In Bayern hat der Gesundheitsausschuss des Landtags vergangene Woche die Argumente für und gegen die Einrichtung einer Pflegekammer erörtert. In der Expertenanhörung sprachen sich der Deutsche Pflegerat (DPR), die Bayerische Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Pflegeberufe (Bay.Arge) sowie Hochschulen mit Pflegestudiengängen für das Selbstverwaltungsorgan als Instrument zur Stärkung und Einigung der Pflegeberufe aus. Ihnen gegenüber standen Vertreter von Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden und Trägern der Pflegeeinrichtungen, die den Nutzen einer Kammer bestritten. Seinen juristischen Segen erteilte in der Anhörung indes der Professor des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Sozialrecht der Universität Kiel Gerhard Igl. Verfassungsrechtlich spreche nichts gegen die Einrichtung einer Pflegekammer, deren Aufgaben auch nicht mit denen der Gewerkschaften kollidierten.
DPR-Präsident Andreas Westerfellhaus betonte das Mobilisierungspotenzial einer Kammer angesichts der immensen gesamtgesellschaftlichen Herausforderung in der Pflege, die nur mit vereinten Kräften zu meistern sei. In einem offenen Brief hatten sich vorab bereits die Professoren bayerischer Hochschulen, an denen Pflegestudiengänge angeboten werde, für eine Kammer ausgesprochen. Trotz ihrer Größe fehle der Berufsgruppe bislang noch eine eigene Interessenvertretung, sagte der in der Anhörung anwesende Professor der Katholischen Stiftungshochschule München Johannes Kemser. Bay.Arge-Vizechefin Irene Hößl nannte die Kammer alternativlos, wenn die Pflege in Bayern nachhaltig gestärkt werden solle. Anders als Ärzte oder Apotheker fehle der Pflege bislang die gemeinsame Stimme zur Mitgestaltung im Gesundheitswesen.
Eine Kammer könnte nach Hößls Ansicht zudem die Lücke in der Qualitätssicherung schließen, Fort- und Weiterbildungen einheitlich regeln und auch als Schiedsstelle für Bürgerinnen und Bürger dienen. „Sie bietet außerdem Beratung für Berufsangehörige bei juristischen, fachlichen und berufspolitischen Belangen“, sagte Christa Schwantes vom Förderverein für eine Pflegekammer im Freistaat. Sie hält eine Kammer für absolut zeitgemäß und traut ihr zu, einen großen Teil der Probleme im Pflegebereich lösen zu können.
Als unzeitgemäß hatte zuvor Dominik Schirmer von Verdi Bayern eine Kammer bezeichnet. Sie könne das grundsätzliche Problem der strukturellen Unterfinanzierung der Pflege nicht lösen. Auch die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege sprach der Kammer einen praktischen Nutzen ab und bezeichnete zudem die Zwangsmitgliedschaft als problematisch. Für die Stärkung der vorhandenen Strukturen und gegen den Aufbau einer Doppelstruktur plädierten der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste und der Paritätische Landesverband.
Zuspruch erhielten die Befürworter einer Pflegekammer in der Anhörung nach eigenen Angaben von Grünen und CSU. „Die Pflege ist fremdbestimmt und zersplittert, bei einer Kammer hätte sie eine stärkere Stimme“, wird die Gesundheitsexpertin der Grünen Christine Schopper in einer gemeinsamen Pressemitteilung von DPR, Bay.Arge und Förderverband zitiert. Sie wünsche sich für die Pflege eine ähnliche Möglichkeit der Einflussnahme auf die politische Debatte wie die Ärzte sie mit ihrer Bundeskammer hätten. Auch die CSU-Politikerin Christa Stewens glaube, dass sich durch eine Pflegekammer einiges ändern würde. „Die Ärztekammer spricht ein mächtiges Wort, aber es gibt keine Gegenstimme in Form einer Pflegekammer, um die Interessen zu vertreten“, wird sie zitiert. Sie glaube, dass Pflegende in den Krankenhäusern bislang nicht mit dem gleichen Respekt behandelt würden wie die Mediziner.