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Flüchtlingspaten

„Auch mit Händen und Füßen kann man kommunizieren"

Flüchtlinge aus Krisengebieten in unsere Gesellschaft zu integrieren, ist eine besondere Herausforderung. Das Evangelische Altenzentrum Hückelhoven hat diese Aufgabe trotzdem angenommen und sich als „Flüchtlingspate" bei der Stadt registrieren lassen. Derzeit betreut die Einrichtung neun aus ihrer Heimat vertriebene Menschen. Ein Erfolgsprojekt, von dem beide Seiten - Bewohner und Asylsuchende - gleichermaßen profitieren. Station24 sprach mit der zuständigen Koordinatorin der Initiative, Monika Kelzenberg, unter anderem über Aufgaben der Flüchtlinge, die Reaktionen der Bewohner und ihr schönstes Erlebnis.
 

Warum engagieren Sie sich als Institution als Flüchtlingspate?
Es ist wichtig, den Flüchtlingen zu helfen. Und letztlich haben beide Seiten etwas davon: Unsere Bewohner fühlen sich Wohl in der Gegenwart der Flüchtlinge und die Ehrenamtler aus dem Ausland können Zeit bei uns verbringen, etwas Sinnvolles tun und sich dabei auch persönlich weiterentwickeln.

Woher kommen die Flüchtlinge, die bei Ihnen arbeiten?
Aus dem Iran, Syrien, Bosnien und Herzegowina und aus Tschetschenien.

Und wie kommen die Flüchtlinge zu Ihnen?
Die Stadt Hückelhoven hat das Projekt „Flüchtlingspaten" ins Leben gerufen. Bewohner können sich melden, wenn sie Flüchtlingen unter die Arme greifen wollen. Und da haben wir als Institution auch nicht lange gezögert und uns als Pate angeboten. Mittlerweile kommt die Stadt sogar ganz konkret auf uns zu. Das heißt, sie fragt uns gezielt, ob wir noch jemanden bei uns im Haus aufnehmen können.

Haben die Ehrenamtler aus den Krisengebieten überhaupt pflegerische Erfahrung?
Diesen Fall hatten wir noch nicht. Aber wir haben das große Glück, eine Ehrenamtlerin aus dem Iran zu haben, die Masseurin ist. Davon profitieren natürlich unsere Bewohner. Sie freuen sich, dass sie regelmäßig von ihr behandelt werden.

Und die anderen Flüchtlinge?
Sie hatten vor Ihrer Ankunft bei uns keine Erfahrungen mit älteren Menschen. Sie treffen hier sozusagen das erste Mal auf sie, gehen mit ihnen zum Arzt, zum Einkaufen oder im Park spazieren. Das klappt richtig gut. Beide Seiten sind sehr dankbar, das die andere etwas für sie tut!  Die Flüchtlinge gehen sehr liebevoll mit den alten Menschen um und geben ihnen ein Stück Geborgenheit. Die Bewohner wiederum fühlen sich gebraucht und helfen den Flüchtlingen, sich in die Gesellschaft zu integrieren und soziale Kontakte aufzubauen.

Da gibt es doch sicher auch Verständigungsschwierigkeiten?
Ja, natürlich. Aber man kann auch mit Händen und Füßen erfolgreich kommunizieren. Auch Wörterbücher sind hilfreich. Wir haben außerdem eine Mitarbeiterin, die sich mit den Flüchtlingen ehrenamtlich einmal in der Woche zusammensetzt und Deutsch lernt. Und sogar die Bewohner übernehmen Deutschlehrer-Funktion. Sie spielen mit den Flüchtlingen zum Beispiel Memory und bringen ihnen so deutsche Begriffe bei.

Das hört sich nach einem friedvollen Zusammenleben an. Gibt es gar keine Vorbehalte?
Nein, die gibt es in der Tat nicht. Die Generation unserer Bewohner hat sehr viel Verständnis für die Situation der Flüchtlinge. Denn manche von ihnen wurden vor vielen Jahren selbst aus dem eigenen Land vertrieben und kamen hierher nach Deutschland. Sie wissen also, wie man sich in so einer Lage fühlt. Vorurteile haben eher die jüngeren Generationen.

Inwiefern profitieren die Flüchtlinge von ihrem Engagement bei Ihnen im Heim?
Viele sagen, dass es zuhause langweilig sei und dass sie froh seien, endlich eine sinnvolle Aufgabe zu haben. Und die Flüchtlinge bekommen sowohl von den Bewohnern als auch von den Pflegekräften auf den Stationen und allen anderen Mitarbeitern die Wertschätzung, die sie verdienen. Aber auch außerhalb unseres Zentrums fallen die Helfer aus dem Ausland durchweg positiv auf. Beispielsweise bekommen sie von der Bevölkerung immer wieder einen „Daumen hoch", wenn sie unsere Bewohner auf den Wochenmarkt begleiten. Das ist eine schöne Geste, die sie trotzt Sprachbarriere verstehen.

Das klingt nach einem wahren Zugewinn für beide Seiten?
Ja, das ist es wirklich. Wir denken aneinander und helfen uns gegenseitig. Es ist immer wieder schön zu sehen, wie spontan unsere Mitarbeiter auf die Hilfsbedürftigkeit der Flüchtlinge reagieren.

Das heißt ganz konkret?
Wenn ein Flüchtling etwas braucht- zum Beispiel Kleidung oder Möbel - spricht sich das in unserem Haus schnell rum und irgendwer kann immer helfen. Vor kurzem ist eine Kollegin zu mir gekommen und hat mir gesagt „Mein Sohn hat eine Haushaltsauflösung. Kannst du eventuell Teile der Einrichtung für die Flüchtlinge gebrauchen?" Oder ein anderes Beispiel:  Einer unserer Flüchtlinge hatte Not, weil seine Frau und sein Kind in einem 25 Kilometer entfernten Krankenhaus waren. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln wäre er 5 Stunden unterwegs gewesen, da wir sehr ländlich wohnen. Aber es dauerte nicht lange und es haben sich Menschen angeboten, die den Fahrdienst übernehmen wollten.

Es entsteht also eine kleine Familie aus Bewohnern, Flüchtlingen und Mitarbeitern. Da scheint es schwer vorstellbar, dass die Ehrenamtler Sie eines Tages wieder verlassen?
Leider ist ihr Aufenthalt bei uns begrenzt. Aber in den meisten Fällen, weil sie sich persönlich weiterentwickelt haben und beispielsweise anfangen zu studieren. Und einige schauen trotz neuer Aufgaben noch regelmäßig im Altenzentrum vorbei.  Denn sie haben während ihrer ehrenamtlichen Arbeit Freundschaften mit Bewohnern oder Pflegenden geschlossen. Das ist einfach schön mitzuerleben!

Was war für Sie als Flüchtlingspatin das schönste Erlebnis?
Da gibt es sehr viele. Generell bin ich und auch unser Geschäftsführer Herr Lowis immer wieder begeistert von dem offenen Umgang und der freundschaftlichen Verbundenheit, die zwischen den Bewohnern und den Flüchtlingen herrscht. Da wird sich gedrückt und angelächelt. Das ist eine wahre Bereicherung für unsere Gesellschaft.

Frau Kelzenberg, herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Johanna Kristen.
 

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