Der GKV-Spitzenverband hat den Krankenhäusern vorgeworfen, aus wirtschaftlichen Gründen teilweise unnötige Leistungen zu erbringen. Der scheinbar unaufhaltsame Anstieg von Fallzahlen und abgerechneten Schweregraden lasse sich nur teilweise mit der demografischen Entwicklung erklären, wie ein Gutachten des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) zeige. „Vieles deutet darauf hin, dass in den Kliniken aufgrund ökonomischer Anreize medizinisch nicht notwendige Leistungen erbracht werden“, sagte Verbandsvize Johann-Magnus von Stackelberg heute in Berlin. „Mann muss immer mehr aufpassen, dass man nicht unters Messer kommt“, formulierte es Wulf-Dietrich Leber, Leiter der Abteilung Krankenhäuser im Spitzenverband, gestern auf einer Pressekonferenz.
Anfang Mai hatte bereits Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) die steigenden Fallzahlen beklagt und politisches Gegensteuern angekündigt. Deutschland gelte als Weltmeister bei Endoprothesen für Knie und Hüften, obwohl Krankenkassen und Experten die Notwendigkeit vieler Eingriffe bezweifelten. Er hatte daraufhin heftigen Gegenwind vonseiten der Kliniken und Ärzte, aber auch aus Opposition und dem eigenen Koalitionslager geerntet.
Spitzenverbandsvize von Stackelberg sprach sich heute für eine kurzfristige Stabilisierung von Preisen und Mengen sowie mittelfristig für neue Modelle zur Mengensteuerung insbesondere im Bereich planbare Eingriffe aus. „Es muss das gemeinsame Anliegen der Kliniken, der Patienten und der Krankenkassen sein, das die Anreize für medizinisch nicht notwendige Operationen gemindert wird“, sagte er. Gestern Abend hatte der Spitzenverband der gesetzlichen Kassen das eigens in Auftrag gegebene RWI-Gutachten vorgestellt. Danach steigt die Leistungsmenge, der sogenannte Casemix im DRG-System, seit Einführung der Fallpauschalen jährlich um etwa drei Prozent an. Schon die Begleitforschung zur DRG-Einführung habe aber gezeigt, dass weniger als die Hälfte davon auf die Alterung der Bevölkerung zurückzuführen sei. Daraus folgert der Verband, dass Kliniken einen Teil der zusätzlichen Leistungen allein aus ökonomischen Gründen erbringen.
In diesem Zusammenhang begrüßte der Verband die im Rahmen des Psych-Entgeltgesetz geplanten Mehrleistungsabschläge für die Krankenhäuser. Sie könnten kurzfristig den Anreiz zu wirtschaftlich sinnvollen, aber medizinisch nicht notwendigen Leistungen reduzieren. Allerdings fehle eine wirkungsvolle Begrenzung der Preise, weshalb sich steigende Mengen für die Kliniken weiter lohnten. Zudem warnte von Stackelberg davor, dass zum „Mengenproblem“ durch die in diesen Tagen vielfach geforderte Scharfstellung des Orientierungswertes und die Refinanzierung der Tarifsteigerungen in den Krankenhäusern „nicht auch noch ein Preisproblem“ und somit eine weitere Verstärkung des Anreizes für größere Mengen kommen dürfe.