Nach mehr als einem Jahr intensiver Arbeit und in enger Abstimmung mit den operativ in der Pflege und Betreuung Tätigen hat das Ethikkomitee des Franziska-Schervier-Seniorenzentrums in Frankfurt einen "Denkanstoß" zum Respekt vor der Autonomie der Bewohner im Altenpflegeheim fertiggestellt.
„Uns war aufgefallen, dass mit dem Autonomiebegriff in der Pflege in den letzten Jahren zunehmend inflationär umgegangen wird", berichtet Bernd Trost, Leiter des Franziska Schervier Pflegeheims in Frankfurt am Main. „Um eine unreflektierte Entwicklung in unseren Einrichtungen zu vermeiden, die dazu führen kann, dass alles und jedes unter Verweis auf die Autonomie der Bewohner rechtfertigt wird, wollten wir ursprünglich für unseren Einrichtungen eine Begriffsdefinition finden, die den Pflegenden zur Orientierung in ihrem täglichen Handeln dienen sollte."
Unter der fachlichen Begleitung von Dr. Gisela Bockenheimer-Lucius, ehemalige Mitarbeiterin des Instituts für Geschichte und Ethik in der Medizin an der Uniklinik Frankfurt und Mitglied des Ethikkomitees des Frankfurter Pflegeheims, näherten sich die Mitglieder des Ethikkomitees zunächst unterschiedlichen Begründungsansätzen in der aktuellen Literatur und Wissenschaft. Dabei wurde klar, dass es im Blick auf die Vielfalt der philosophischen Begründungen einerseits und der Unterschiede in den kulturellen, religiösen und weltanschaulichen Hintergründen der Mitarbeitenden andererseits, kaum möglich sein würde, eine Definition zu finden, der alle zustimmen können. Vielmehr wuchs die Erkenntnis, dass es darum gehen muss, eine Grundhaltung zu beschreiben, welche grundsätzlich den Wert der Autonomie der Bewohner anerkennt und sie nicht durch wohlmeinende Fürsorglichkeit überrollt und manipuliert.
In acht handlungsorientierten Leitsätzen beschreibt das Ethikkomitee in dem Denkanstoß eine Grundhaltung, um die Autonomie der Bewohner im institutionellen Rahmen eines Altenpflegeheimes zu achten, zu fördern und überhaupt zu ermöglichen. Ausdrücklich geht das Komitee dabei auf den Spannungsbogen zwischen der Achtung der Autonomie einerseits und der Verpflichtung zur Fürsorge andererseits ein: „Dabei entlastet dieses Postulat des Bewohnerwillens uns nicht von unserer Fürsorgeverpflichtung ihm gegenüber, sondern fordert uns ganz im Gegenteil zu fürsorglichem, verantwortlichem und reflektiertem Handeln heraus", sagt Trost.
Im Rahmen von Fortbildungen und Workshops mit den Mitarbeitenden, in denen ihnen zum einen die Leitsätze zum Respekt vor der Autonomie vermittelt und sie zum anderen zum Austausch zu ihren Erfahrungen im pflegerischen Alltag eingeladen werden, wird der Denkanstoß seit Ende 2014 in den beiden Frankfurter Einrichtungen der Franziska Schervier Altenhilfe gem. GmbH umgesetzt.