• Praxis
Umstrittene Entwicklung in der Ausbildung von Kinderkrankenpflegern

„Wir haben große Sorge"

Die Ausbildung von Kranken- und Kinderkrankenpflegern erfolgt seit 2004 nicht mehr getrennt, sondern in der ersten Hälfte der Ausbildung zusammen. Der Fokus liegt dort klar auf der Pflege von Erwachsenen. Darüber hinaus strebt das Bundesgesundheitsministerium in einem künftigen Pflegeberuf-Gesetz an, Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege in der Ausbildung zusammenzulegen. Wir sprachen mit Ruwen Sommer, geschäftsführender Gesellschafter der Kinderkrankenpflege Weser-Ems, was das für die Zukunft der Kinderkrankenpflege bedeutet.

Herr Sommer, was halten Sie davon, wenn der Gesundheitsminister seine Pläne in die Tat umsetzt und es in naher Zukunft eine einheitliche Ausbildung von Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflegern gibt?

Wir sehen diese Tendenzen mit großer Sorge. Die Vorstellung, schwerstkranke Kinder wie alte Menschen zu behandeln oder umgekehrt, ist in der Realität nicht umsetzbar und wird den Patienten nicht gerecht. Die Spezialisierung auf die verschiedenen pflegerischen Fachbereiche gibt es nicht ohne Grund.

Was bedeutet das konkret für die Kinderkrankenpflege?
Für die (ambulante) Kinderkrankenpflege ist es schon immer schwer gewesen geeignetes Fachpersonal zu finden, welches über ausreichend Erfahrungen verfügt, um in der ambulanten Kinderintensivpflege zu arbeiten. Ein Beispiel: Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass selbst frisch examinierte Kinderkrankenpfleger sehr unsicher im Handling von Säuglingen und Kleinkindern sind. In ihrer Ausbildung wird dieses Wissen zwar theoretisch in Infant-Handling-Kursen vermittelt, jedoch in der Praxis zu wenig geübt. Gerade die Kinderkrankenpflege „lebt" vom einfühlsamen Umgang mit Kindern. Wenn in Zukunft keine ausreichende Spezialisierung während der Ausbildung mehr stattfindet, wird es sehr schwer werden für Kinderkrankenpflegedienste wie uns. Wie das dann innerbetrieblich aufgefangen werden soll und wirtschaftlich zu tragen ist, wäre nicht zuletzt auch eine politische Frage.

Wie versuchen Sie, in der Kinderkrankenpflege Weser-Ems dieses Defizit aufzufangen?

Wir arbeiten nach einem Einarbeitungskonzept, das vorsieht, jedem die nötige Sicherheit in den Versorgungen zu vermitteln, die er oder sie braucht. Frisch examinierte Kollegen werden im Schnitt bei jedem zugeteilten Patienten zwei bis drei Wochen eingearbeitet. Zudem haben wir drei Praxisanleiter, die zusätzlich beratend zur Seite stehen. Regelmäßig bekommen wir für vier bis acht Wochen Schüler von Klinik- und Krankenhausschulen, die unsere Praxisanleiter im Berufsalltag begleiten. Während dieser Zeit findet für die Schüler der wichtige Transfer von der Theorie in die Praxis statt. Diese Maßnahmen bedeuten allerdings nicht nur eine Zeitinvestition unserer Mitarbeiter, sondern auch mehrere tausend Euro an zusätzlichen Kosten, die nicht jeder Betrieb stemmen kann. Fachliche Defizite versuchen wir über kontinuierliche Fort-und Weiterbildungen zu beseitigen. Da es problematisch ist, auf die ambulante Pflege zugeschnittene Angebote zu bekommen, arbeiten wir innerhalb der „Qualitätsgemeinschaft Häusliche Kinderkrankenpflege e.V." mit anderen Diensten zusammen. Dabei erarbeiten wir Fortbildungsangebote, die dann für alle interessierten Dienste zugänglich sind.

Was ist das besondere an der Kinderkrankenpflege? Unterscheidet sie sich tatsächlich maßgeblich von der Kranken- und Altenpflege?
In der Tat, ist die Kinderkrankenpflege etwas Besonderes. Die Herausforderung in der Kinderkrankenpflege ist, dass unsere Patienten Kinder sind, die sich in der Entwicklung befinden. Dies geschieht oft langsamer und nicht kontinuierlich, wie bei gesunden Kindern. Dennoch sind diese Prozesse gut zu beobachten, wenn man darauf geschult ist. Diese Entwicklungsschritte müssen gefördert und richtig eingeschätzt werden, um Potenziale bei den Kindern zu entwickeln. In der Altenpflege scheint mir der Prozess genau umgekehrt zu sein. Dort geht es darum, mit den altersbedingten Einschränkungen leben zu lernen.

Ziel der vereinheitlichten Ausbildung soll mehr Flexibilität sein, ein unkomplizierter Wechsel zwischen den Berufen soll erleichtert werden. Das klingt doch eigentlich vernünftig angesichts des Fachkräftemangels, oder?
Mir scheint, dass sich diese Überlegungen nicht daran orientieren, ob sie vernünftig sind oder nicht. Es sind schlicht ökonomische Zwänge, die diese Diskussionen antreiben. Das Wort „Fachkraft" drückt doch aus, worum es gehen sollte: nämlich spezialisierte Kenntnisse im Arbeitsalltag professionell umzusetzen. Die hier genannten Ideen bekämpfen nicht den Fachkräftemangel. Man schafft lediglich die Fachlichkeit ab und glaubt damit sei das Problem gelöst. Das ist natürlich unrealistisch.


Was muss Ihrer Meinung nach getan werden, damit die Kinderkrankenpflege überhaupt noch als solche existieren kann und nicht von einer allgemeinen Pflegeausbildung verschluckt wird?

Ich denke nicht, dass es hilfreich ist, Appelle an die Politik zu richten. Die Gesellschaft muss die Frage beantworten, was ihr gute Pflege wert ist und dahingehend Druck aufbauen. Dabei ist es egal, ob wir über Altenpflege oder Kinderkrankenpflege sprechen. Die pflegenden Berufe müssen eine Aufwertung erfahren, die sich in der Anerkennung der fachlichen Leistungen spiegelt. Neben einer guten Fachausbildung muss dann auch über die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung gesprochen werden. Dies wären meiner Ansicht nach vernunftgetriebene Ideen, die nachhaltig und wirksam wären.


Vielen Dank für das Gespräch, Herr Sommer.

Die Fragen stellte Nadine Millich.

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