Seit rund 25 Jahren existiert der Beruf des Operationstechnischen Assistenten. Über die Notwendigkeit wird bis heute kontrovers diskutiert. Mit dem Vorstandsvorsitzenden des Berufsverbandes Operationstechnischer Assistenten, Benny Naukamm, sprachen wir über bisher Erreichtes, künftige Strategien und Schnittmengen mit dem Pflegeberuf.
Herr Neukamm, vor gut zwei Jahren haben Sie den Deutschen Berufsverband Operationstechnischer Assistenten (DBOTA) gegründet. Wie hat sich der Verband seitdem entwickelt? Es ist viel passiert. Der Vorstand musste sich immer wieder neu finden, was vor allem daran lag, dass Vielen nicht bewusst war, dass Verbandsarbeit eine mühevolle, zeitintensive und unentgeltliche Mehrarbeit ist. Mittlerweile hat sich jedoch eine Gruppe von Operationstechnischen Assistenten (OTA) zusammengefunden, die mit vollem Herzblut dabei sind. Nach anfänglichen Schwierigkeiten arbeiten wir heute erfolgreich mit anderen Verbänden zusammen. Hier denke ich vor allem an die Deutsche Krankenhausgesellschaft, den Deutschen OTA-Schulträgerverband und die Deutschen Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste. Wir stehen auch mit internationalen Verbänden im ständigen Austausch.
Wie zufrieden sind Sie mit dieser Entwicklung?
Sehr zufrieden. Die Gründung eines Berufsverbandes für OTA war ein wichtiges Signal für die Berufsangehörigen und ebenso in Richtung des Berliner Politikbetriebs.
Was möchten Sie mit Ihrer Arbeit erreichen?
Unsere Hauptziele sind nach wie vor die bundeseinheitliche Regelung der OTA-Ausbildung und -Prüfung sowie die damit verbundene staatliche Anerkennung als Gesundheitsfachberuf. Aktuell gibt es in unserem Feld drei verschiedene Ausbildungsberufe: Operationstechnische Angestellte, Operationstechnische Assistenten und Medizinisch-technische Assistenten Operationsdienst. Diese müssen in ein einheitliches Berufsbild zusammengeführt werden.
Welches Ziel verfolgen Sie hinsichtlich der bislang ebenso uneinheitlichen Vergütung?
Wir fordern eine leistungsorientierte Vergütung der Auszubildenden und Berufsangehörigen. Mit den Tarifverhandlungen 2016 wurde eine neue Entgeltordnung für den TVÖD VKA verabschiedet, in der erstmals OTA und Anästhesietechnische Assistenten (ATA) als neue Berufe aufgenommen wurden. Damit wurden sie endlich der dreijährigen Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege gleichgestellt. Das war ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Verstehen Sie sich als pflegerischen Berufsverband?
Das kann ich ganz klar mit Nein beantworten. Wir haben kürzlich eine Umfrage in den sozialen Netzwerken durchgeführt. Hierbei hat sich herausgestellt, dass 95 Prozent der Berufsangehörigen der Meinung sind, dass sie einen technischen Beruf ausüben. Somit sind wir zu dem Entschluss gekommen, den OTA-Beruf als medizintechnischen Beruf im pflegerischen Handlungsfeld zu bezeichnen. Das haben wir auch im „Nationalen Ethikkodex für Operationstechnische Assistentinnen und Assistenten", den wir kürzlich fertiggestellt haben und bald veröffentlichen werden, auch so festgeschrieben.
Sie distanzieren sich dalso doch von der Pflege. Ließe sich nicht gemeinsam mit der größten Berufsgruppe im Gesundheitswesen mehr erreichen?
