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„Begleitung im Krankenhaus" – Damit ein stationärer Aufenthalt für Demenzkranke nicht zur Krise wird

Ein Krankenhausaufenthalt wirft kognitiv eingeschränkte ältere oder demenzkranke Patienten oft vollkommen aus der Bahn: Sie verstehen nicht, wo sie sind und was mit ihnen geschieht. Fremde Menschen und  ungewohnten Abläufe machen ihnen Angst. Die Folge sind Unruhe und Abwehrreaktionen. Das Risiko für Komplikationen steigt und der Genesungsprozess kann negativ beeinflusst werden.

 

Um den besonderen Bedürfnissen dieser Patientengruppe zu begegnen, haben die Universitätsmedizin Mainz und der Malteser Hilfsdienst gemeinsam das in Rheinland-Pfalz einmalige Kooperationsprojekt „Begleitung im Krankenhaus" ins Leben gerufen. Seit Anfang dieses Jahres übernehmen speziell geschulte ehrenamtliche Klinikbegleiter zusätzlich zur regulären Versorgung durch das Klinikpersonal spezielle Aufgaben. Ziel des Projektes ist es, den Klinikaufenthalt für die kognitiv eingeschränkten oder demenzkranken Patienten angenehmer zu gestalten und damit den Genesungsprozess zu begünstigen. Um die Erfahrungen und Erkenntnisse auch für die zukünftige Patientenversorgung nutzen zu können, begleitet die Universitätsmedizin Mainz das Modellprojekt zudem wissenschaftlich. Nach dem ersten Monat ziehen die Kooperationspartner ein erstes positives Zwischenfazit.
 
Für fast jeden Menschen ist ein stationärer Krankenhausaufenthalt eine besondere Situation. Für viele ist sie auch mit Unsicherheit oder gar Angst verbunden. Kontakt mit vielen unbekannten Menschen, Schmerzen, der Wegfall der täglichen Routine – für eine Patientengruppe wirken sich diese Aspekte des Lebens auf Station insbesondere psychosozial gravierend aus: Die kognitiv eingeschränkten älteren oder demenzkranken Patienten. Sie verstehen aufgrund ihrer Einschränkung häufig nicht, dass sie erkrankt sind, sich derzeit im Krankenhaus befinden, und dass sie den Empfehlungen und Anweisungen des pflegerischen und ärztlichen Personals folgen sollten. Verstärkte Orientierungslosigkeit, Angst und Unruhe sind die Folge. So kommt es beispielsweise immer wieder vor, dass Patienten trotz einer frischen Operation selbständig versuchen aufzustehen und nach Hause gehen möchten. Zudem entwickeln sie häufig auch medizinische Komplikationen, die dann wiederum den Versorgungsaufwand erhöhen.
 
Sowohl für die Patienten als auch für die Ärzte- und Pflegeteams ergeben sich daraus besondere Herausforderungen. Das Klinikpersonal muss die kognitiv eingeschränkten älteren oder demenzkranken Patienten sehr engmaschig betreuen und ihre Verhaltensweisen genau überwachen. Zusätzlich zu der medizinischen und therapeutischen Versorgung bedürfen die Patienten ganz besonderer und intensiver Zuwendung.
 
Die psychosoziale Betreuung können die Pflegenden nicht in dem gewünschten Umfang leisten.
Hier setzt das jüngste Kooperationsprojekt von Universitätsmedizin Mainz und Malteser Mainz „Begleitung im Krankenhaus" (BiK) an: Speziell geschulte ehrenamtliche Klinikbegleiter übernehmen seit Mitte Dezember 2014 zusätzlich zur regulären Versorgung durch das Klinikpersonal spezielle Aufgaben: Sie betreuen betroffene Patienten stundenweise auf ausgewählten Modellstationen. Vorlesen, singen, spielen oder einfach nur da sein und ein offenes Ohr haben – jeder Besuch verläuft sehr individuell und ganz nach den Bedürfnissen des Patienten. Ziel der Klinikbegleiter ist es, den stationären Aufenthalt der Betroffenen angenehmer zu gestalten und damit den Genesungsprozess zu begünstigen.
 
