Viele ältere Menschen leiden unter den Spätfolgen von Kriegs- und Gewalterlebnissen. Damit konstruktiv umzugehen, ist für die Pflege eine Herausforderung. Das Verbundprojekt „Alter und Trauma" möchte informieren, sensibilisieren und „Unerhörtem" Raum geben. Auf einer Abschlusstagung in Gelsenkirchen zogen die Projektverantwortlichen nun ein positives Fazit.
Rund 130 Experten aus dem Sozial-, Gesundheits- und Pflegebereich nahmen am 14. September an der Abschlussveranstaltung des Verbundprojektes „Alter und Trauma" im Wissenschaftspark Gelsenkirchen teil. Es wurden neue Ansätze diskutiert, um älteren Menschen zu helfen, die unter Traumafolgen leiden. An dem Verbundprojekt beteiligten sich drei Jahre lang vier Partnerorganisationen aus NRW. Die Begleitforschung hatte das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (DIP) mit Sitz in Köln inne. Das Projekt wurde von der Stiftung Wohlfahrtspflege NRW und dem Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA) des Landes NRW gefördert.
Steffens: Das Thema muss raus aus der Tabuzone
„Das Thema Alter und Trauma muss aus der Tabuzone raus. Wir müssen da einiges nachholen, denn es ist längst bekannt, welche gravierenden Folgen erlebte Gewalt ein Leben lang auf die körperliche und psychische Konstitution hat."
Mit diesen Worten eröffnete NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens die Fachtagung. „Ich wünsche mir, dass das Wissen um Traumafolgen im Alter und die Sensibilisierung jetzt in die Breite geht." Das Wissen solle in der Regelversorgung ankommen, von der Ausbildung bis in die tägliche Praxis – quer durch das gesamte System.
Norbert Killewald von der Stiftung Wohlfahrtspflege sieht den Zeitpunkt dafür als günstig an: „Nachdem das Thema lange Jahre fast totgeschwiegen wurde – bis in die eigenen Familien hinein – erleben wir jetzt, dass die Generation der Kinder bereit ist, das Schweigen zu durchbrechen und sich des Themas anzunehmen. Als Stiftung sind wir sehr zufrieden mit diesem Projektergebnis, denn es ist gelungen, diese Haltung gesellschaftlich voranzubringen."
Projektbilanz kann sich sehen lassen
Zielgruppen des Projektes waren insbesondere ältere Menschen, die unter traumatischen Erfahrungen durch Vertreibung, Krieg und sexualisierte Gewalt leiden. Hartmut Emme von der Ahe, Projektkoordinator von PariSozial Minden-Lübbecke/Herford, ist sich sicher: „Die Ergebnisse des Projekts zeigen deutlich, dass eine behutsame Erinnerungsarbeit mit den Betroffenen möglich ist und dass viele – Angehörige wie Fachleute – diese neuen Wege der Unterstützung und Begleitung kennen lernen wollen."
Die Bilanz des Projektes kann sich sehen lassen: So wurden in Altenheimen und Pflegeschulen, auf Tagungen und in Vortragssälen, in den Medien und in vielen persönlichen Gesprächen zahlreiche Menschen erreicht. Mehr als 10.000 Interessierte konnten über verschiedene Veranstaltungsformen in den vergangenen drei Jahren durch Projektmitarbeiter informiert und beraten werden. Es wurden mehr als 1000 Betroffene konnten intensiver begleitet werden. Vielfältige Ansätze wurden erprobt, darunter der Aufbau regionaler Netzwerke, Gruppen- und Einzelangebote, Konzepte für die Altenhilfe, Erzählcafés, Unterrichtsmaterialien für die Pflegeausbildung und Beratungsangebote online.
Weidner: Kreative und innovative Wege erprobt
Professor Frank Weidner, Leiter der wissenschaftlichen Begleitung vom DIP, hebt hervor: „Es wurden nicht nur sehr kreative und innovative Wege zu den Betroffenen und in Pflegeeinrichtungen erprobt, unsere Begleitforschung zeigt auch, dass dadurch mehr betroffene Menschen erreicht werden und ihnen direkt geholfen werden kann."
Auf der Grundlage der Projektergebnisse konnten nun Empfehlungen für Betroffene und Angehörige, für Pflegedienste und Einrichtungen, für Schulen und Forschungseinrichtungen und nicht zuletzt für die Öffentlichkeit gegeben werden.
Der Abschlussbericht kann als PDF-Datei kostenlos unter auf der Website des DIP heruntergeladen werden.