• Praxis
GCP-Workshop „Die schwierige Wunde, der komplizierte Infekt"

Wunden gehören in Expertenhände

Mehr als 340 Mediziner und Pflegende diskutierten jüngst  beim 25. GCP-Workshop in Berlin über moderne Behandlungsmöglichkeiten von chronischen Wunden in der Chirurgie. Im Rahmen der Veranstaltung fand auch eine Vortragsreihe für Pflegende statt, in der für die Behandlung von chronischen Wunden in Spezialeinrichtungen plädiert wurde.

 

Mit dem Titel „Wundexperten im Einsatz" hatte B. Braun am 30. Januar zu einem Pflegeworkshopim Rahmen des 25. Good Clinical Practice Kongresses in das Langenbeck-Virchow-Haus in Berlin eingeladen. „Wir wollen ein gemeinsames Verständnis von Wunden und den zugrundeliegenden Erkrankungen vermitteln, um gerade auch für die Überleitung in die zunehmende ambulante, interprofessionelle Versorgung von Wunden neue Ansätze zu zeigen", sagte Prof. Dr. Alexander Schachtrupp, Leiter der GCP Veranstaltungsreihe.

Die Wundexperten kritisierten im Workshop, dass die meisten Patienten häufig erst am Ende eines langen Leidensweges in den Wundzentren vorstellig würden. „Chronische Erkrankungen müssen von Spezialeinrichtungen behandelt werden", sagte Dr. Peter Lübke vom Mittelsächsischen Wundzentrum in Leisnig.

Wundpatienten kommen oft zu spät in die Wundzentren, weil die Kommunikation unter den Behandlern nicht stattfindet. Diese Zusammenarbeit kann nach Aussagen des Gefäßchirurgen und Leiter der Wundambulanz in Leisnig nur durch ein strukturiertes Vorgehen in einer Region verbessert werden. Das Wund- und Dekubituszentrum ist an der Klinik angesiedelt. Ein Wundteam kümmert sich um die Wundversorgung auf den Stationen, die Überleitung und die Wundambulanz. Das Krankenhaus-IT-System vernetzt die Stationen des Krankenhauses mit dem Wundteam und die Wundambulanz mit den Hausärzten, Pflegediensten und Wundschwestern.

„Dieses strukturierte Vorgehen führt zu einer hohen Zuweiserquote", erklärte der Gefäßchirurg. 150 Patienten in der Woche stellen sich in der Wund- und Gefäßambulanz der Einrichtung vor. Die Vorteile lägen auf der Hand: „Wir sprechen eine Sprache, die Therapie ist abgestimmt, Sachmittel in der Klinik werden reduziert", fasste der Gefäßchirurg zusammen.


Diabetisches Fußsyndrom

Auch in der Behandlung des Diabetes mit und ohne Diabetischem Fußsyndrom (DFS) ist die Zusammenarbeit in einem Netzwerk aus Diabetologen und Hausärzten sowie Wundexperten unerlässlich, aber immer noch nicht Standard. Die Zahlen sind alarmierend: Fünf Prozent aller Diabetiker haben ein DFS. Jährlich führt dies zu 28.000 Amputationen. „Ein DFS wird begünstigt durch eine schlechte Diabeteseinstellung", erklärte der Diabetologe Dr. Mahmoud Sultan.

Das DFS ist mit einer erhöhten Morbidität und bei amputierten Patienten auch einem höheren Risiko der Mortalität verbunden. „Die meisten Patienten haben neben der Neuropathie eine Angiopathie. Sobald die Durchblutung wieder hergestellt wird, kann man jede Wunde in den Griff bekommen." Bei Patienten mit DFS gehe es im wesentlichen um Ruhigstellung und gezielte Druckentlastung – was sehr aufwändig sei und von Spezialisten durchgeführt werden müsse.

Einmal DFS, immer DFS - jede Läsion am Fuß eines Menschen mit Diabetes mellitus kann zu Komplikationen führen. Das Risiko einer Amputation liegt mit DFS bei 20 Prozent. Deshalb empfiehlt der Diabetologe, spätestens bei Läsionen sofort einen Diabetologen aufzusuchen. Die Wunden können sich entzünden. „Wenn Entzündungszeichen vorliegen oder wenn die Wundheilung verzögert ist beziehungsweise nicht voran geht, dann mache ich einen Abstrich", erklärte der Diabetologe. Um Komplikationen wie ein DFS zu vermeiden oder zu mindern, muss der Patient aufgeklärt und in eine Vorsorge eingebunden werden.


