Die Gewerkschaft Verdi hält den Umstieg in eine Pflegevollversicherung statt der gegenwärtigen Teilkostenversicherung für umstandslos finanzierbar. In einem von der Dienstleistungsgewerkschaft in Auftrag gegebenen Gutachten kommt der Osnabrücker Gesundheitsökonom Markus Lüngen zu dem Ergebnis, dass schon eine Beitragssatzanhebung von unter einem Prozentpunkt ausreichen würde, um die notwendigen zusätzlichen Finanzmittel von rund 13,25 Milliarden Euro im Jahr aufzubringen. Damit lägen erstmals belastbare Zahlen zum Finanzierungsbedarf einer Vollversicherung vor, teilte Verdi heute anlässlich der Vorstellung des Gutachtens in Berlin mit.
Das bisherige Konstrukt einer Teilkostenversicherung mit der künftigen Ergänzung um eine private kapitalgedeckte Zusatzabsicherung nutzt aus Sicht der Gewerkschaft nur Menschen mit hohen Einkommen oder Vermögen. Für Geringverdiener und Bezieher mittlerer Einkommen bedeutete es im Fall einer Pflegebedürftigkeit hingegen die materielle Existenzbedrohung. „Eine Pflegevollversicherung dient der Verwirklichung sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit“, sagte Verdi-Chef Frank Bsirske heute in Berlin bei der Vorstellung des Gutachtens. Umfang und Qualität der Pflege dürfe nicht vom Geldbeutel abhängen.
Dem Gutachten zufolge würde der Beitragssatz von derzeit 1,95 Prozent in einer paritätisch finanzierten Vollversicherung um 1,3 Prozentpunkte auf 3,25 Prozent steigen. Für Versicherte mit einem mittleren Einkommen von 2.500 Euro bedeutete dies ein Plus von aktuell 24 Euro auf künftig rund 40 Euro. Tatsächlich aber würde der Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge niedriger ausfallen, weil die gesetzliche Krankenversicherung bestimmte Leistungen im Umfang von 0,3 Prozentpunkten nicht mehr erbringen müsste. Zudem stünden die Kommunen derzeit für 2,75 Milliarden Euro netto als „Hilfe zur Pflege“ ein, die auch künftig aus Steuermitteln zur Verfügung gestellt werden könnten und die moderate Beitragssatzanhebung dann noch geringer ausfallen lassen würden.