Die Weltgesundheitsorganisation WHO beklagt steigende Ungleichheiten in Gesundheitsfragen in Europa. Zwar attestiert die Organisation der Vereinten Nationen, dass die Europäer insgesamt länger und gesünder leben. Aber zugleich gebe es teilweise sich verschlechternde Ungleichheiten zwischen verschiedenen Ländern, Bevölkerungsgruppen und den Geschlechtern. „Diese sind unnötig und ungerecht und es muss Priorität sein, dass wir diese gemeinsam angehen“, sagte Zsuzsanna Jakab, WHO-Direktorin für Europa, am Dienstagnachmittag bei der Vorstellung des Europa-Berichts der WHO in London. Der Bericht deckt 53 Länder und fast 900 Millionen Menschen ab. Er wird alle fünf Jahre veröffentlicht.
Als Beispiel für Ungleichheiten nennt die WHO, dass die Lebenserwartung von Frauen im Schnitt auf 80 Jahre gestiegen ist, wogegen Männer statistisch lediglich ein Alter von 72,5 Jahren erreichen. Die Kindersterblichkeit ist laut WHO regional sehr unterschiedlich. Deutliche Unterschiede gibt es in der Lebenserwartung zwischen West- und Osteuropa. „Dass die Menschen in Osteuropa deutlich kürzer leben als die in Westeuropa hat viele Gründe, darunter: Alkoholmissbrauch, Rauchen und Armut“, erklärte WHO-Expertin Claudia Stein im Interview der „Frankfurter Rundschau“. Stein: „Armut kann man fast gar nicht überschätzen als negativen Einflussfaktor auf die Gesundheit.“ Für den nächsten WHO-Europareport in drei Jahren kündigte Stein an, einen Indikator für das Wohlbefinden zu präsentieren, der weiter mehr aussagen soll als klassische Gesundheitsinidikatoren.
Doch es gibt auch viele positive Nachrichten: In der Türkei etwa ist die Lebenserwartung in den vergangenen 20 Jahren um acht Jahre gestiegen, „das ist unglaublich stark“, betont Stark. „Es zeigt, dass investiert wurde in die Gesundheitssysteme und dass die Probleme angegangenen werden.“ In den 53 untersuchten Ländern insgesamt erhöhte sich die Lebenserwartung im Zeitraum 1980 bis 2010 um fünf auf 76 Jahre. Europa hat die niedrigste Kindersterblichkeit der Welt (7,9 von 1000 Lebendgeburten), ein Rückgang von 54 Prozent zwischen 1990 und 2010. Die Zahl tödlicher Autounfälle sank im selben Zeitraum um die Hälfte. Deutlich zurück ging auch die Zahl der Selbstmorde.