Menschen zu versorgen, die unter Schmerzen leiden, ist Teil der täglichen Arbeit von Pflegenden. Grund genug für Fachpfleger David Fitzpatrick vom Caritas Seniorenzentrum Haus am See in Neunkirchen-Nahe, sich für eine bessere schmerztherapeutische Versorgung einzusetzen. Er hat ein Netzwerk von Hausärzten und Fachärzten aufgebaut und koordiniert Maßnahmen im Bereich des Schmerzmanagements.
Herr Fitzpatrick, wo liegen Ihrer Ansicht nach die Gemeinsamkeiten bzw. die Unterschiede bei der schmerztherapeutischen Versorgung in der Klinik, im Altenheim und im ambulanten Bereich?
In einer Klinik lässt sich die schmerztherapeutische Versorgung schneller umsetzen, da die Ärzte greifbarer und die Medikamente vorrätig sind. Im ambulanten Bereich und in der Altenpflege ist es ganz wesentlich, dass die Ärzte bereit sind, Medikamente auch vorausschauend zu verschreiben. So lassen sich Krankenhauseinweisungen, zum Beispiel am Wochenende, vermeiden. Grundlage hierfür ist eine intensive Zusammenarbeit zwischen Pflegenden und Ärzten. Im Vergleich zum Krankenhaus haben wir in der Altenpflege die Möglichkeit, eine engere Beziehung zu unseren Bewohnern aufzubauen. Auf diese Weise können wir ihre Schmerzen besser einschätzen. Auch wenn sie sich nicht mehr verbal äußern können, wie es bei Menschen mit Demenz oft der Fall ist. Eine Gemeinsamkeit im ambulanten und im stationären Bereich ist der Zeitdruck, unter dem Pflegende stehen.
Was sollte im Sinne des Patienten in der Klinik, im Altenheim und im ambulanten Bereich verbessert werden?
Patienten profitieren auch von indirekten Maßnahmen: Vor allem von regelmäßigen Schulungen der Pflegenden und damit verbunden von einer Kompetenzsteigerung der Pflegenden, aber auch von einer stärkeren interdisziplinären Vernetzung und einer besseren Kommunikation zwischen Patienten, Ärzten und Pflegenden. Auf diese Weise kommen wir dem wichtigsten Ziel – einer bestmöglichen Versorgung und Lebensqualität für Patienten sowie Leben in Würde bei weitestgehender Schmerzfreiheit – ein Stück näher.
Wie können diese Verbesserungen in der Praxis erzielt werden? Wo würden Sie Ihrer Erfahrung nach ansetzen?
Grundlegend für eine effektive, schmerztherapeutische Versorgung sind Kenntnisse zur Schmerzerfassung. Hierfür brauchen wir regelmäßige Schulungen. Wichtig ist auch, mit den Ärzten adäquat zu kommunizieren, damit sie die Anliegen der Pflegenden verstehen. Leider ist das in der Praxis nicht immer so. Daher wäre es am besten, Fortbildungsmaßnahmen mit Ärzten und Pflegenden zusammen durchzuführen. Eine besser abgestimmte Verständigung spart auch Zeit. Wenn Pflegende die Ärzte schnell erreichen, können sie direkt zur Schmerzlinderung der Bewohner beitragen. Vorteilhaft ist, mögliche schmerztherapeutische Maßnahmen vorab gemeinsam festzulegen. Schulungen verbessern die Kompetenz der Pflegenden und ermöglichen so auch eine höhere Akzeptanz. Im Idealfall sehen Ärzte Pflegende als ihre Hände, Augen und Ohren beim Patienten. Wenn wir zudem verstehen, wichtige Informationen etwa zur Schmerzstärke und -art dem Arzt prägnant zu vermitteln, erreichen wir sehr viel und die Arbeit macht Spaß. Um dies zu ermöglichen, sollten sich Pflegende, Haus- und Fachärzte, aber auch alle anderen Berufsgruppen, die mit den Bewohnern zu tun haben, regelmäßig austauschen.
Wie kann ein Qualitätsstandard in der Pflege gewährleistet werden?
In unserer Einrichtung haben wir den Expertenstandard „Schmerzmanagement in der Pflege" in das Qualitätsmanagement integriert. Auch hierfür sind regelmäßige Schulungen notwendig. Die Umsetzung wird analysiert, um den Erfolg der Maßnahmen zu kontrollieren. Dabei stimmen wir den Expertenstandard auf die Gegebenheiten vor Ort ab. Zum Beispiel lässt sich die Maßnahme einer edukativen Beratung bei dementen Bewohnern nur schwer durchführen. Ein standardisiertes Vorgehen hilft uns dabei, schnell und selbständig handeln zu können. Etwa indem unsere Beobachtungen dazu beitragen, dass die Dosis des Schmerzmittels frühzeitig der aktuellen Schmerzsituation angepasst wird. Voraussetzung dafür ist eine entsprechende Verordnung des Arztes. Liegt diese für die derzeitige Schmerzsituation des Bewohners nicht vor, halten wir mit dem Arzt Rücksprache.
Welche Aufgaben können von Pflegekräften übernommen werden?
