Der Sozialpädagoge und Pflegekritiker Claus Fussek hat sich für die Umschulung von ehemaligen Schlecker-Mitarbeiterinnen zu Altenpflegekräften ausgesprochen. Mit ihrer Lebenserfahrung und der Verantwortung, die sie in den Filialen getragen hätten, verstehe er nicht, warum ein Wechsel nicht infrage kommen sollte. Zudem könne auch die Pflege insgesamt davon profitieren, weil viele der ehemaligen Schleckerbeschäftigten gelernt hätten, für ihre Rechte zu kämpfen und sich stärker gewerkschaftlich zu organisieren. „Die wissen, wie das ist, wenn man während der Arbeit keine Zeit hat, auf die Toilette zu gehen“, sagte Fussek der „Süddeutschen Zeitung“.
Grundsätzlich sieht Fussek kein Problem in der Umschulung von Menschen aus anderen Bereichen. Gegenüber der Zeitung kritisierte er vielmehr, dass heute zu viele Menschen in der Pflege arbeiteten, „die in einem Tierpark keine Anstellung finden würden“. Gebraucht würden sozial kompetente, verantwortungsbewusste, freundliche und höfliche Menschen, was aber bei vielen nicht der Fall sei, weil Fachkräften fehlten, an Altenpflegeschulen wegen des Personalmangels praktisch jeder Bewerber genommen würde und auch von den Jobcentern Leute geschickt würden, die als allerletztes in die Altenpflege gehörten. Zusätzlich würden von Politik und Arbeitgebern noch ausländische Pflegende geholt, ohne kulturelle und sprachliche Probleme zu berücksichtigen.
Auch darum sei das Image der Altenpflege in weiten Teilen am Boden. „Das aber nicht, weil es selbstverständlich auch großartige Pflegekräfte und gute Heime gibt, sondern weil wir längst einen Pflege-Gau haben“, sagte Fussek der Zeitung. In vielen Heimen sei es normal, dass zwei Pflegekräfte 30 Bewohner betreuten. „ES kann doch keine gute Pflege sein, wenn alte Menschen wegen Personalmangels angebunden oder mit Psychopharmaka ruhiggestellt werden.“ Die Beschäftigten in sämtlichen Sozialberufen müssten sich darum dringend solidarisieren und für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen. Gelänge es, sich zu einer starken Gewerkschaft zusammen zu schließen, könnte diese mächtiger sein als Fluglotsen und Lokomotivführer. Stattdessen seien die Berufsverbände heillos zerstritten und jammerten die Arbeitgeber, allen voran Wohlfahrtsverbände und kirchliche Träger, über den Pflegekollaps, sorgten aber nicht für eine bessere Bezahlung, sondern fingen etwa an, billige Leiharbeitskräfte einzusetzen. „Pflege ist ein äußerst intransparentes Milliardengeschäft, bei dem leider das Geld weder bei den Patienten noch bei den Pflegekräften ankommt“, so Fussek.