In der Urabstimmung über mögliche Ärztestreiks hat sich eine deutliche Mehrheit von 75 Prozent für Praxisschließungen und ähnliche Aktionen ausgesprochen. Das teilten die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der NAV-Virchowbund heute in Berlin mit. Allerdings beteiligte sich nur knapp die Hälfte der angeschriebenen Mediziner überhaupt an der Abstimmung, zu der rund 30 ärztliche Berufsverbände aufgerufen hatten. Damit scheint sich die Uneinigkeit innerhalb der Ärzteschaft zu bestätigen über weitere Schritte im laufenden Honorarstreit mit der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Während die Spitzen von KBV und Bundesärztekammer bereits in den vergangenen Tagen mit einem Arbeitskampf bislang ungekannten Ausmaßes gedroht hatten, werden mittlerweile auch gemäßigtere und kritische Stimmen laut.
So rief etwa der Verband Demokratischer Ärztinnen und Ärzte heute zur Mäßigung auf. Angesichts der guten Einkommenssituation der Mediziner schade die gegenwärtige Debatte dem Berufsstand. Ungeachtet des Ergebnisses der Urabstimmung kündigten die Ärztegenossenschaft, die Kassenärztliche Vereinigung (KV) und der Hausärzteverband in Schleswig-Holstein heute an, nur als allerletztes Mittel zu Praxisschließungen zu greifen. Dies sei momentan aber nicht absehbar, sagten Vertreter der Deutschen Presse-Agentur. Der Konflikt mit den Krankenkassen solle nicht auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werden. Auch ein Sprecher der KV in Thüringen äußerte sich gegenüber der Nachrichtenagentur zurückhaltend. Momentan gebe es keinen Streikaufruf. Über eventuelle Protestmaßnahmen würden die rund 3.200 Kassenärzte im Freistaat an diesem Wochenende beraten.
In einer repräsentativen Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach hatten im vergangenen September 79 Prozent der niedergelassenen Ärzte in Deutschland ihre wirtschaftliche Lage als gut oder sehr gut beurteilt. In die Honorarverhandlungen warn die Verbände mit Forderungen nach elf Prozent oder 3,5 Milliarden Euro mehr Geld gezogen. Im Bewertungsausschuss hatte ihnen der Vorsitzende Jürgen Wasem aber nur ein Plus von 0,9 Prozent oder 270 Millionen Euro zugesprochen. Dagegen laufen die Mediziner seither Sturm.