Fragebogen Wound-QoL für Lebensqualität bei Patienten mit chronischen Wunden

Aufklärung und Vorsorge sind laut Kerstin Protz, Krankenschwester und Vorstandsmitglied vom Wundzentrum Hamburg e.V wichtig für den Behandlungserfolg. „Es ist wichtig, den Patienten in einer für ihn verständlichen Sprache aufzuklären. Nur dann kann er besser verstehen und sich entscheiden." Die Frage nach dem „warum" sei besonders wichtig beim Patienten zu Hause. Gerade dort, wo die hygienischen Voraussetzungen nicht denen einer Wundambulanz oder Praxis entsprechen, sei es wichtig, dass die Patienten mitarbeiten. Neben der Hygiene müsse die Aufbewahrung von Materialien, der Umgang mit Haustieren, die Strumpfversorgung, richtige Wickeltechniken und das Schuhwerk sichergestellt werden. Auch einzelne mögliche Veränderungen in der Wunde sollten im Vorfeld besprochen werden.

Die Lebensqualität ist bei chronischen Erkrankungen neben der fachlichen Kompetenz das wichtigste Merkmal für gute Patientenversorgung. „Gerade wenn die Wunde nicht unmittelbar zugeht, hängt die Patientenzufriedenheit immer von den Beeinträchtigungen ab, die die Erkrankung für den einzelnen mit sich bringt", erklärte Protz. Der Expertenstandard „Pflege von Menschen mit chronischen Wunden" beschreibt Geruchs- und Exsudatbelästigung, Schmerzen und dadurch Mobilitätseinschränkungen als Faktoren, die dadurch Einschränkungen der Lebensqualität zur Folge haben.

Aber - so Kerstin Protz - die Lebensqualität werde auch eingeschränkt durch die finanzielle Belastung durch Zuzahlung, soziale Isolation und Abhängigkeit. Zur Erfassung der Lebensqualität können Assessment-Instrumente, wie der Fragebogen „W-QoL", der durch das IVDP  am Universitätsklinikum Hamburg-Eppenorf erstellt worden ist, eine gute Unterstützung sein.


Patienten begleiten

Dass Wundpatienten ganzheitlich behandelt werden müssen, verdeutlichte auch Wund –und Stomatherapeutin Mechthilde Birk vom Kompetenzzentrum in Villingen-Schwenningen. Insbesondere wenn Wunden nicht vollständig verheilten, wie das zum Beispiel in der Palliativversorgung manchmal vorkomme, sei der Beistand über die Wunde hinaus umso wichtiger. Ein Grundpfeiler des Wundmanagements sei das Debridement. „Ohne Debridement kann keine Wunde heilen", betonte Birk. Obwohl diese Regel uralt sei, zeige die Praxis, dass selbst Chirurgen oftmals zu zögerlich seien. Ein erfolgreiches Konzept in der Wundbehandlung ist die VAC-Behandlung, die im Wundzentrum Villingen-Schwenningen immer häufiger ambulant durchgeführt werde trotz der Hemmnisse bei der Kostenübernahme.

Wichtig sei dabei die Zusammenarbeit mit einem in der VAC-Versorgung erfahrenen HomeCare-Versorger. Auch Cast-Verbände bräuchten neben einer guten Indikation einen erfahrenen ambulanten Pflegedienst. „Der Homecare-Versorger muss im Anlegen von Castverbänden vom Klinikpersonal intensiv geschult werden. Die Überleitung muss am Krankenbett erfolgen", sagte Dr. Peter Lübke.


Definiertes Behandlungsziel

Bedingt durch die Komplexität der Wundbehandlung und die Vielzahl der Wundauflagen brauche der Wundtherapeut ein klares Behandlungsziel, denn danach richte sich die Auswahl des Verbandes. „Nehmen Sie selbst den Verband ab und schauen Sie ihn sich genau an, er sagt viel über die Wunde aus", erklärte die Wundexpertin aus Villingen-Schwenningen. In der Wundtherapie müsste bei jedem Verbandwechsel geprüft werden, ob die Wundauflage oder das Konzept geändert werden müsse. „Die beste Wundauflage nützt nichts, wenn sie falsch verwendet oder zum falschen Zeitpunkt eingesetzt wird."


Bei venösen Stauungen ruhig mal an Lymphdrainage denken

Wund- und Lymphdrainagetherapeut Hauke Cornelsen führte in seiner Praxis manuelle Lymphdrainage inklusive Kompressionstherapie durch, mit – wie er sagt – guten Ergebnissen bei Ödemen venösen und lymphatischen Ursprungs. Die Gewebe-Elastizität werde verbessert, das Ödem reduziert und die Schutzfunktion der Haut wieder hergestellt. Jedes Ödem verschlechtere die Mikrozirkulation und sei letztendlich der Grund dafür, dass die Wunde nicht heile. Wichtig sei, am Anfang eine nicht so feste Kompression herzustellen. „Unsere Patienten bleiben am Ball", sagte Cornelsen.

