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Interview zum Nutzen von Naturheilmitteln

„Naturheilverfahren stoßen auf hohe Akzeptanz"

Naturheilverfahren sind gut in den Pflegealltag integrierbar und können sich positiv auf die Gesundheit von Pflegebedürftigen und Pflegenden auswirken. Das zeigt eine aktuelle Studie, die das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) in Kooperation mit der Charité und dem Kneipp-Bund kürzlich veröffentlichte. Wir sprachen mit Dr. Ralf Suhr, ZQP-Vorsitzender, wie der Einsatz von Naturheilmitteln sinnvoll in den Pflegealltag integriert werden kann und welche künftigen Entwicklungen in diesem Bereich zu erwarten sind.

Herr Dr. Suhr, Ihre Studienergebnisse haben gezeigt, dass naturheilkundliche Maßnahmen eine sinnvolle Ergänzung bei der Versorgung älterer und pflegebedürftiger Menschen sein können. In Ihrem neuen Ratgeber geht es um den Einsatz solcher Naturheilmittel. Was sind zum Beispiel effektive Naturheilmittel?

Physikalische Anwendungen wie Kalt-Warm- oder Nass-Trocken-Anwendungen, Bewegung, Einreibungen und Massagen stimulieren den Stoffwechsel, das Immunsystem oder das Herz-Kreislauf-System. Maßnahmen, die den Geruchs-, Geschmacks- oder Tastsinn aktivieren, fördern die Wahrnehmungsfähigkeit. Zudem wird der pflegebedürftigen Person in hohem Maße Zuwendung und Aufmerksamkeit entgegengebracht. Die Erfahrung, dass individuell auf die eigenen Bedürfnisse eingegangen wird, kann Hoffnung vermitteln, die Stimmung verbessern, ablenkend, entspannend und vertrauensbildend wirken. Pflanzliche Tees und Arzneimittel entfalten spezifische Wirkungen und können – wenn sie richtig eingesetzt werden – leichtere Beschwerden oft gut und nebenwirkungsarm lindern. Gut belegt ist beispielsweise die schleimlösende Wirkung von Thymian, die durchblutungsfördernde Wirkung von Rosmarin und die beruhigende Wirkung von Lavendel.

Gegen was helfen die Naturheilmittel konkret?
Naturheilkundliche Maßnahmen in der Pflege können unter anderem helfen, den Einsatz herkömmlicher Medikamente bei bestimmten Beschwerdebildern zu reduzieren. Allgemein kann man sagen, dass Anwendungen, die unter das Kneipp-Konzept fallen, gut untersucht sind. Das sind zum Beispiel Wasseranwendungen, Bewegung, gesunde Ernährung, Heilpflanzen oder auch die eigene Lebensordnung. Die Kneipp-Anwendungen können aktiv zur Prävention und Förderung der Gesundheit sowie zur Linderung zahlreicher Befindlichkeitsstörungen in den Bereichen Herz-Kreislauf, Magen-Darm, Nieren-Blase, der Atemwege, des Stoffwechsels, des Bewegungsapparats, der Haut und der Psyche eingesetzt werden.

Auf welche Erfahrungen stützt sich der Ratgeber?
Alle Empfehlungen basieren auf aktuellem pflegerischem und medizinischem Fachwissen, Studien, medizinischen und pflegerischen Leitlinien sowie Erfahrungen ausgewiesener Experten der Charité – Universitätsmedizin Berlin.

Welche Naturheilmittel werden am meisten eingesetzt und warum?
Zahlen über die Anwendungshäufigkeit bestimmter Naturheilmittel existieren nicht. Im Allgemeinen geht es aber um Handlungskonzepte und Methoden, deren Anwendung unterstützend zu den konventionellen schulmedizinisch ausgerichteten Pflegekonzepten empfohlen wird und bei Bewohnern und Pflegefachpersonen von Pflegeeinrichtungen auf hohe Akzeptanz stößt.

