Caritas-Präsident Peter Neher hat eine gesellschaftliche Debatte über Krankheit und Tod gefordert. Schwerstkranke und sterbende Menschen in Deutschland dürften nicht unter Druck gesetzt werden oder den Eindruck gewinnen, dass man sich ihrer entledigen wolle. „Gerade in der letzten Lebensphase brauchen sie die Gewissheit, dass sie als Person wertvoll sind und alle Unterstützung erhalten, derer sie bedürfen“, sagte Neher anlässlich der ersten Lesung des Gesetzentwurfs zum Verbot kommerzieller Sterbehilfe im Bundestag.
Neher nannte es besorgniserregend, dass die Zahl der Suizide im vergangenen Jahr gestiegen sei und zeigte sich „besonders beunruhigt“ über das Ausmaß der Selbstmorde bei älteren Menschen. 90 Prozent der Betroffenen litten unter einer Depression, einer anderen psychischen Störung oder an einer Suchterkrankung. „Dies zeigt, dass es für die Hilfe suizidgefährdeter Menschen dringend erforderlich ist, neben einer ausreichenden medizinischen Versorgung eine Begleitung sicherzustellen, die menschliche Nähe, ein liebevolles Gegenüber und seelsorgliche Angebote vermittelt“, so Neher. Sie dürften nicht das Gefühl bekommen, mit ihrem Schmerz allein gelassen zu werden und sich zudem dem gesellschaftlichen Druck ausgesetzt sehen, dass ein Suizid erwägenswert sei und Beihilfe rechtfertige.
In diesem Zusammenhang kritisierte Neher die Duldung von Sterbehilfeorganisationen in Deutschland. So könne der Eindruck entstehen, dass es sich bei der Beihilfe um eine gewöhnliche Dienstleistung handele. Die scheinbare Normalität berge die Gefahr, den Druck auf alte und kranke Menschen, ihren Angehörigen und der Gesellschaft nicht länger zur Last zu fallen, zu erhöhen.„Wir brauchen in unserer Gesellschaft einen offenen Umgang mit Krankheit und Tod. Das Lebensende darf nicht länger tabuisiert werden. Tod gehört zum Leben. Darüber müssen wir in Deutschland sprechen, nicht über Beihilfe zum Sterben“, forderte Neher gestern in Berlin.