Die Bundesregierung will heute den Entwurf für die Pflegereform von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) verabschieden. SPD-Vize Manuela Schwesig, Gesundheitsministerin in Mecklenburg-Vorpommern, warf dem Minister Flickschusterei vor. Ihr nordrhein-westfälische Amtskollegin Barbara Steffens (Grüne) sprach von einer drohenden Pflegekatastrophe.
„Eine echte Reform setzt einen neuen Pflegebegriff voraus, der neue und gut finanzierte Leistungen zur Folge hat“; sagte Schwesig der „Ostsee-Zeitung“. Stattdessen gebe es geringe finanzielle Verbesserungen für eine kleine Gruppe von Angehörigen Demenzkranker, die hinten und vorne nicht reichten. Bahrs Reform sei kein großer Wurf, sondern reine Kosmetik und ein Tropfen auf den heißen Stein. „Wir brauchen strukturelle Verbesserungen, von denen alle Pflegebedürftigen profitieren“, so Schwesig. Ähnlich äußerte sich auch Steffens. Der Entwurf werde nicht ansatzweise dem gerecht, was Pflegebedürftige, Angehörige, Pflegekräfte, Leistungserbringer und Kommunen dringend bräuchten. „Die Zahl der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen steigt rapide an - ohne durchgreifende Reform fährt der Bund das Pflegesystem vor die Wand. Es droht eine Pflegekatastrophe, von der wir alle betroffen sein“, sagte Steffens in Düsseldorf.
Hauptgründe für das Scheitern der schwarz-gelben Reformpläne sind für Steffens der Verzicht auf einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und die völlig unzureichende Finanzierung. „Dass die Bundesregierung jetzt immer noch nicht bereit ist, die unwürdige standardisierte Minutenpflege durch einen die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt stellenden neuen Begriff der Pflegebedürftigkeit zu beenden, ist schon skandalös.“ Statt die Erkenntnisse des seit fast drei Jahren vorliegenden Berichts des Pflegebeirats endlich zu nutzen, werde eine weitere Expertenkommission einberufen. „Das ist entweder bewusste Verzögerungstaktik oder ein fachpolitischer Offenbarungseid“, so Steffens.
Auch Schwesig kritisierte die Einsetzung einer weiteren Expertenrunde und warf dem Bundesgesundheitsminister vor, damit verdecken zu wollen, dass es längst einen fertigen Pflegebedürftigkeitsbegriff gebe. Zwar koste das darauf basierende System mit mehr Pflegestufen mehr Geld. Dies sei aber dringend notwendig, weil auch die Angehörigen besser unterstützt werden müssten. Bahrs Entwurf stelle 1,2 Milliarden Euro für 2,4 Millionen Pflegebedürftige zur Verfügung. Das mache fünf Euro pro Person aus.