Pflegende können Patienten durch zahlreiche nicht-medikamentöse Maßnahmen, wie Massagen oder Bäder, zu einer Schmerzlinderung verhelfen, auch wenn sie keine Medikamente verordnen dürfen. Hinzu kommen die Beratung und Aufklärung zu Schmerzen bei Patienten und deren Angehörigen sowie im Rahmen von internen Schulungen. Ein wesentlicher Beitrag ist auch die Beobachtung und Dokumentation des Schmerzgeschehens sowie des Therapieerfolges. Pflegende sollten Ärzten die Schmerzsituation eines Bewohners und die eingesetzte Medikation schildern, eigene Vorschläge zur Therapie einbringen und gemeinsam ein Behandlungsziel vereinbaren. So fungieren sie als kompetente Ansprechpartner. In der Praxis kommt es manchmal vor, dass Ärzte die Einschätzungen und Vorschläge von Pflegenden nicht akzeptieren. Wenn sie jedoch eine intensive Zusammenarbeit und den Input der Pflegenden zu schätzen wissen, profitieren beide Seiten davon. Eventuell wirkt sich die vor kurzem umgesetzte Gesetzesänderung positiv aus. Diese hat die Grundlage dafür geschaffen, dass ärztliche Leistungen, wie Schmerzdokumentation und Medikamentenmanagement, auf Anordnung des Arztes von Pflegenden übernommen werden können.
Wie wichtig ist der interdisziplinäre Ansatz bei der schmerztherapeutischen Versorgung im ambulanten Bereich?
Auch im ambulanten Bereich ist die Zusammenarbeit von Pflegenden und Ärzten entscheidend. Ich weiß von Kollegen, dass diese nicht immer einfach ist. Trotzdem sollten sie sich nicht entmutigen lassen und sich immer wieder weiterbilden. Deshalb ist Kommunikation ein wesentliches Element von Fortbildungen im Bereich Schmerzmanagement.
Welche Rolle spielen die Angehörigen?
Einige sind sehr stark in die Behandlung involviert. Sie wissen, welche Medikamente wir einsetzen und geben uns wertvolle Informationen über den aktuellen Zustand des Bewohners. Diese Angehörigen können uns bei der Umsetzung einzelner Maßnahmen unterstützen. Wir schulen sie, zum Beispiel wie sie dem Bewohner professionell und schmerzfrei aus dem Bett helfen. Das setzt allerdings voraus, dass sie das auch wollen. Leider sind nicht alle Angehörigen so engagiert. Angehörige können auch die Compliance der Bewohner beeinflussen – positiv wie negativ. Deshalb ist es wichtig, mit ihnen im Gespräch zu bleiben und zu erklären, warum eine bestimmte Schmerztherapie ausgewählt wurde und wie diese wirkt.
Herr Fitzpatrick, Sie leiten seit 2009 das vom Sozialministerium mitfinanzierte Modellprojekt „Palliative Care". Was ist das Besondere an diesem Projekt?
Es war das Ziel, eine Palliativkultur in unserer Einrichtung einzuführen. Wir haben überlegt, was wir dafür brauchen und welche Auswirkungen dieses Projekt nach außen und nach innen hat. Schnell haben wir festgestellt, dass auch hierfür sehr viel Schulung notwendig ist. Konkret bedeutet das, dass wir den Blick weg von pflegerischen Automatismen, auf das Wohlbefinden der Bewohner richten. Zum Beispiel kann es einzelnen Bewohnern guttun, wenn wir nur eine Teilkörperwaschung machen und die gewonnene Zeit für eine Massage nutzen. Wir gehen auf die Bedürfnisse des jeweiligen Bewohners ein. Ich nenne das die alltägliche Suche nach nicht alltäglichen Lösungen. Dabei streben wir an, kreativ zu sein, Bewohner-orientiert zu denken und zu agieren. Gekoppelt ist dieses Vorgehen an eine höhere Fachlichkeit, um auch kompliziertere Fälle versorgen zu können. Aktuell geht es darum, sowohl unser Wissen zu festigen und weiter auszubauen als auch auf andere Einrichtungen auszuweiten. Um die palliativen Strukturen innerhalb der Altenpflege zu verbessern, führen wir Tagungen mit allen Pflegedienstleitungen unseres Trägers durch. Aktuell organisieren wir eine große Fachtagung im Oktober zum Thema „Palliative Care in der stationären Altenhilfe – Luxus oder Lücke im Versorgungssystem?".
Was wünschen Sie sich für die zukünftige Entwicklung des Projektes „Palliative Care" sowie für die schmerztherapeutische Versorgung allgemein?
Mein Wunsch wäre ein träger- und sektorenübergreifendes Case- und Care-Management für Schmerz- und Palliativpatienten. Damit könnten sie besser durch die komplexen Strukturen des Gesundheitswesens gelotst und an den für sie richtigen Therapiepartner vermittelt werden. Das wäre zum Wohl der Bewohner und würde Zeit und Geld sparen. Wichtig ist mir auch, dass sich die Pflege als Profession weiterentwickelt und mit ihren Kompetenzen ernst und wahrgenommen wird. Bei einem sachlichen, fachlichen Austausch mit anderen Berufsgruppen sollten wir als gleichberechtigte Partner auftreten.
Herr Fitzpatrick, vielen Dank für dieses Gespräch.
Hier erfahren Sie mehr über das Konzept, die Hintergründe und Inhalte der Weiterbildung zur Pain Care Assistant.
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