Wie können Naturheilmittel in den Pflegealltag integriert werden? Haben Sie praktische Tipps für Pflegende?
Die wichtigste Voraussetzung um Naturheilmittel in der Pflege anzuwenden, besteht in einer guten Wissensgrundlage und einer offenen, positiven Haltung zu der pflegebedürftigen Person sowie den Anwendungen. Wichtig ist auch die Unterstützung der Pflegedienstleitung. Ratsam ist es, Praxistipps von Einrichtungen einzuholen, die bereits Naturheilmittel in ihr Pflegekonzept integriert haben. Hier bietet es sich an, Senioreneinrichtungen zu kontaktieren, die das Kneipp-Konzept bereits systematisch anwenden und ein sogenanntes Kneipp-Zertifikat aufweisen.  Basierend auf den Gesundheitslehren von Sebastian Kneipp hat der Kneipp-Bund e.V. ein naturheilkundliches Gesundheitskonzept „Pflege nach den fünf Elementen" speziell für Senioreneinrichtungen entwickelt.

Was zeichnet das Konzept aus?
Das Konzept ist präventiv darauf ausgerichtet, ältere Menschen für den eigenverantwortlichen Erhalt ihrer Gesundheit sowie ihrer Selbstständigkeit zu aktivieren. Ziel ist es, aus ganzheitlicher Perspektive die körperlichen und geistig-seelischen Funktionen des Menschen zu harmonisieren und seine Widerstandsfähigkeit zu stärken. Nach dem Motto „Kneipp-Anwendungen sind Zuwendungen" werden kneipp‘sche Anwendungen innerhalb der Pflegeeinrichtung konzeptionell in den Pflegealltag integriert. Die Wirkung soll sich dabei nicht nur positiv auf die Lebensqualität der Bewohner von Pflegeeinrichtungen, sondern auch auf die der Mitarbeiter auswirken.

Aber bedeutet der Einsatz von Naturheilmitteln nicht auch einen Mehraufwand für die ohnehin schon am Limit arbeitenden Pflegenden?
Vieles kann ohne zusätzlichen Aufwand integriert werden, so etwa spezielle Einreibungen bei der Körperpflege. Andere Maßnahmen wie Wickel und Auflagen werden ergänzend bei Schmerzen oder Verdauungsbeschwerden eingesetzt und helfen weitere Komplikationen zu vermeiden.

Ist der Einsatz von Naturheilverfahren in Pflegeheimen etabliert oder sehen Sie hier noch Nachholbedarf?
Inwieweit der Einsatz von Naturheilverfahren in Pflegeheimen etabliert ist, lässt sich nicht sicher beantworten. Wir vermuten, dass Naturheilverfahren in der Pflege eher wenig etabliert sind und viele Anwendungen nicht systematisch eingesetzt werden. Allerdings können wir feststellen, dass Naturheilverfahren in der Pflege zunehmend Thema sind und aufgrund der steigenden Nachfrage sowie den Anforderungen an eine präventive, gesundheitsfördernde Pflege noch an Bedeutung gewinnen werden.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Suhr.

Das Interview führte Nadine Millich.


Studie belegt Nutzen
Die Ergebnisse der ZQP-Studie zeigen, dass naturheilkundliche Maßnahmen eine sinnvolle Ergänzung in der Versorgung älterer und pflegebedürftiger Menschen sein können. Laut Studie wurden weniger Bedarfsmedikamente in Kneipp-Seniorenwohnheimen als in anderen Pflegeheimen eingesetzt. Zudem gibt es Hinweise, dass sich herausforderndes Verhalten von demenzkranken Bewohnern mit naturheilkundlichen Maßnahmen reduzieren ließe. Das könnte wiederum das Stressniveau der Pflegenden senken, so die Studieninitiatoren. Die Ergebnisse im Detail sind in Kürze auf der
ZQP-Seite einzusehen.



Praxishinweise für den Pflegealltag
Für pflegende Angehörige hat das ZQP in Kooperation mit der Charité einen
Ratgeber zum Einsatz von Naturheilmitteln in der Pflege entwickelt. Er beinhaltet wichtige Tipps und leicht anwendbare Praxishinweise, wie Naturheilmittel im Pflegealltag genutzt und gesundheitsfördernd eingesetzt werden können.
 

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