Außerdem sei wichtig, bei Stauungen die Durchblutung und Muskel-Gelenkepumpe zu trainieren. Cornelsen hat ein Behandlungskonzept entwickelt, das eine Nach- und eine Trockenphase, mechanische Wundreinigung, manuelle Lymphdrainage, Wundversorgung sowie begleitende therapeutische Maßnahmen und deren Dokumentation einschließt.


Last but not least: Lokal lieber antimikrobiell als antibiotisch

In der lokalen Wundtherapie spielt die Wundantiseptik eine entscheidende Rolle. Silberionen und Wundspüllösungen mit Polihexanid und Betain können die Keimbelastung reduzieren und sind eine sinnvolle Ergänzung in der Behandlung von Problemwunden im Hinblick auf die zunehmende Einschränkung in der Behandlung mit Antibiotika. Das zeigte Dr. Johannes G. Böttrich aus Melsungen in seinem Vortrag zur Wirkweise von lokalen antimikrobiellen Substanzen.  „Antibiotika, gegen die eine Multi-Resistenz besteht, haben keine Chance gegen Biofilm, ein auf dem Wirkstoff Polihexanid basiertes Präparat aber schon", sagt der Biochemiker.

Das Polymer binde und zerstöre die bakterielle Plasmamembran. Ein Polihexanid mit Betain – wie Prontosan – zeigt, so Böttrich, seine Stärken in der Wundreinigung durch zwei Eigenschaften – zum einen den „Spüli-Effekt" des Betains, der durch das physikalische Wirkprinzip die Aufweichung des Biofilms auch in tiefen Wundregionen unterstützt. Zum anderen verfüge das Polihexanid über eine gute Gewebeverträglichkeit und habe antiseptische Eigenschaften.


Evidenz holt auf

Für Wirkstoffe wie Silberionen zur lokalen antimikrobiellen Wundbehandlung konnte aufgrund des unspezifischen Wirkmechanismus bisher keine klinisch relevante Resistenzentwicklung nachgewiesen werden. Silberionen stellen ein sicheres antimikrobielles Wirkprinzip dar – ohne klinische Relevanz einer Resistenz. Das zeigt sich nach Bewertung der internationalen Studienlage . „Der Einsatz von Silberwundauflagen kann als eine wirksame Therapieoption kritisch kolonisierter, lokal infizierter oder infektionsgefährdeter Wunden angesehen werden", so Böttrich. „Mikrobiologische Studien geben Aufschluss: Polihexanid wirkt sogar gegen gram-negative Bakterien ." Inzwischen zählen beide Wirkprinzipien laut Böttrich zu den „Mitteln der Wahl" im Sinne von Good Clinical Practice.

Es sollten vorzugsweise Produkte mit konservierenden Substanzen, beispielsweise Polihexanid-basiert, eingesetzt werden. Aber: „Erfolgreiche Wundheilung betrifft nicht nur den Einsatz von antimikrobiellen Substanzen, sondern sie ist davon abhängig, dass hygienische Aspekte wie die Versorgung mit sterilen Produkten strikt eingehalten werden", erklärte die Wundschwester Elke Derichs aus Leipzig. Eine Wundreinigung bestehe immer aus Debridement, Wundspülung und Dekontamination. Noch so moderne wundtherapeutische Konzepte und Produkte nützten nichts, wenn sie unter Missachtung der Prinzipien der Asepsis und Antisepsis zum Einsatz kommen.


Tipp: Einwirkzeit versus Einweichzeit von Wundspüllösungen

Es entstand eine rege Diskussion unter den Teilnehmern zum Thema Einwirkzeit und Einweichzeit der Substanzen Prontosan, ein Polihexanid mit Betain, im Vergleich zum Octenidin-Präparat „Octenisept". Für Prontosan empfiehlt der Hersteller B. Braun eine Einweichzeit von 10 bis 20 Minuten, damit das Betain den Biofilm in der Wunde lösen kann. Dies hat nichts mit der antimikrobiellen Einwirkzeit zu tun.

Für Octenisept als Antiseptikum ist eine Einwirkzeit von mindestens 1 Minute bei Wunden angegeben. Diese Einwirkzeit ist ein in-vitro-Wert, der vergleichbar für den antiseptischen Wirkstoff Polihexanid ermittelt wurde.

Die GCP-Veranstaltungsreihe wird ausgerichtet von der B. Braun Melsungen AG, Abteilung Medical Scientific Affairs Corporate, unter Leitung von Prof. Dr. Alexander Schachtrupp und unterstützt von der B. Braun Stiftung und der Aesculap Akademie.
 

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