Ärzte am Uniklinikum Marburg verwenden mehr Zeit auf die Krankenversorgung und weniger auf Forschung und Lehre als dies im Stellenplan vorgesehen ist. Das geht aus einer Pilotuntersuchung im Fachbereich Medizin der Philipps-Universität Marburg hervor. Wie das Dekanat gestern mitteilte, hatten in drei Kliniken alle dort beschäftigten Mediziner eine Woche lang schriftlich erfasst, wie viel Zeit sie tatsächlich für Forschung und Lehre tätig sind. Danach seien die Soll-Zeiten für Forschung und Lehre in allen drei Kliniken um mindestens 20 Prozent unterschritten worden. Die Geschäftsführung des privatisierten UKGM wies die Untersuchungsergebnisse als nicht aussagekräftig zurück und beklagte den Zeitpunkt der Veröffentlichung.
„Die Ergebnisse sind schlimmer als erwartet“, sagte Dekan Matthias Rothmund. Als Konsequenz habe das Dekanat beschlossen, die Erhebung auf den gesamten Fachbereich auszudehnen. Zudem werde er um Korrekturen in der Arbeitszeitabrechnung bitten, sollten sich die Ergebnisse für die gesamte Marburger Unimedizin bestätigen. Es gehe um eine Differenz von mehr als zwei Millionen Euro pro Jahr.
Die Geschäftsführung des privatisierten Uniklinikums Gießen und Marburg (UKGM) reagierte mit „Befremden“ auf die Veröffentlichung. man sei gerade dabei, sich auf Sachverständige zu einigen, die den Kooperationsvertrag zwischen Universität und Klinikum weiterentwickeln sollten, um die Kosten für die Patientenversorgung einerseits und Forschungs- und Lehrtätigkeit andererseits noch besser und präziser den beiden Trägern zuordnen zu können. Vor diesem Hintergrund sei das Vorgehen des Dekanats kontraproduktiv.
„Wir kennen die Methode nicht und das Ergebnis ebenso wenig. Auch hat kein Gespräch zwischen Klinikleitung und Dekanat zu dieser ‚Studie‘ stattgefunden“, sagte der Vorsitzende der UKGM-Geschäftsführung Martin Menger in einer Stellungnahme. Er wisse nur aus der Pressemitteilung der Uni, dass drei von über 40 Kliniken und Instituten des Marburger Standortes eine Woche lang angeblich untersucht worden seien. „Eine solche Erhebung kann nicht repräsentativ sein.“ Dazu müsse die Klinik als Ganzes betrachtet werden und etaw Dienstplan- und Organisationsfragen genauso einbezogen werden wie Urlaube, Fehlzeiten wegen Krankheit und Fortbildung, Überstunden und vieles mehr. Eine von 52 Wochen könne auf keinen Fall eine solide Grundlage ergeben.
Zudem entstünden allein durch die Nutzung von Klinikräumen jährliche Kosten im zweistelligen Millionenbereich, die eindeutig dem Segment Forschung und Lehre zuzuordnen seien. „Das öffentliche gegenseitige Aufrechnen hilft aber nicht weiter und nutzt weder dem Universitätsklinikum noch der Universität“, sagte Menger.