betreuungsassistenten oder freiwilligen Helfer. „Am Anfang kannte ich die Bewohner noch nicht und musste erst die Namen und Gesichter kennen lernen. Jeden Tag wurde es besser", sagt Pflegeschülerin Andelina Tahiri. Die Bewohner haben den „Personalwechsel" erst gar nicht richtig bemerkt, so Tahiri. „Das ist ein gutes Zeichen."
Die Auszubildenden kommen aus den verschiedenen Pflegeheimen des Diakonievereins: dem Haus am Brunnen, dem Haus an der Schwippe, dem Pflegezentrum Maichingen und dem Pflegeheim Burghalde. Insgesamt hat der Diakonieverein aktuell 20 Schüler. Die Auszubildenden, die am Projekt teilnehmen, sind im ersten, zweiten oder dritten Lehrjahr.
Eineinhalb Wochen die komplette Verantwortung für eine Wohnstation, da lassen die Fachkräfte ihren Nachwuchs natürlich nicht ganz alleine. Ausbildungsmentorin Silvia Wuchner und Marc-Philipp Dinkelacker, stellvertretender Stationsleiter, sind stumme Beobachter. Sie schauen zu und helfen. Allerdings nur, wenn es unbedingt nötig ist. „Ich dachte, es geht chaotischer zu, aber das war nicht der Fall. Die Schüler haben sich jeden Tag verbessert", sagt Silvia Wuchner. Die Situation ist auch ungewohnt für Marc-Philipp Dinkelacker: „Es ist seltsam, nicht mitzumachen, aber ich bin begeistert. Alle sind motiviert und wissbegierig. Die Schüler nehmen sich Zeit für die Bewohner. Das ist ein sehr gelungenes Projekt", sagt Dinkelacker. Die Zahl der Beobachter hat sogar abgenommen. Denn die Schüler kamen gut allein zurecht und wollten das auch. Andelina Tahiri: „Keiner arbeitet gerne, wenn ihm ständig jemand über die Schulter schaut."
Fünf Auszubildende stemmen die Frühschicht, drei die Spätschicht. Die Schüler müssen ihre Arbeit täglich dokumentieren: Wann wurde der Bewohner gewaschen? Gibt es Hautauffälligkeiten? Wie viel hat er getrunken? Wann wurde Insulin gespritzt? Wie sind die Vitalwerte? Außerdem sind die Azubis Ansprechpartner für die Verwaltung, die Küche und die Haustechnik. Den Spaß an ihrem zukünftigen Beruf haben sie dabei nicht verloren. Dorota Rogala: „Ich bekomme so viel zurück. Die Arbeit und die Gespräche haben mich in meinem eigenen Leben viel weiter gebracht. Wir sind ein Ruhepol für die Bewohner und andersherum ist es genauso."
Täglich treffen sich die Auszubildenden zur Reflexion, hier können sie offene Fragen besprechen und sich über den Tag mit ihren Beobachtern austauschen. Die Schüler haben in den eineinhalb Wochen viel gelernt, Arijeta Muqa: „Weil wir auf uns allein gestellt waren, haben wir erfahren, was alles zu den Aufgaben einer Wohnbereichs- und einer Schichtleitung gehört. Die Verantwortung und der Organisationsaufwand ist groß." Sonja Ebner geht es ähnlich: „Man sieht alles aus einem anderen Blickwinkel. Ich überlege künftig sicher öfter, wie ich die Wohnbereichsleiter entlasten kann."
Normalerweise arbeiten weniger Mitarbeiter auf der Station, während dem Projekt profitieren deshalb auch die Bewohner. Sie finden es toll, dass die Schüler viel Zeit für sie haben. „Wir haben keine Langeweile", freut sich Bewohnerin Ernestine Grünke.Im Kreis Böblingen ist der Diakonieverein der einzige Träger, der in seinen Pflegeheimen diese Aktion anbietet. Fortsetzung folgt.
Der Verein will das Projekt wiederholen. Ganz im Sinne der Auszubildenden. Aurora Nicola: „Das Projekt sollte auch länger andauern. Ich wünsche auch anderen Schülern die Möglichkeit, diese Erfahrung zu machen." Das hört die Pflegedienstleiterin, Angela Roller, gerne: „Die Auszubildenden sind uns sehr wichtig, weil das unsere zukünftigen Fachkräfte sind."