Rund 240.000 Demenzkranke werden hierzulande mit Psychopharmaka behandelt, obwohl dafür keine entsprechende Indikation vorliegt. Das besagen Berechnungen des Zentrums für Sozialpolitik der Universität Bremen im Auftrag der „Welt am Sonntag“. Wie die Zeitung berichtet, ist der Hauptgrund für die Verabreichung der Arzneimittel in vielen Fällen nicht in erster Linie die Behandlung, sondern die Ruhigstellung der Patienten, für deren Versorgung häufig nicht genügend Personal vorhanden sei. Zudem komme es in manchen Heimen vor, dass Bewohner gezielt vor Besuchen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen ruhiggestellt würden, um die Übernahme in eine höhere Pflegestufe zu erreichen. Auf diese Weise werde auf dem Rücken der Patienten gleich doppelt abkassiert, während gesundheitliche Folgeschäden und sogar eine höhere Sterblichkeit in Kauf genommen würden.
„In diesen Fällen werden die Medikamente nicht verschrieben, um die Leiden der Patienten zu mindern oder ihre Krankheiten wirksam zu behandeln, sondern um Personal einzusparen und den Heimbetreibern höhere Gewinne zu bescheren“, sagte Professor Gerd Glaeske von der Uni Bremen der Zeitung. Er spricht von „chemischer Gewalt“ gegen die Betroffenen, die einer Fixierung mit Gurten am Bett gleichkomme, und von einem flächendeckenden Problem. „Ein Demenzpatient, richtig therapiert und von genügend Fachpersonal versorgt, würde das deutsche Gesundheitssystem 45.000 Euro pro Jahr kosten“, so Glaeske. Etwa 60 Prozent der 400.000 Heimbewohner in Deutschland seien dement. Durch die medikamentöse Ruhigstellung lassen sich laut dem Bericht hingegen Kosten für Personal und Behandlung sparen, während die Arzneimittelkosten nicht den Pflege-, sondern den Krankenkassen in Rechnung gestellt werden.
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