Die Diakonie in Hessen hat die aktuelle Diskussion um die Versorgung pflegebedürftiger Senioren aus Deutschland in ausländischen Einrichtungen als absurd und menschenunwürdig bezeichnet. Die „Scheindebatte“ diene dazu, die Verantwortung den Altenhilfeeinrichtungen zuzuweisen, während es die Politik sei, die jahrelang versäumt habe, die steigenden Pflegekosten durch erhöhte Zahlungen der Pflegeversicherung aufzufangen, sagte der Vorstandsvorsitzende der Diakonie Kurhessen-Waldeck (DWKW) Horst Rühl, der zugleich auch Vorstandsmitglied der im kommenden Jahr aus der Fusion der DWKW mit der Diakonie in Hessen und Nassau hervorgehenden Diakonie Hessen ist.
Unter der Verhandlungsmacht der Krankenkassen habe sich der Wettbewerb in der Altenpflege immer mehr verschärft, und die Pflegeversicherung werde ihrem Auftrag längst nicht mehr gerecht, die Pflege im Bedarfsfall sicherzustellen und bezahlbar zu halten, sagte Rühl gestern in Frankfurt am Main. „Dies aber sind politisch und strukturell verursachte Probleme.“ Gute Pflege habe ihren Preis. Daher müsse der Anteil der Pflegeversicherung für die Finanzierung der Einrichtungen leistungsgerecht angehoben werden. „Nur so kann die Höhe der Zahlungen, die die Pflegebedürftigen selbst leisten müssen, in Grenzen gehalten werden.“
Auch der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) forderte gestern ein Ende der „gespenstischen Debatte über Billigpflege im Ausland“. Statt über eine günstigere Versorgung im Ausland zu spekulieren, gelte es, bedarfsgerechte Angebote in der Region zu unterstützen. „Wer vorschlägt, anstatt einer qualifizierten Versorgung in einem deutschen Pflegeheim betroffene schwer pflegebedürftige Menschen in den letzten Monaten ihres Lebens ‚wegen der niedrigeren Abeitskosten‘ nach ‚Osteuropa, Spanien oder Thailand‘ zu bringen, hat offensichtlich nicht die leiseste Ahnung von diesem sensiblen Thema“, sagte bpa-Präsident Bernd Meurer. Dies sei auch ethisch ein nicht nachzusehender Fehltritt. „Die Debatte über derartige Absurditäten gehört sofort eingestellt.“ Statt der Billigpflege im Ausland fordert der bpa Maßnahmen zur qualifizierten Zuwanderung von Pflegefachkräften, „ohne überzogene Anforderungen an diese“. Es sei zynisch, wenn einwanderungswilligen Fachkräften kein Jahr Zeit gelassen werde, die deutsche Sprache zu erlernen, aber den pflegebedürftigen Menschen ein Aufenthalt in völlig fremder Umgebung zugemutet werde.