Neue Berufsbilder in der Intensivmedizin standen im Mittelpunkt der Klausurtagung der DIVI (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin), die am vergangenen Freitag in Hannover stattfand. Wie können motivierte Intensivpflegende am Patientenbett gehalten werden? Welche weiterführenden Perspektiven gibt es für Pflegekräfte? Welche rechtlichen Rahmenbedingungen müssen bei der Aufgabenteilung eingehalten werden? Fragen wie diese wurden auf der öffentlichen Klausurtagung sehr kontrovers diskutiert.
Das neue Berufsbild des Intensive Care Practitioners, das von der privaten Steinbeis Hochschule Berlin (SHB) im Rahmen des dreijährigen Bachelor-Studiengangs Allied Health and Health Management angeboten wird, geriet in der Diskussion mehrfach unter Beschuss. Der Studiengang bietet seit 2009 in Deutschland erstmals für Intensivpflegende die Möglichkeit, sich auf akademischem Niveau zu qualifizieren. Die ersten sieben Absolventen haben den Studiengang im September 2012 erfolgreich abgeschlossen. „Die zu erwartende ärztliche Personallücke in Deutschland kann mit den Intensive Care Practitioners und Physician Assistants gut abgefangen werden“, berichtete Frank Merkle, Direktor des Steinbeis-Transfer-Instituts Medicine and Allied Health. Kritiker hielten dagegen, dass es bei den Intensive Care Practitioners noch völlig unklar sei, welche Aufgaben sie übernehmen sollen, ob sie dem ärztlichen oder pflegerischen Dienst unterstellt werden und welches Ziel der Studiengang genau verfolge. „Mit diesem Studiengang wurde ein Kunstprodukt geschaffen, das der Steinbeis-Universität vielleicht gut tut, den Absolventen im Moment aber noch keine Perspektiven bietet“, so die Kritik der anwesenden Teilnehmer.
Prof. Dr. Andre Ewers, Pflegewissenschaftler an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität in Salzburg, wies am Beispiel der Physician Assistants zudem darauf hin, dass dieses Berufsbild so eng mit dem ärztlichen Bereich verknüpft sei, dass die Absolventen keinerlei eigene Autonomie mehr hätten – im Gegensatz zu Pflegenden, die zwar in bestimmten Bereichen der Weisung durch den Arzt unterliegen, jedoch als autonome Berufsgruppe gelten. „Die Ausbildung zum Physician Assistant ist keine Weiterbildungsform der Pflege“, hielt Ewers in Hannover fest; „es werden keinerlei pflegerelevante oder pflegebezogene Inhalte vermittelt.“ Dieses „Nicht Fisch, nicht Fleisch“ - also „Nicht Pflege, nicht Medizin“ -, wie es Prof. Dr. Michael Quintel, Präsident der DIVI, formulierte, sei auch gerade im Hinblick auf die neuen Intensive Care Practitioner ein Problem. Wo sollen die Absolventen angesiedelt werden, sollen pflegerische oder ärztliche Stellen dafür gestrichen werden? „Bei der Schaffung zusätzlicher Stellen wird jeder Vorstand fragen: Wo ist der Mehrerlös für das Haus?“, gab Quintel zu bedenken.
Trotzdem waren sich die Vertreter der DIVI einig, dass eine weiterführende Qualifizierung für motivierte Intensivpflegende, die auch klar definierte Perspektiven biete, dringend notwendig ist. „Wir haben da eine Riesenbaustelle“, so das Fazit von Professor Quintel. „Wir müssen versuchen, die Leute in der Intensivpflege zu halten und motivierende Perspektiven zu schaffen. Gleichzeitig müssen wir aufpassen, dass wir nicht gute Leute verheizen, indem qualifizierte Pflegende ihr Wissen in ihrem Bereich nicht anwenden können. Hier müssen wir vielleicht noch eine Weile ringen, was der richtige Weg ist. Aber wir müssen das Eisen anfassen, so heiß es auch sein mag.“