Krankenhäuser und Ärzteschaft haben mit heftiger Kritik auf die gestern vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) vorgestellte Studie zu sogenannten „Fangprämien“ reagiert. Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und Bundesärztekammer zweifelten die Datengrundlage der Auswertung an und warfen dem Kassenverband unlautere Motive vor. Der Klinikverbund Hessen wertete die Ergebnisse auch als Beleg für die schwierige Finanzlage der Krankenhäuser und die noch immer falschen Anreize im System.
Der GKV-Spitzenverband hatte die von der Uni Halle-Wittenberg und dem Meinungsforschungsinstitut TSM Emnid erstellte Studie gestern auf einer Pressekonferenz vorgestellt. Demnach soll jede vierte Klinik und nahezu jeder zweite nicht-ärztliche Leistungserbringer seine Patienten gegen Geld oder wirtschaftliche Vorteile zuweisen. Die sogenannten Zuweiser- oder Fangprämien sind illegal und hatten bereits vor gut zwei Jahren im Zentrum einer hitzigen gesundheitspolitischen Debatte gestanden.
„Wenn von 153.000 Ärzten gerade einmal 64 Einschätzungen abgeben, dann ist es absolut böswillig, daraus den Schluss zu ziehen, dass 27.000 niedergelassene Ärzte gegen das Gesetz verstoßen“, sagte DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum gestern in Berlin. Auch die Zahlen zu den befragten Kliniken seien statistisch irrelevant. „Die Krankenkassen verdächtigen und verurteilen auf unseriöser Datenbasis Ärzte und Krankenhäuser. Das weisen wir auf das Schärfste zurück.“ Statt sich in übler Nachrede zu ergehen, solle der Spitzenverband endlich seiner Verantwortung für die Patientenversorgung gerecht werden.
Auch Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery hatte dem GKV-Spitzenverband vorgeworfen, mit der zeitgleich zur Eröffnung des Deutschen Ärztetages veröffentlichten Studie „eine Skandalisierung des ärztlichen Berufsstandes“ initiieren zu wollen. Seriös wäre es seiner Ansicht nach gewesen, die Verdachtsfälle umgehend den zuständigen Ärztekammern zu melden, um eine sachliche und berufsrechtliche Überprüfung und gegebenenfalls ein Berufsgerichtsverfahren einleiten zu lassen. Stattdessen ergingen sich die Kassen lieber in pauschalen Verdächtigungen und nebulöse Anschuldigungen. „Ihnen geht es um eine Diffamierung der Gesamtärzteschaft, nicht um Sachaufklärung und schon gar nicht um Verbesserungen“, so Montgomery. Ob sie damit ihrem gesetzlichen Auftrag nachkämen, dürfe mehr als bezweifelt werden.
Zweifel an den Ergebnissen der Studie äußerte auch der Klinikverbund Hessen. Geschäftsführer Arist Hartjes sprach aber auch von einem Beleg für die schwierige finanzielle Situation im Gesundheitswesen, „wenn sich dessen Leistungserbringer womöglich gezwungen sehen, zu einem solch fragwürdigen Verhalten zu greifen“. In diesem Zusammenhang kritisierte er eine kürzlich von der Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB) erhobene Forderung, das Bundeskartellamt müsse strenger über Fusionen auf dem Krankenhausmarkt wachen. Es gehe nicht an, dass Krankenhäuser von der Politik immer wieder aufgefordert würden, sich zu spezialisieren, effizienter zu arbeiten, mehr Kosten einzusparen und stärker mit dem ambulanten Sektor zu kooperieren, entsprechende Ansätze bei der Zusammenarbeit von Krankenhäusern dann aber, wie in der jüngeren Vergangenheit mehrfach geschehen, vom Bundeskartellamt eingeschränkt würden. Im Grundsatz stimme der Klinikverbund der Forderung des MB nach Trägervielfalt aber voll und ganz zu. „Dafür muss aber die Krankenhausfinanzierung endlich auf solide Füße gestellt werden“, so Hartjes.