Die Qualifizierung für das spezielle Ehrenamt „Klinikbegleiter" erfolgte ab November 2014 durch die Malteser in einer 32 Einheiten umfassenden Schulung. In Theorie und Praxis lernten sie die Bedürfnisse von kognitiv eingeschränkten und demenzkranken Patienten sowie Möglichkeiten für deren Unterstützung kennen. An zwei Vormittagen in der Universitätsmedizin Mainz erfuhren die Klinikbegleiter in spe zudem mehr über die auch für ihre Tätigkeit wichtigen Themenfelder Datenschutz, Hygiene, Brandschutz und Krankenhaus als System. Für beide Qualifizierungsmaßnahmen hatten die Kooperationspartner vorab ein spezielles Curriculum entwickelt. Die Einsatzplanung erfolgt durch hauptamtliche Mitarbeiter der Malteser und der Universitätsmedizin. Letztere begleiten die Einsätze auch. Um der besonderen Aufgabe und Verantwortung aller beteiligten Rechnung zu tragen und die Qualität der Versorgung weiter verbessern zu können, finden sowohl für die Ehrenamtlichen als auch für die Modellstationen regelmäßige Supervisionen statt.
 
„Die Kooperationspartner möchten den betroffenen Patienten ihre Angst nehmen und mehr Orientierung und damit Sicherheit vermitteln. Das zentrale Anliegen der Universitätsmedizin Mainz besteht darin, die Versorgungsqualität weiter zu verbessern", erläutert der Pflegevorstand der Universitätsmedizin Mainz, Marion Hahn. Und ergänzt: „Das Projekt ist ein weiterer wichtiger Baustein unseres Gesamtkonzepts für die Versorgung der von uns behandelten Demenzpatienten. Der erste Schritt war die Gründung der Servicestelle Demenz, die Patienten und Mitarbeitern beratend zur Seite steht und fortlaufend neue Lösungsansätze entwickelt. In der zweiten Konzept-Stufe haben wir ein mehrstufiges Fort- und Weiterbildungsprogramm zum Thema Demenz entwickelt, in welchem wir unser Pflegepersonal spezifischer professionalisieren."
 
Um stichhaltige Erkenntnisse auch für die zukünftige Patientenversorgung zu gewinnen, wird das Modellprojekt unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Andreas Fellgiebel, Leiter Forschungsschwerpunkt „Gesundes Altern und Neurodegeneration, Demenz" an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz wissenschaftlich begleitet. „Uns interessiert, wie wir den Bedürfnissen unserer Patienten am besten gerecht werden können –
und zwar möglichst dergestalt, dass der Belastungsgrad für alle Beteiligten gering ist. Die ersten Wochen dieses Kooperationsprojekts zeigen bereits erste Erfolge. Ich freue mich darauf, diese Erfahrungen wissenschaftlich aufzuarbeiten und mit den daraus resultierenden Erkenntnissen die Versorgungsqualität von kognitiv eingeschränkten Patienten weiter verbessern zu können." Das Projekt ist zunächst bis Ende September 2015 angelegt und wird vom rheinland-pfälzischen Gesundheitsministerium mit rund 21.000 Euro gefördert.
 
Für die Malteser ist das Projekt eine Herzensangelegenheit. „Wir sind schon seit vielen Jahren in der Betreuung von Menschen mit Demenz aktiv. Betroffenen Lebensqualität zu schenken und gleichzeitig Angehörige zu entlasten, ist unser erklärtes Ziel", erklärt Ulf Reermann, Geschäftsführer der Malteser in Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland. Und Friederike Coester, Leiterin des Malteser Demenzdienstes in Mainz, ergänzt: „Unsere ehrenamtlichen Klinikbegleiter sind mit großem Engagement aktiv. Es ist für sie sehr erfüllend mitzuerleben, dass ihr Einsatz dazu beiträgt, den Patienten Ängste zu nehmen und damit Geborgenheit zu vermitteln. Und vielleicht schließen sich andere Krankenhäuser unserem Beispiel an – damit ein stationärer Aufenthalt für Menschen mit Demenz nicht zur Krise wird", so Friederike Coester.
 
Dieser Artikel erschien als Pressemitteilung am 27. Januar 2015. Wir danken dem Malteser Hilfsdienst und der Universitätsmedizin Mainz für die Genehmigung der Zweitveröffentlichung.

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