Im Honorarstreit zwischen niedergelassenen Ärzten und gesetzlichen Krankenkassen wollen die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und ihr Dachverband auf Bundesebene ab heute erste „Nadelstiche“ setzen. So sollen die Mediziner in ihren Praxen formlose Anfragen der Versicherer nicht mehr schriftlich beantworten, Telefonate mit Kassenmitarbeitern nur noch vor acht Uhr morgens oder nach acht Uhr abends führen und Bonushefte der Patienten nicht mehr abstempeln. „Diese Maßnahmen treffen den größten Verursacher von Bürokratie in den Praxen“, sagte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Andreas Köhler. Für die kommenden Wochen hätten KVen und KBV „ein breites Potpourri an gestaffelten Aktionen“ geplant. Zudem sagte Köhler die Unterstützung der Vereinigungen für eventuelle Streiks und Praxisschließungen zu. Bis zum Mittwoch lassen die freien Ärzteverbände darüber urabstimmen.
Ärztefunktionäre drohen nach der vom Bewertungsausschuss festgesetzten Honorarerhebung von 0,9 Prozent in der ersten Stufe mit bundesweiten Protesten „nicht bekannten Ausmaßes“, sollten die Kassen nicht nachbessern. Ärztepräsident Frank-Ulrich Montgomery beklagte, nach jahrelangen Nullrunden müsse es endlich einen Ausgleich für die Ausgabensteigerungen der vergangenen Jahre geben. Berechnungen des Statistischen Bundesamtes zufolge sind die Honorare der Mediziner seit 2007 hingegen berufsgruppenübergreifend um 16 Prozent gestiegen, berichtet der „Spiegel“ heute.
Bundesgesundheitsminister Bahr (FDP) rief die Ärzte heute zur Besonnenheit auf. „Es ist ein übliches Scharmützel, dass man auch mit Aktionen seine Position stärkt“, sagte er in Berlin vor einer Präsidiumssitzung seiner Partei. Beide Seiten hätten aber ein großes Interesse daran, zu beweisen, dass sie gute Verhandlungen führen und zu einem Ergebnis kommen könnten. Ein Scheitern käme einem „Armutszeugnis der Selbstverwaltung“ gleich.
Unterdessen sind die geplanten „Nadelstich“-Aktionen heute nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa noch nicht auf breiter Basis angelaufen. Zumindest lägen den Verbänden noch keine Informationen über größere Proteste vor.