Die Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care der Uniklinik der RWTH Aachen hat Anfang Januar als erste Klinik in Deutschland das komplette modulare Zertifikat „Intensivmedizin" der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) erhalten. Stationsleiter Thorsten Adrian war am Zertifizierungsprozess direkt beteiligt und beschreibt im folgenden Artikel seine Erfahrungen.
Der Prozess der Zertifizierung begann mit dem Ziel, hohe Qualitätsstandards auf allen sieben Intensivstationen der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care zu etablieren und damit die Versorgung der Patienten zu verbessern. Das Zertifikat „Intensivmedizin" der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) besteht aus einem Zwei-Stufen-Modell, einem Basisteil und neun darauf aufbauenden sogenannten Kompetenzmodulen. Hierzu gehören beispielsweise die Themen Verbrennung, ECMO, Polytrauma sowie Forschung und Lehre.
Geprüft werden unter anderem die personellen Ressourcen sowie die Behandlungsprozesse und -ergebnisse. Jede zertifizierte Klinik muss spezifischen Anforderungen entsprechen. Neben einer 24-stündigen Aufnahme- und Operationsbereitschaft dient etwa die Anwesenheit eines speziell ausgebildeten Facharztes während der Kernarbeitszeit als Kriterium für die Vergabe.
Logische Konsequenz
Die Zertifizierung wurde von unserem Klinikdirektor Universitätsprofessor Gernot Marx initiiert, der innerhalb der DGAI als Sprecher des Arbeitskreises Intensivmedizin fungiert. So war es im Grunde eine logische Konsequenz, das Zertifikat mit allen Zusatzmodulen in unserer Klinik anzustreben. Als Stationsleiter der OIM 4 erfuhr ich Ende 2013 von den Plänen. Ich fand die Initiative von Beginn an sehr gut, da sich damit die Chance bot, die Bedeutung unserer Klinik zu unterstreichen und Abläufe innerhalb der Klinik systematisch zu analysieren.
Als die Pläne zur Zertifizierung Mitte vergangenen Jahres konkret wurden, rief Professor Marx eine Arbeitsgruppe ins Leben, um die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Die Gruppe bestand - neben mir selbst - aus fünf ärztlichen und einem weiteren pflegerischen Kollegen, der die Weaning-Station leitet. Innerhalb des Arbeitskreises, der von Oberarzt Privatdozent Johannes Bickenbach geleitet wurde, versuchten wir, die wesentlichen klinikinternen Prozesse zu visualisieren.
Es stellte sich schnell heraus, dass wir 95 Prozent dessen, was von der DGAI im Rahmen der Zertifizierung gefragt wird, bereits umsetzen - doch nun galt es, dies auch darzustellen. So erfassten wir die Strukturen, Verfahren und SOP´s in einer Excel-Liste und verteilten innerhalb der Gruppe entsprechende Arbeitspakete. Durch diese koordinierte Arbeitsteilung konnte ein besonderes Augenmerk auf die Ermittlung und Bearbeitung von sogenannten blinden Flecken gelegt werden.
Als Stationsleiter der Intensivstation für schwerbrandverletzte Patienten befasste ich mich beispielsweise mit den strukturellen Anforderungen, die im Rahmen des Moduls „Verbrennung" an unsere Station gestellt werden: Gibt es einen beheizbaren Schockraum mit Badewanne und Anästhesie-Arbeitsplatz? Entspricht der Stellenplan den Anforderungen? Existieren Behandlungs- und Pflegestandards und sind diese auf dem neuesten fachlichen Stand? Dies waren Fragen, mit denen ich mich schwerpunktmäßig beschäftigte.
Neuen Einblick gewonnen
Die Zertifizierungsphase begann 2014 und konnte im Januar 2015 erfolgreich abgeschlossen werden. Aus heutiger Sicht kann ich sagen, dass sich die mit dem Gesamtprozess verbundene Arbeit definitiv gelohnt hat und meine Erwartungen voll erfüllt wurden. Dadurch, dass wir sämtliche Strukturen unter die Lupe genommen und dargestellt haben, konnten die Arbeitsabläufe für alle Beteiligten transparent gemacht werden.
Auch ist die interdisziplinäre und einrichtungsübergreifende Kommunikation wesentlich besser geworden. Wenn es heute zum Beispiel zu Problemen mit den involvierten Schnittstellen kommt, weiß ich nun viel besser, wo ich nachfragen muss und wer der richtige Ansprechpartner für mich ist. Auch wenn wir aus meiner Sicht schon immer gute Kommunikationsstrukturen innerhalb der Klinik hatten, konnten diese wesentlich verbessert werden.
Für uns Intensivpflegende ist deutlich von Vorteil, dass alle Standards der einzelnen Intensivstationen im Zuge der Zertifizierung aufeinander abgestimmt wurden. Dadurch arbeiten die Stationen viel einheitlicher als vorher. Durch den interdisziplinären und auch interprofessionellen Ansatz konnten Schnittstellenproblematiken reduziert und teilweise sogar beseitigt werden.
Zusammengefasst gesagt habe ich durch die Zertifizierung einen neuen Blick auf meine Klinik gewonnen und konnte vermeintlich vertraute Abläufe neu kennenlernen. Ich freue mich sehr, dass wir die deutschlandweit erste Klinik sind, die die DGAI-Auszeichnung mit allen Zusatzmodulen erhalten hat. Viel wertvoller ist für mich aber die Tatsache, dass es durch den Gesamtprozess zu einer an den Indikatoren messbaren Qualitätsverbesserung innerhalb der Klinik gekommen ist und wir damit unsere Effizienz weiter steigern konnten. Die damit verbundene Qualitätssicherung ist für mich das reelle Ergebnis.