Das mag so sein – Fakt ist jedoch auch, dass die pflegerische Tätigkeit im OP gerade einmal zehn bis 15 Prozent der Arbeitszeit ausmachen. Das haben verschiedene Gutachten ergeben. Verstehen Sie mich nicht falsch, die Parallelen zum Pflegeberuf wollen wir nicht verleugnen. In der Ausbildung zum OTA werden pflegerische Grundkenntnisse theoretisch und praktisch vermittelt – das ist gut und richtig so. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass die OTA-Ausbildung die einzige ist, die spezielle pflegerische Aufgaben in der Endoskopie und Ambulanz vermittelt. Somit sind die Berufsangehörigen hervorragende Fachkräfte in diesen Bereichen. Da spreche ich selbst aus eigener Erfahrung.
Über die Notwendigkeit eines Assistenzberufs im OP wurde lange diskutiert. Fühlen Sie sich mittlerweile in der Pflegeszene anerkannt?
Jein. Wir hatten das große Glück, dass uns die Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste bei der Gründung des DBOTA mit Rat und Tat zur Seite stand. In der Vergangenheit und auch aktuell äußern sich die anderen pflegerischen Berufsverbände leider nicht sehr positiv über unseren Beruf. Auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie wurde beispielsweise vom einem Repräsentanten eines führenden deutschen Pflegeberufsverbandes die Schaffung des OTA-Berufs als Fehler der Vergangenheit bezeichnet. Solch eine verbale Entgleisung verstehen wir als klares Statement. Es zeigt: Anerkannt sind wir noch lange nicht.
Wie sieht es in der Praxis aus: Spüren Sie Konkurrenz in den OP-Sälen zwischen OTA und weitergebildeten Pflegenden?
Nein, ich bin nach wie vor der Meinung, dass beide Berufsgruppen in den OP gehören. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass eine kollegiale Zusammenarbeit beider Berufe gut und sinnvoll ist. Wir tun gut daran, Synergieeffekte zu nutzen.
Der Beruf des OTA ist vor rund 25 Jahren entstanden, um Personalengpässe im OP zu vermeiden. Wie bewerten Sie die Entwicklung des Berufs?
Der Beruf des OTA startete im Jahr 1990 als zweijähriger Lehrgang in Mülheim an der Ruhr. Daraus hat sich ein heute unabkömmlicher dreijähriger Ausbildungsberuf entwickelt, der mittlerweile an über 117 Schulen in Deutschland angeboten wird. Die Entwicklung ist eine Erfolgsgeschichte.
Wann wird es ein OTA-Berufsgesetz geben?
Leider wurde das entsprechende Gesetzgebungsverfahren in dieser Legislaturperiode wieder zurückgestellt. Grund dafür ist geplante Generalisierung der Pflegeberufe.
Wo sehen Sie die größten Hürden, den OTA-Beruf weiterzuentwickeln?
Es ist wichtig, das Gesetzgebungsverfahren in der kommenden Legislaturperiode weiter voranzutreiben und zum Abschluss zu bringen. Es gibt zahlreiche Ideen, wie die Berufe der OTA und ATA weiterentwickelt werden können. In Form von Weiterbildungsangeboten sind diese Ideen schon teilweise Realität. Aus unserer Sicht ist die Öffnung der Hochschulen für OTA und ATA zwingend erforderlich, da sich bereits in der Ausbildung ein Fachkräftemangel abzeichnet. Zudem ist die Evidenzbasierung in unserem Bereich voranzutreiben. Der Studiengang „Medizintechnische Wissenschaften" in Ulm ist hier ein gutes Signal.
Zum Abschluss eine provokante Frage: Gibt es etwas, das ein OTA besser kann als eine OP-Pflegekraft?
Diese Frage stand nie zur Debatte. Beide Berufe sind Experten mit eigenen Kompetenzen. Eine OTA steht einer Pflegefachperson im Operationsdienst in nichts nach. Die zukunftsweisende Frage sollte daher lauten: Wie können wir gemeinsam eine professionelle Patientenversorgung im OP gestalten und vorantreiben?
Herr Neukamm, vielen Dank für dieses Gespräch.